Sicherheitsdienst in der Jugendhilfe: Aus Notlösung entstand sinnvolles pädagogisches Handeln
Als ein Junge Ihre Mitarbeiter angegriffen und schwer verletzt hat, haben Sie einen Sicherheitsdienst zu Hilfe gerufen. Warum?
Es handelt sich um einen Jugendlichen mit einer schweren geistigen Behinderung und sehr eingeschränkter Kommunikationsmöglichkeit. Dieser hat im Sommer 2016 innerhalb kurzer Zeit drei Mitarbeitende angegriffen und sehr erheblich verletzt, mit der Folge jeweils längerer Arbeitsunfähigkeit. Danach habe ich mich entschlossen, einen Sicherheitsdienst einzusetzen.
Welchen Effekt hatte das?
Der Einsatz hat bis zum Auszug des inzwischen jungen Mannes über zwei Jahre stattgefunden. In dieser Zeit hat sich kein Übergriff mehr ereignet. Übergriffsversuche in Krisen gab es natürlich weiterhin. Durch das Eingreifen des jeweiligen Sicherheitsmitarbeiters konnten diese ohne Verletzungen beendet werden. Wichtig ist auch, dass durch die Anwesenheit des Dienstes das Sicherheitsgefühl der Pädagoginnen und Pädagogen wieder deutlich zugenommen hat. Unter diesen Bedingungen waren sie bereit, die Betreuung weiterzuführen. Sie konnten - ein wichtiger fachlicher Aspekt - klarer und sicherer in der Kommunikation mit dem jungen Mann auftreten und Sicherheit und Struktur vermitteln. Das trug bereits im Vorfeld zur Vermeidung potenzieller Krisen bei.
Wie lebt der junge Mann heute?
Nachdem er volljährig geworden war, war es nötig, ein neues Wohnangebot für ihn zu finden. Seine Eltern wünschten eine Unterbringung innerhalb Nordrhein-Westfalens. Intensive Bemühungen über mehr als ein Jahr blieben ohne jeden Erfolg. Keine der angefragten 40 Einrichtungen sah sich in der Lage, dem Betreuungsbedarf gerecht zu werden. Daher entwickelten wir ein Konzept, das unabhängig von einer stationären Einrichtung war. Dieses Setting hat der Kostenträger schließlich zunächst für ein Jahr bewilligt. So konnte ich für ihn eine Wohnung suchen, in die er im vergangenen Sommer mit einem eigenen Betreuungsteam (inklusive Nachtbereitschaften) und dem Sicherheitsdienst gezogen ist. Zudem gelang es, eine halbtägige Werkstattbeschäftigung anzubahnen, ebenfalls begleitet von einem Sicherheitsmitarbeiter.
Wer hat die Kosten übernommen?
Während der Betreuung im Kinderhaus hat sich der Kostenträger durchgängig geweigert, irgendwelche Kosten über die Einstufung der Hilfebedarfsermittlung (HBM) hinaus zu übernehmen. Die intensive personelle Begleitung und die Kosten des Sicherheitsdienstes von circa 60.000 Euro pro Jahr hat der Einrichtungsträger bezahlt. Ich sah dazu im Interesse der begleitenden Pädagogen und damit auch des jungen Mannes keine Alternative.
Was sagen die Pädagoginnen und Pädagogen dazu, dass Bodyguards in pädagogischen Einrichtungen zum Einsatz kommen?
Sie haben das ohne Ausnahme begrüßt, gerade in Bezug auf die Zunahme ihrer eigenen Handlungskompetenz durch die erlangte Sicherheit. Mit der fachlichen Erfahrung aus der Wohnbetreuung konnte die Werkstattaufnahme von Beginn an so gestaltet werden, dass sich der Sicherheitsdienst nicht im gleichen Raum befindet und noch nie einzugreifen brauchte. Ähnliches lässt sich auch beim Wohnen beobachten, so dass ein behutsamer Rückzug des Dienstes ein wichtiges Ziel ist. Eine pädagogische Wirksamkeit ist nie vorhersagbar. Ich bin aber optimistisch, dass für den Mann nach einem weiteren Jahr entsprechender Entwicklung ein Leben in einer besonders konzipierten Kleingruppe möglich ist.
Ist Ihre Einrichtung ein Einzelfall?
Im Kinderbereich ja. Mir sind zwei Fälle bekannt, in denen im Bereich der Begleitung erwachsener Menschen mit Behinderung ein Sicherheitsdienst eingesetzt worden ist. Dies war aber jeweils eine Krisenintervention und zeitlich befristet.
Würden Sie es wieder tun?
Ja, ich würde in einer vergleichbaren Situation wieder so handeln, zumal sich aus der ursprünglichen "Notlösung" ein sehr sinnvolles pädagogisches Handeln entwickelt hat, das den Glauben an die eigene Wirksamkeit der Pädagogen deutlich gestärkt hat.
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