Caritas setzt auf Klimagerechtigkeit
Der Sommer 2018 in Mitteleuropa gehörte zu den wärmsten und trockensten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Außerdem war er einer der längsten, denn schon das Frühjahr in Deutschland fiel sommerlich aus und brachte den wärmsten April und den wärmsten Mai seit Beginn der flächendeckenden Temperaturmessung im Jahr 1880. Die lange Hitzeperiode 2018 folgt einem eindeutigen Trend: Die Mitteltemperatur der Luft in Deutschland hat sich laut den Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) seit 1881 um 1,4 Grad erhöht.
Aber auch die weltweiten Messungen machen mehr als deutlich, dass der Klimawandel längst keine bloße Prognose mehr, sondern in vollem Gange ist. So war im globalen Mittel seit den 1960er-Jahren jede Dekade wärmer als die jeweils vorherige; 16 der 17 wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen wurden nach dem Jahr 2000 gemessen.
In anderen Regionen der Welt nehmen die Folgen längst existenzbedrohende Formen an. Verlängerte Dürren und steigende Durchschnittstemperaturen haben in den vergangenen Jahren etwa in Ostafrika massive Ernteausfälle und für die Menschen Hunger und Not gebracht. Die seltenen Niederschläge fielen oftmals als Starkregen in sehr kurzer Zeit und führten regional zu Überflutungen - und damit zu Ernteverlusten. Der Wechsel von Dürre- und Starkregen-Ereignissen nahm auch in Süd- und Südostasien signifikant zu. Länder wie Kambodscha oder Bangladesch erlebten sehr lange Trockenphasen und außergewöhnlich starke Monsunregen. Völlig zu Recht hat Papst Franziskus in der Enzyklika "Laudato si" auf die Vielschichtigkeit des Klimawandels hingewiesen: "Der Klimawandel ist ein globales Problem mit schwerwiegenden Umweltaspekten und ernsten sozialen, wirtschaftlichen, distributiven und politischen Dimensionen; sie stellt eine der wichtigsten aktuellen Herausforderungen an die Menschheit dar." (LS, 25)
Nicht erst seit dem Sonderbericht "1,5 Grad globale Erwärmung", den der Weltklimarat IPCC Anfang Oktober 2018 veröffentlicht hat, ist klar: Die schädlichen und zerstörerischen Folgen des Klimawandels werden auch bei einer globalen Erwärmung um "nur" 1,5 Grad insbesondere für die Länder der Tropen und Subtropen immense Ausmaße annehmen. Neben der Zunahme von Dürren und Überflutungen drohen danach auch vermehrt Stürme sowie mit dem Ansteigen des Meeresspiegels Sturmfluten und der Verlust ganzer Küstenregionen.
Es ist noch nicht zu spät
Noch können die Temperaturanstiege und ihre Folgen durch verbesserten Klimaschutz abgemildert werden, so der Weltklimarat. In seinem Bericht beziffert er die notwendigen Kosten für den Umbau des Energiesektors, um die globale Durchschnittstemperatur nicht über 1,5 Grad steigen zu lassen: Bis zum Jahr 2035 wären dazu etwa 2,1 Billionen Euro nötig. Außerdem seien ähnlich drastische Maßnahmen für einen klimaschonenden Wandel auch in den Sektoren Verkehr und Landwirtschaft notwendig. Die gute Nachricht: Ein konsequenter Klimaschutz fördert zugleich andere Wirtschaftszweige und bietet gewaltige ökonomische und ökologische Möglichkeiten etwa in den Sektoren Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft, nachhaltige Landwirtschaft, Elektromobilität oder öffentlicher Personennahverkehr. Und: Bei Tatenlosigkeit wären die Kosten zur Bewältigung der negativen Klimafolgen nicht abzusehen - ganz zu schweigen von der Not der Betroffenen, die ohnehin nicht in Zahlen zu fassen ist.
Verluste und Schäden treffen vor allem die Armen
Weil Menschen und ganze Regionen durch den Klimawandel existenziell bedroht sind, ohne dass sie nennenswert zu seiner Entstehung beigetragen haben, hat der Klimaschutz nicht nur eine technische und ökonomische Dimension, wie Papst Franziskus immer wieder deutlich macht: "Wir kommen jedoch heute nicht umhin anzuerkennen, dass ein wirklich ökologischer Ansatz sich immer in einen sozialen Ansatz verwandelt, der die Gerechtigkeit in die Umweltdiskussionen aufnehmen muss, um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde." (LS, 49) Deshalb stellen sich unterschiedliche Fragen der Gerechtigkeit: Wer zahlt für die entstandenen Schäden? Wie können die schon jetzt hohen und steigenden Schäden für Mensch und Umwelt auch nur annähernd ausgeglichen werden? Und wer sorgt dafür, dass sich die Menschen vor den zunehmenden Gefahren besser schützen können - durch Anpassungsmaßnahmen und Katastrophenvorsorge?
