Die stille Heldentat, die viele Leben rettet
Anfang Mai hat der schwerste Zyklon die indische Ostküste heimgesucht, der in den zurückliegenden 20 Jahren in der Region gemessen wurde. Mit Windstärken von bis zu 200 Stundenkilometern verwüstete "Fani" die Region. Doch trotz der enormen Zerstörungskraft des Zyklons kamen nur 41 Menschen ums Leben. Das war in Deutschland kaum eine Nachricht wert.
Doch was aufgrund der geringen Zahl an Todesopfern weitgehend übersehen wurde, ist eine höchst erstaunliche Nachricht, die sich hinter dem vordergründig unspektakulären Ereignis verbirgt. Denn in der gleichen Region, in der im Mai weniger als 50 Menschen ums Leben gekommen sind, starben im Jahr 1999 bei einem Zyklon gleicher Stärke mindestens 10.000 Menschen. Manche Quellen sprechen sogar von bis zu 30.000 Toten. Es ist keine Frage: 2019 hätten wieder ähnlich viele Menschen ihr Leben verloren, wenn nicht die richtigen Lehren aus der Katastrophe von 1999 gezogen worden wären. Tausende Menschenleben konnten so gerettet werden.
Die Rettung dieser Menschen war allerdings nicht das Resultat einer heroischen Tat. Vielmehr beruht sie auf dem Wirken vieler zumeist namenloser Akteure, die mit stetiger, zumeist gänzlich unspektakulärer Überzeugungs-, Aufklärungs- und Vernetzungsarbeit in den vergangenen 20 Jahren die Dinge beharrlich zum Besseren bewegt haben: Sie haben aus der Vergangenheit gelernt und vorausschauend gehandelt. Es wurde konsequent und erfolgreich in die Vorbeugung investiert. Das war eine stille Heldentat vieler Beteiligter, zu denen auch deutsche Spender(innen) und Steuerzahler(innen) gehören, die oft die entsprechenden Katastrophenvorsorge-Projekte mitfinanziert haben.
Beharrliches Lobbying hat zum Erfolg geführt
Das Ergebnis dieser Erfolgsgeschichte ist erstaunlich: Nie zuvor gab es in der Gegend, die der Zyklon "Fani" jetzt getroffen hat, so frühzeitige Warnungen, so umfangreiche Evakuierungen und so effektiven Schutz vor einem Sturm. Was zunächst als Pionierarbeit von Hilfsorganisationen mit vereinzelten Graswurzel-Projekten vor 20 Jahren begann, ist dank beharrlichem Lobbying Schritt für Schritt auch von staatlichen Akteuren in Indien als Notwendigkeit anerkannt worden: die eigene Bevölkerung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln vor Naturkatastrophen zu schützen.
Das reicht von präzisen Wettervorhersagen und Frühwarnsystemen über regionale Risikopläne, Aufklärungsarbeit auf Gemeindeebene und die Mobilisierung von Freiwilligen in Nothilfe-Teams bis hin zur Errichtung und Instandhaltung von Zyklon-Schutzbauten. Nur dank dieses Maßnahmenbündels, das auf vielen unterschiedlichen Ebenen umgesetzt werden musste, war es möglich, dass Anfang Mai in Indien eine Million Menschen innerhalb kurzer Zeit evakuiert und in Notunterkünften untergebracht werden konnten. Die größte Evakuierungsaktion der Menschheitsgeschichte. Ähnlich positive Beispiele für gelungene Katastrophenvorsorge lassen sich im asiatischen Raum auch in Bangladesch und in Indonesien finden.
Das Leben gerettet, aber alle Habe verloren
Doch es muss noch deutlich mehr getan werden. Denn die Anzahl der Naturkatastrophen, das zeigen Statistiken, hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren auf heute rund 350 Naturkatastrophen jährlich verdoppelt. Vielfach handelt es sich um wetterbedingte Katastrophen wie Wirbelstürme und Überschwemmungen, die durch den Klimawandel verstärkt werden. So wird mittlerweile jede Sekunde ein Mensch durch eine Naturkatastrophe gezwungen, sein Zuhause zu verlassen.
Nicht übersehen werden darf, dass Tausenden von Menschen jetzt in Indien das Leben gerettet wurde. Doch viele konnten tatsächlich nicht viel mehr als das nackte Leben retten. Von geschätzt zehn Millionen Betroffenen haben Zehntausende ihre gesamte Existenz verloren, weil als Folge des Zyklons die Äcker überflutet oder die Häuser fortgespült worden sind. Der Verlust ihrer Habseligkeiten trifft vor allem die Ärmsten der Armen existenziell. Insbesondere die kastenlosen Dalits, die vom staatlichen Hilfssystem immer noch teils vernachlässigt und teils systematisch von Hilfen ausgeschlossen werden, sind hier zu nennen.
Diesen benachteiligten Bevölkerungsgruppen, die ihre Einkommensquellen und ihr Zuhause verloren haben, über die nächsten Wochen und Monate hinweg das Überleben zu sichern und perspektivisch zu zukunftssicheren Häusern zu verhelfen, ist für die Hilfsorganisationen die akut zu bewältigende Aufgabe. Der Zeitdruck ist groß. Ende Juli beginnt in dieser Region der Monsun mit seinen starken Regenfällen. In Zeiten des Klimawandels gilt mehr denn je: Nach der Katastrophe ist vor der Katastrophe.
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