Die Wahrheit über Migration
Seit dem Jahr 2015 war in den Medien in Bezug auf Migration häufig von „Flüchtlingswelle" oder „Flüchtlingsflut" die Rede. Es wurde der Eindruck erweckt, dass Deutschland überrannt wird von Geflüchteten und dass der „Strom" nicht abreißt; andere Zuwanderungsgruppen kamen zeitweise nur am Rande vor. Teile der Politik haben dieses Szenario wortgewaltig unterstützt und so Verunsicherung in Bevölkerung und Gesellschaft erzeugt und Ressentiments gegen Menschen mit Migrationshintergrund insgesamt zumindest begünstigt. Doch wie viele Menschen kommen tatsächlich nach Deutschland, bleiben oder gehen zurück in ihr Heimatland? Und wie viele Menschen mit Migrationshintergrund leben tatsächlich hier?
Die Tabelle 1 veranschaulicht die Wanderungszahlen von 2013 bis 2018.1 Mit Ausnahme des Jahres 2015 beträgt der Wanderungssaldo (Differenz Zugezogene – Fortgezogene) zwischen 400.000 und 500.000 Menschen: Durchschnittlich wandern pro Jahr etwas mehr als anderthalb Millionen Menschen nach Deutschland zu; gleichzeitig verlassen rund eine Million Menschen das Land.
Das Jahr 2015 bildet eine Besonderheit, weil nach Öffnung der Grenzen nach Österreich über 800.000 Schutzsuchende nach Deutschland gekommen sind (eine Zahl, die sich in den Jahren darauf wieder auf einem ursprünglicheren, geringerem Niveau eingependelt hat).
Die meisten Zuwanderer sind Europäer
Rund 75 Prozent beziehungsweise etwa 1,1 Millionen der 2018 Zugezogenen haben eine europäische Staatsangehörigkeit, fast zwei Drittel (63 Prozent) waren EU-Bürger(innen). Hauptsächlich kommen die Menschen aus Rumänien (251.971), Polen (143.646), Bulgarien (85.728), aber auch aus Kroatien (57.724) und Italien (53.348).2 In den Zahlen enthalten sind auch rund 200.000 Deutsche, die nach Deutschland (zurück-)kamen.
Parallel dazu haben im Jahr 2018 rund 850.000 EU-Bürger(innen) das Land verlassen, darunter rund 260.000 Deutsche, was für deutsche Staatsangehörige einen negativen Wanderungssaldo ergibt (siehe Tabelle 1).
Bereinigt man die Zahlen durch Abzug der zugezogenen Asylbewerber(innen), kommen rund 170.000 Personen beziehungsweise 9,8 Prozent der Zugezogenen aus ­Asien, rund 54.000 beziehungsweise 3,4 Prozent aus Amerika und rund 60.000 beziehungsweise 2,7 Prozent aus Afrika.3
Asylsuchende: Zahlen gehen weiter zurück
Im Jahr 2018 sind in Deutschland rund 162.000 Asyl­-Erstanträge4 gestellt worden, im Vorjahr waren es noch rund 186.000. Aktuell hat das BAMF in seiner Asylgeschäftstatistik neue Zahlen veröffentlicht. Mit 142.500 Asyl-Erstanträgen im Jahr 2019 hat sich der Anteil im Vergleich zu 2018 noch einmal um etwa zwölf Prozent verringert.5 Damit ist die Zahl der Asylsuchenden pro Jahr weiter gesunken und die Jahre 2015 und 2016 mit dem Peak der Flüchtlingszuwanderung nach Deutschland können als Ausnahmejahre betrachtet werden.
Die Zahlen der Geflüchteten machen an der Gesamtzuwanderung nach Deutschland im Jahr 2018 nur etwa zehn Prozent aus. Die Hauptherkunftsländer von Asylsuchenden sind Syrien, Irak, Iran, Nigeria, Türkei und Afghanistan. Circa 63 Prozent aller Antragsteller stammen aus diesen Ländern. Darin enthalten sind etwa 30 Prozent, die im Rahmen einer Familienzusammenführung Asyl in Deutschland beantragten; circa jede(r) fünfte Asylbewerber(in) ist in Deutschland geboren.6
Die meisten Schutzsuchenden flüchten in Nachbarstaaten
Nach Angaben der Hilfsorganisation der Vereinten Nationen UNHCR waren Ende 2018 weltweit 70,8 Millionen Menschen auf der Flucht.7 Davon leben etwa 41,3 Millionen als Binnenvertriebene innerhalb des eigenen Landes. Von den über die Grenzen geflüchteten Personen leben rund 80 Prozent in den Nachbarländern ihrer Heimatstaaten. Nur ein geringer Prozentsatz gelangt in die EU.
