Christliches Profil katholischer Einrichtungen glaubwürdig managen
Eine Analyse der in Theorie und Praxis diskutierten Ansätze führt zu der Erkenntnis, dass sich das christliche Profil einer katholischen Einrichtung anhand von drei Ebenen skizzieren lässt: Demnach begründen sich katholische Organisationen erstens vom christlichen Glauben her, weshalb das christliche Gottes-, Menschen- und Werteverständnis fundamental für sie sind. Katholische Unternehmen sind auf einer zweiten Ebene katholische Kirche, so dass deren Verständnis als Glaubens- und auch als Arbeitsorganisation für sie zentral ist. Auf der dritten Ebene verfolgen katholische Einrichtungen den Anspruch, in ihren Strukturen und Kulturen glaubwürdig und spürbar christlich zu sein: darin, wie menschliche Beziehungen gelebt werden (Koinonia), darin, wie im Alltag die frohe Botschaft des christlichen Glaubens in Tat und Wort bezeugt wird (Martyria), darin, wie die Beziehungen zu Gott erfahren und gefeiert werden (Liturgia) und schließlich darin, wie menschlicher Not ganz konkret begegnet wird (Diakonia).
Die drei Ebenen gehören organisch zusammen und beschreiben in ihrer Gesamtheit das christliche Profil katholischer Einrichtungen. Was sie im Einzelnen beinhalten und wie sie von Führungsverantwortlichen in Caritas und Kirche glaubwürdig "gemanagt" werden können, soll im Folgenden ansatzhaft verdeutlicht werden:
1. Gottes-, Menschen- und Werteverständnis stärken
Da für kirchliche Einrichtungen das christliche Verständnis von Gott grundlegend ist, ist aus pastoraltheologischer Sicht zu fragen, welche Erfahrungen Menschen individuell oder kollektiv im Laufe der Geschichte mit Gott gemacht haben und wie sie es heute noch tun. Diese Erfahrungen mit Gott verdichten sich in den drei göttlichen Personen - Vater, Sohn und Heiliger Geist - und führen doch letztlich zu der Erkenntnis, dass es schwerfällt von Gott zu sprechen, weil kein Mensch Gott je gesehen hat (vgl. Joh 1,18) - er somit trotz aller (Er-)Klärungsversuche ein Geheimnis bleibt.
In Caritas-Einrichtungen bewusst gestaltete, angstfreie Räume zur Kommunikation dieser vielfältigen Erfahrungen mit Gott zu schaffen, darin liegt im Alltag eine Herausforderung der Verantwortlichen für ein christliches Profil. Denn dieser Anspruch erfordert - scheinbar entgegen der Wirtschaftlichkeitslogik - Zeit und Raum und auch Räumlichkeiten zur Auseinandersetzung.
Der Gewinn besteht darin, dass Mitarbeitende sowohl in Glaubensfragen als auch in Bezug auf das christliche Menschenbild auskunfts- und sprachfähig werden können. Die jüdisch-christlichen Schriften des Alten und Neuen Testaments lassen Konturen eines christlichen Menschenbildes erkennen, aus denen sich Wertvorstellungen ableiten lassen, die für die Moral- und Ethikvorstellungen katholischer Einrichtungen fundamentale Bedeutung haben. Konkret wirken sie sich beispielsweise bei der grundsätzlichen Ablehnung des Schwangerschaftsabbruchs aus. Um Standpunkte wie diesen nachvollziehen und verständlich kommunizieren zu können, ist eine Auseinandersetzung mit dem christlichen Glaubensfundament zentral - beispielsweise als integraler Bestandteil von Ethikfortbildungen.
Auch der Anspruch eines christlich reflektierten Berufsethos oder der einer christlichen Führung kann aus der persönlichen Beschäftigung mit dem christlichen Gottes-, Menschen- und Werteverständnis im Rahmen von Personalentwicklungsmaßnahmen erwachsen. In solchen Prozessen der Auseinandersetzung und Standortbestimmung liegt der Schlüssel für eine glaubwürdige Erhaltung, Stärkung und Weiterentwicklung der ersten Profilebene einer christlichen Einrichtung.
2. Katholisches Kirchenverständnis weiterentwickeln
Katholische Einrichtungen stehen über den christlichen Glaubensbezug hinaus auch in einer kirchlichen Tradition. Dem Zweiten Vatikanischen Konzil nach ist Kirche als Communio ein Abbild des dreieinen Gottes2 und verfolgt das Ziel, das Werk Jesu weiterzuführen.3 Sie strebt "nach dem einen Ziel, nach der Ankunft des Reiches Gottes und der Verwirklichung des Heiles der ganzen Menschheit"4. Dieser Anspruch hat aktuell aufgrund von Missbrauch durch Geistliche zu einem Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust geführt. Führungsverantwortliche in Caritas und Kirche stehen somit vor der Herausforderung, ihren Beitrag für eine glaubwürdige Kirche zu leisten - durch Nulltoleranz bei sexualisierter Gewalt einerseits und durch menschenfreundliche Abläufe und Strukturen andererseits.