Die Stimmen aus den besonders bedrohten Ländern und Regionen werden lauter, die einen finanziellen Ausgleich nach dem Verursacherprinzip fordern. Denn es braucht dringend auch finanzielle Ressourcen, um den Betroffenen, die bereits jetzt ihr Land, ihre Rücklagen und ihre Kraft im Kampf gegen den Klimawandel verloren haben, Unterstützung für ein würdiges Leben und den Wiederaufbau einer Existenz zu gewähren. Es braucht vor allem aber ein gemeinsames Vorgehen der Staatengemeinschaft, wie Papst Franziskus es fordert: "Die soziale Ungerechtigkeit geht nicht nur Einzelne an, sondern ganze Länder, und zwingt dazu, an eine Ethik der internationalen Beziehungen zu denken." (LS, 51)
Die ersten, die solche Forderungen formulierten, waren Vertreter(innen) kleiner Inselstaaten. Denn insbesondere für sie und für nah am Meer liegende Gebiete bedeutet der Klimawandel eine existenzielle Gefahr. Wenn der Meeresspiegel weiter ansteigt, können sich die dort lebenden Menschen vor Fluten kaum mehr schützen, außerdem versalzen Grundwasser und Felder. Bei Sturmfluten oder Tsunamis wären Regionen im Landesinneren betroffen, die bislang als sicher gelten.
Insbesondere in Südostasien und in der Karibik droht durch den Klimawandel eine Zunahme tropischer Stürme, die darüber hinaus immer heftiger ausfallen. Zwar hat es in der Karibik immer schon starke Hurrikane gegeben, doch sie folgen in immer kürzeren Abständen aufeinander und gewinnen an Stärke und damit an Zerstörungskraft. Das Klimaforschungsteam des Niels-Bohr-Instituts der Universität Kopenhagen befürchtet etwa zehnmal so viele extreme Sturmfluten, wenn die weltweite Durchschnittstemperatur um zwei Grad steigt. Schon in den vergangenen Jahren häuften sich die Hurrikan-Katastrophen: So waren nach Angaben der Vereinten Nationen im Jahr 2016 in Haiti 1,5 Millionen Menschen von dem Hurrikan Matthew betroffen. Anfang September 2017 wurden auf der Insel Barbados 95 Prozent aller Häuser durch den Hurrikan Irma zerstört. Ähnlich stark wüteten seit dem Jahr 2000 bereits Isabel, Ivan, Emily, Katrina, Rita, Wilma, Dean und Felix.
Hauptverursacher müssten Ernteausfälle bezahlen
Wenn das Verursacherprinzip Anwendung fände, hätten die Menschen in den besonders vom Klimawandel betroffenen Ländern und Regionen einen Anspruch auf Unterstützung durch die Hauptverursacher des Klimawandels - die Industriestaaten. Dazu gehören Kompensationszahlungen etwa für den Ausfall von Ernten, für die Zerstörung von Gebäuden, landwirtschaftlichen Flächen und Infrastrukturen. Ebenso wichtig sind Zahlungen, um umfangreiche Anpassungen an den Klimawandel zu finanzieren, insbesondere im Bereich Katastrophenvorsorge, die negative Folgen des Klimawandels zumindest eindämmen helfen. Dazu gehören der Aufbau von Katastrophenfrühwarnsystemen genauso wie etwa der Bau von Dämmen und Wasserrückhaltebecken, die Errichtung von sturm- und flutsichereren Gebäuden oder der Aufbau sozialer Sicherungssysteme.
Caritas-Projekte mildern klimabedingte Katastrophen
Weltweit arbeiten Caritas-Organisationen daran, die Katastrophenvorsorge zu verbessern und die Gegebenheiten an den Klimawandel anzupassen. Zahlreiche Projekte des Hilfswerkes Caritas international etwa in den Andenstaaten, in Zentralamerika und der Karibik, in Süd- und Südostasien oder in den Sahelstaaten Ost- und Westafrikas zeigen deutlich, dass die damit verbundenen Vorkehrungen den betroffenen Menschen mehr Schutz von klimabedingten Katastrophen und mehr Sicherheit vor den tiefgreifenden negativen Wirkungen des globalen Klimawandels bieten.
Doch solche Anpassungen an den Klimawandel erfordern ebenso schnelles und unbürokratisches Handeln wie Maßnahmen zum Klimaschutz. Das betonen auch die sechs Präsidenten der kontinentalen Bischofskonferenzen in einer gemeinsamen Erklärung vom 29. Oktober 2018. Unter Bezug auf die Enzyklika "Laudato si", die Papst Franziskus im Juni 2015 veröffentlicht hatte, wenden sie sich an die Regierungen im Vorfeld der Weltklimakonferenz, die vom 3. bis 14. Dezember in Polen stattfindet. Sie rufen sie dazu auf, sofort zu handeln und Maßnahmen für den Klimaschutz zu ergreifen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Die Bischöfe drängen auf die Beachtung der Generationengerechtigkeit, also die Verantwortung für künftige Generationen, und die Achtung von Menschenwürde und Menschenrechten auch im Kontext des Klimawandels. Das 1,5-Grad-Ziel sei Voraussetzung für das menschliche Überleben, daher bedürfe es tiefgreifender und dauerhafter Veränderungen hin zu einer nachhaltigen Lebensführung. Entscheidend dabei sei, das betonen die Bischöfe mehrfach, die dazu nötigen Maßnahmen schnell umzusetzen. Denn: "Zeit ist ein Luxus, den wir nicht haben."
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