Von den 20,4 Millionen Flüchtlingen unter UNHCR-Mandat ist mit 6,5 Millionen jede(r) dritte syrischer Herkunft. Über die Hälfte von ihnen (3,6 Millionen) leben in der Türkei, knapp eine Million im Libanon, 670.000 in Jordanien und 514.000 in Deutschland. Das Beispiel Syrien belegt die in Fachkreisen bekannte Tatsache, dass Migration hauptsächlich in die Nachbarländer führt und dort endet.
Insgesamt leben in Deutschland mit rund 1,8 Millionen8 nur 2,5 Prozent der weltweit aus ihrem Heimatort Geflüchteten.
Menschen mit Migrations­hintergrund in Deutschland
Im Jahr 2018 lebten rund 20,8 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland9, was einem Bevölkerungsanteil von 25,5 Prozent entspricht.10 Rund 52 Prozent von ihnen beziehungsweise knapp elf Millionen Menschen waren im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit (Deutsche mit Migrationshintergrund), die Hälfte davon seit ihrer Geburt.11
Etwa 7,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund sind hier geboren; die verbleibenden 13,5 Millionen sind zugewandert. 65,4 Prozent und damit fast zwei Drittel der Personen mit Migrationshintergrund haben europäische Wurzeln (35,8 Prozent aus der EU; siehe Abbildung 2).
Die meisten Menschen mit Migrationshintergrund wohnen in den westdeutschen Bundesländern (95,3 Prozent). Lediglich 4,7 Prozent (982.000 Personen) leben in den ostdeutschen Bundesländern. Damit liegt ihr Anteil an der Bevölkerung im Westen bei 28,6 Prozent, im Osten bei acht Prozent.
Menschen mit Migrationshintergrund sind tendenziell jünger: Der Anteil an der Gesamtbevölkerung der unter 20-Jährigen ohne Migrationshintergrund beträgt 15,2 Prozent; bei Menschen mit Migrationshintergrund liegt er bei 27,2 Prozent. Bei den über 40-Jährigen sinkt die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund kontinuierlich und ist bei den über 70-Jährigen verschwindend gering.
Deutschland ist geprägt von Menschen mit Migrationsgeschichte
Die vorliegenden Zahlen verdeutlichen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, zugleich aber viele Menschen jedes Jahr Deutschland wieder verlassen.
Zu- und Abwanderungen nach beziehungsweise aus Deutschland sind europäischer Art und in großen Teilen EU-Binnenwanderungen, betreffen also Personen, die von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen.12 Die Zuwanderung von Geflüchteten spielt zahlenmäßig eher eine geringe Rolle.
Deutschlands Bevölkerungszusammensetzung wird zunehmend durch Menschen mit Migrationshintergrund geprägt. Deren Anteil steigt seit vielen Jahren kontinuierlich, aber mehr als die Hälfte davon sind Deutsche und ein Drittel ist nicht zugewandert, sondern seit Geburt einheimisch in Deutschland.
Diese Zahlen können zu einer Versachlichung der sehr umkämpften und emotional aufgeladenen Diskussion zu „den Migrant(inn)en" dienen.
Anmerkungen
1. Zur Entwicklung der Wanderungszahlen siehe auch Destatis, Kurzlink: https://bit.ly/2QylLsl
2. In der Reihenfolge ähnlich wie in den Vorjahren.
3. Die Zahlen der Zugezogenen insgesamt wurden abgeglichen mit den Herkunftsländern der Asylgeschäftsstatistik 1–12/2018 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
4. Aus Asylgeschäftsstatistik 1–12/2018 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
5. Asylgeschäftsstatistik Dezember 2019; Meldung vom 8. Januar 2020.
6. Siehe Kurzlink: https://bit.ly/2T2QJuc
7. www.unhcr.org/dach/de/services/statistiken
8. www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/07/PD19_276_12521.html
9. Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde.
10. Zahlen aus Veröffentlichung Fachserie 1, Reihe 2.2. des Statistischen Bundesamtes.
11. Pressemeldung Nr. 314 des Statistischen Bundesamtes vom 21. August 2019.
12. Siehe dazu ausführlich: Tießler-Marenda, E.: Freizügigkeitsrecht als Errungenschaft. In: neue caritas Heft 1/2020, Seite 9 ff.
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