Dabei steht auch die Glaubwürdigkeit der Kirche als Arbeitsorganisation auf dem Spiel. Als Dienstgeber formuliert der kirchliche Arbeitgeber Anforderungen an die bei ihm Beschäftigten hinsichtlich ihrer Kirchlichkeit, ihrer Kirchenzugehörigkeit, der persönlichen Lebensführung sowie der Identifikation mit der Glaubensbotschaft. In der Öffnung und Weiterentwicklung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes liegt eine Chance, die sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 17. April 2018 ergibt. Danach dürfen kirchliche Arbeitgeber nicht bei jeder Stellenbesetzung eine Religionszugehörigkeit fordern, und staatliche Gerichte dürfen im Einzelfall prüfen, ob die gegebenenfalls geforderte Religionszugehörigkeit "wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt"5 ist. Mit Blick auf eine zunehmend multikulturelle und interreligiöse Mitarbeiterschaft in kirchlichen Einrichtungen lässt sich für eine glaubwürdige Erhaltung, Stärkung und Weiterentwicklung der zweiten Profil-Ebene festhalten: Bewerber(innen) und Mitarbeiter(innen) haben das Recht auf Aufklärung über den Grundgedanken der Dienstgemeinschaft und über die jeweils geltende Fassung des kirchlichen Arbeitsrechts - inklusive der sich von daher ergebenden Karrieremöglichkeiten. Eine Studie kommt zu der Annahme, dass Letzteres nicht immer, überall und umfassend der Fall ist.6
3. Grundvollzüge kirchlichen Lebens schärfen
Die Grundvollzüge Koinonia, Martyria, Liturgia und Diakonia beschreiben Praxisdimensionen, die das Wesen der Kirche ausmachen. Sie können daher mit Blick auf die Mikro-, Meso- und Makroebene einer Einrichtung als Kriterien gelebter Christlichkeit gelten. So zielt beispielsweise die Kultur eines solidarischen Mit- und Füreinanders (Koinonia) im Krankenhaus auf die Wahrung der Würde eines/einer jeden Erkrankten sowie Mitarbeitenden, zudem auf das Fördern individueller Fähigkeiten. In einer Kultur des in Tat und Wort bezeugten christlichen Glaubens (Martyria) wird nicht nur der interreligiöse Dialog gepflegt, sondern sie strahlt auch die Zuversicht christlicher Erlösung aus, zum Beispiel in einem guten, auch unter Stress stabil bleibenden Arbeitsklima oder auch in der räumlichen Gestaltung der Einrichtung. Im Rahmen von Pilgerreisen und Besinnungstagen können Mitarbeitende bei Andachten, Glaubensfeiern und Impulsen ihre religiösen Kraftquellen auftanken (Liturgia-Kultur).
Durch professionelles und ressourcenschonendes Helfen, ethisches und seelsorgliches Handeln sowie durch politisches und gemeinnütziges Engagement für Bedürftige wird eine glaubwürdige Kultur der Diakonia gestaltet.
All dies verdeutlicht ansatzweise: Der Anspruch der Grundvollzüge geht ans Eingemachte einer Einrichtungskultur, hat Sprengkraft und fordert Mitarbeitende, Führungspersonen und das System als Ganzes mit all seinen Rahmenbedingungen heraus. Es braucht ehrliche Antworten der Selbst- und Fremdeinschätzung auf die Frage, wie die Grundvollzüge den Alltag der Einrichtung oder des Dienstes durchdringen. Die dabei sichtbar werdenden Entwicklungsmöglichkeiten dann auch wirklich anzugehen, darin besteht die eigentliche Herausforderung für einen kontinuierlichen Entwicklungsprozess mit allen Mitarbeitenden.
Sich immer wieder neu kritisch mit den drei Ebenen des christlichen Profils katholischer Einrichtungen auseinanderzusetzen und sie mit allen Mitarbeitenden zu gestalten, dazu sind Verantwortliche in Caritas und Kirche aufgefordert. So können katholische Einrichtungen das erhalten, stärken und weiterentwickeln, was sie per Claim, Logo und Leitbild versprechen.
Anmerkungen
Drei-Ebenen-Modell des christlichen Profils katholischer Einrichtungen: Detailliert beschrieben in: Arens, T.: Christliches Profil und muslimisches Personal. Katholische und muslimische Ärzte in Caritas-Krankenhäusern. Stuttgart: Kohlhammer, 2018, S. 29-144.
2. Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil: Lumen gentium. 1964, Abschnitte 2-4.
3. Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil: Gaudium et spes. 1965, Abschnitt 3.
4. Ebd., 1. Abschnitt 45.
5. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 17.4.2018 - C-414/16.
6. Vgl. Arens, T.: Christliches Profil und muslimisches Personal, a. a. O., S. 325.
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