Ukraine: der fast vergessene Krieg
Manchmal taucht die Ukraine wieder in den Schlagzeilen auf. Dann, wenn die Menschen dort einen Komiker zum Präsidenten machen. Doch das Land hat wahrhaft ernste Probleme, die im Rest Europas oft nicht mehr im Blick sind.
Der Krieg im Osten des Landes währt schon mehr als fünf Jahre. Mehr als fünf
Millionen Menschen - jede(r) neunte Ukrainer(in) - sind vom Krieg betroffen, dreieinhalb Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Vor allem in der Pufferzone leben die Menschen in großer Armut. Das ist die mehr als vierhundert Kilometer lange "Kontaktlinie" zwischen den Gebieten, die von der ukrainischen Regierung kontrolliert werden, und jenen, die unter Kontrolle der Separatisten sind.
Die Caritas Ukraine versucht mit Hilfe von Caritas international (Ci) aus Deutschland, in den dringendsten Notlagen zu helfen. In Luhanske etwa (nicht zu verwechseln mit der Stadt Lugansk weiter im Osten), einem Dorf in der Pufferzone, liegt das Leben darnieder. Viele Einwohner(innen) sind weggezogen, vor allem die jüngeren und gut ausgebildeten. Jetzt hat Luhanske keinen Arzt mehr, und es gibt kaum Möglichkeiten, Lebensmittel einzukaufen. Vor allem im Winter ist die Not der Menschen groß. Die Temperaturen sind viele Monate lang weit im Minus, oft weht ein eisiger Wind übers flache Land. Die Caritas Ukraine versorgt die Menschen mit dem Notwendigsten: Briketts für den Winter, Nahrungsmittelpakete, Geldkarten sowie medizinische Hilfen, und sie leistet psychosoziale Unterstützung. Etwa 600.000 Menschen leben in unsicheren Siedlungen wie Luhanske, in denen sie täglich durch Beschuss und Landminen bedroht sind.
Ausharren in Gefahr und Mangel
Die 70-jährige Oleksandra Luhova lebt fast direkt an der Frontlinie, die sich immer wieder verschiebt. Mehrmals schon ist ihr Haus beschossen worden, mehrmals hat sie versucht, es zu reparieren. Doch immer wieder gibt es neue Angriffe. "Meine Tochter und meine Enkelin wären fast getötet worden, weil sie im Garten waren, als der erste Beschuss kam", erzählt sie. "Dass sie überlebt haben, ist reines Glück."
Die Granaten haben das Dach, die Fenster und die Toilette im Hof zerstört. "Ich habe meinem Sohn das Geld gegeben, das ich für meine Beerdigung gespart hatte, damit er mit ihm die Fenster reparieren lässt", berichtet die ältere Dame. "Doch kurz darauf waren die Fenster wieder zerstört - der Granatbeschuss hört nicht auf." Ihre Tochter und ihr Sohn sind mit ihren Familien in die nächstgrößere Stadt gezogen, etwas weiter weg von der Front. Oleksandra Luhova lebt nun ganz allein in der sogenannten Sommerküche. Das Haus selbst ist unbewohnbar geworden und verfällt langsam.
Wer in der Pufferzone geblieben ist, hat dafür Gründe: Manche befürchten, ihre Häuser für militärische Zwecke zu verlieren, wenn beispielsweise Truppenteile sie als Lager nutzen. Anderen fehlt das Geld für den Umzug, da es keine bezahlbaren Alternativen gibt. Wieder andere betrachten es als ihre Pflicht, zurückzubleiben und ihren älteren oder hilflosen Nachbarn beizustehen, an halbleeren Schulen weiter zu unterrichten oder anderweitig zu versuchen, etwas von ihrer früheren Gemeinschaft am Leben zu erhalten. Diese Menschen möchte die Caritas Ukraine, neben den unmittelbar Notleidenden, mit ihrem Projekt auch erreichen. Sogenannte Community Activation soll die Gemeinschaft in die Lage versetzen, besser mit der schwierigen Situation umzugehen.
"Wir möchten die Menschen darin unterstützen, dass sie eigenverantwortlich und selbstständig ihre Lebensumstände verbessern können", erklärt der Nothilfe-Koordinator der Caritas Ukraine, Andrij Postnikov, das Konzept. Wenn Gebäude unbewohnbar sind und viele Schäden aufweisen oder wenn die Wasser- oder Stromversorgung nicht richtig funktioniert, unterstützt oder gründet die Caritas Bürgerinitiativen und gibt Informationen, an welche Organisationen Betroffene sich wenden können, um die Probleme zu lösen. Auch beim Austausch mit den kommunalen Behörden hilft die Caritas, damit diese die wichtigsten Bedarfe der Bürger(innen) genau kennen.
Kurz- und langfristige Caritashilfe
"Diese Arbeit hat neben der praktischen auch eine wichtige therapeutische Funktion", erläutert Andrij Postnikov. "Wir müssen bedenken, dass wir es hier mit einer höchst vulnerablen Klientel zu tun haben. Es sind Menschen, die ihre komplette Existenz verloren haben und nicht alleine in der Lage sind, sie wiederaufzubauen. Sie können ihre Stärke und Selbstständigkeit dadurch wiedererlangen, dass sie in einem ständigen Austausch mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft stehen, die sie darin unterstützen, für die Verbesserung ihrer Lebensumstände und ihrer Existenz im eigenen Dorf anzutreten." Ziel ist es vor allem, dass die Menschen nicht von humanitärer Hilfe abhängig bleiben.
Caritas Ukraine verknüpft die Nothilfe mit sozialer Arbeit. Diese Möglichkeiten hat sie, weil sie seit ihrer Gründung 1992 soziale Arbeit leistet. Die Nothilfe kam erst nach dem Kriegsausbruch 2014 hinzu. Die Mitarbeiter(innen) der Caritas können den Fokus in der Nothilfe auf benachteiligte Gruppen wie Senior(inn)en und Kranke oder Menschen mit Behinderung legen, weil sie um deren Bedarfe wissen. Und sie wissen, was ihnen langfristig helfen kann. Diese Verknüpfung zeigt sich auch deutlich in den Sozialzentren der Caritas Ukraine, die nahe der Pufferzone entstanden sind, aber auch in den Sozialzentren etwas weiter im Westen des Landes, in denen die Caritas die vielen Inlandsvertriebenen unterstützt. Hier gehen die Hilfen Hand in Hand. Die Menschen kommen, um sich in der Suppenküche ein warmes Essen zu holen, und erfahren gleichzeitig, dass sie sich rechtlich beraten lassen können. Auch viele andere Sozialdienste bietet die Caritas in den Zentren an. "Menschen, die ihre Existenz erfolgreich wiederaufbauen, weil wir sie unterstützen, die aber von Kriegserlebnissen traumatisiert sind, werden vielleicht später Hilfe brauchen", erklärt Andrij Postnikov. "Die Grenze zwischen den Zielgruppen für Nothilfe und Sozialarbeit ist fließend."
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