Wer sich nicht kümmert, kann dichtmachen
Gefährdungsbeurteilung, Unterweisung oder betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung - was häufig als lästige Pflichtübung angesehen wird, zeigt Bewerbenden: Dem potenziellen Arbeitgeber sind die Sicherheit und Gesundheit sowie die Zufriedenheit seiner Beschäftigten wichtig.
Ein Beispiel: Der Leiter einer Einrichtung der Jugend- und Erwachsenenhilfe berichtet, dass er in Vorstellungsgesprächen immer häufiger auf das vorbildliche Gewaltpräventionskonzept seiner Einrichtung angesprochen wird. Für viele Fachkräfte ist das ein Grund, sich zu bewerben. Sie suchen gezielt nach Einrichtungen, die sich um ihre Sicherheit und Gesundheit kümmern.
Hier hat sich etwas verändert. Das Ideal der Fachkraft im Gesundheits- und Sozialbereich, die aufopfernd ihre Gesundheit für die Klienten oder Patienten aufs Spiel setzt, greift nicht mehr. Babyboomer mögen sich über den Trend zur Work-Life-Balance bei jüngeren Teammitgliedern wundern, aber das Ziel, bis zur Rente gesund und motiviert zu bleiben, ist vernünftig. Arbeitgebern, die den Trend verpassen und sich beim Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht attraktiv für Fachkräfte aufstellen, drohen Probleme bei der Personalakquise.
Was also macht ein umfassendes Management von Sicherheit und Gesundheit aus und was haben Unternehmen davon?
Von Betrieben ist zunehmend proaktives Handeln im Bereich Sicherheit und Gesundheit gefordert. Einige wollen hier aktiv(er) werden, um Rechtssicherheit zu schaffen, andere eine gesundheitsfördernde Führungskultur etablieren und damit ein attraktiverer Arbeitgeber werden und Mitarbeiter:innen binden - ein Baustein bei der Suche nach Lösungen für den Personal- und Fachkräftemangel. Weitere Herausforderungen sind der demografische Wandel, die Integration von ausländischen Beschäftigten (Interkulturalität), der Wertewandel zwischen den Generationen (Babyboomer versus Gen-Z) sowie die Arbeitswelt 4.0. Das alles unterstreicht, wie wesentlich ein solches Engagement für den Erfolg und die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen ist.1
Wie kann Arbeitsschutz verbessert werden?
Beschäftigte haben Anspruch auf ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld. Und das entsteht nicht zufällig. Unternehmen müssen geeignete Strukturen und Prozesse implementieren: Verantwortlichkeiten festlegen, Sicherheitsbeauftragte benennen und ausbilden sowie Gefährdungsbeurteilungen durchführen. Um alle Anforderungen gut im Blick zu haben, sind Tools wie der BGW-Orga-Check2 eine sinnvolle Unterstützung. Unternehmen erhalten damit einen guten Einblick in den aktuellen Stand des Arbeitsschutzes und Impulse, was sie verbessern können. Das kann ein erster Schritt zum Aufbau eines Managements für Sicherheit und Gesundheit sein und der Grundstein für eine wertschöpfende Präventionskultur.
Die drei Säulen Arbeits- und Gesundheitsschutz, betriebliches Eingliederungsmanagement und betriebliche Gesundheitsförderung bilden ein robustes Fundament für gesunde und sichere Arbeitsbedingungen. Hintergrund ist das sogenannte TOP-Prinzip: technische vor organisatorischen vor personenbezogenen Maßnahmen. Als Erstes müssen die Voraussetzungen am Arbeitsplatz vorhanden sein, um Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu fördern. Zur Prävention von Muskel-Skelett-Belastungen in der Pflege und Betreuung braucht es geeignete Betten und technische Hilfsmittel (zum Beispiel Gleitmatte oder Lifter), sonst wirken personenbezogene Trainings zum rückengerechten Arbeiten nicht. Die Verhaltensprävention, zum Beispiel das Training von Coping-Strategien zur Stressbewältigung, sollte daher nie für sich alleine stehen.
Bei der Implementierung eines Managements für Sicherheit und Gesundheit geben folgende sieben Schritte3 eine gute Orientierung:
1. Strukturen schaffen und Ressourcen bereitstellen;
2. Vision und Ziele entwickeln: gesunder Betrieb;
3. Gesundheitssituation analysieren;
4. Maßnahmen planen;
5. Maßnahmen umsetzen;
6. Wirksamkeit prüfen;
7. Nachhaltigkeit sichern.
Wie systematisches Management von Gesundheit im Betrieb gelingt
Eine gute Präventionskultur braucht die aktive Unterstützung durch das Management sowie personelle und finanzielle Investitionen. Zu den Erfolgsfaktoren gehört ein gemeinsames Verständnis aller betrieblichen Akteure von einer gesunden Organisation, das mehr umfasst, als einzelne Gesundheitsmaßnahmen anzubieten (Stichwort: Gesundheit als Unternehmensziel). Von zentraler Bedeutung ist auch, dass Führungskräfte auf allen Ebenen dieses Ziel ehrlich und engagiert unterstützen (Stichwort: gesundheitsfördernd führen). Ebenfalls wichtig ist, die betriebliche Interessensvertretung einzubinden (Stichwort: Partizipation). Obwohl sie eine andere Rolle als die Unternehmensführung hat, darf das Thema Sicherheit und Gesundheit nicht zum Spielball zwischen den beiden Parteien werden. Auf der strukturellen Ebene sind klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten von Bedeutung, zum Beispiel durch ein Steuerungsgremium und eine Aufgaben- und Stellenbeschreibung für Beauftragte für betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM). Die Unternehmensziele sollten um die Themen Sicherheit und Gesundheit ergänzt und die Kernprozesse (Analyse, Maßnahmenplanung, Evaluation) durchlaufen werden.
Wesentlich sind auch eine gute Kommunikation nach innen (Stichwort: "Tue Gutes und sprich darüber") und ein Angebot der betrieblichen Gesundheitsförderung, das mit der Belegschaft abgestimmt ist und deren verschiedene Interessen einbezieht.
Müssen Unternehmen Leistungen einschränken, weil sie kein qualifiziertes Personal rekrutieren und halten können, gefährdet das den wirtschaftlichen Erfolg. Investieren sie hingegen in den Aufbau einer gesunden Organisation, steigern sie damit erwiesenermaßen die Arbeitszufriedenheit und verbessern die Leistung und Produktivität der Belegschaft. Darüber hinaus fördern sie ein Arbeitsklima, das Wertschätzung und Fürsorge vermittelt und so die Mitarbeiter:innen stärker bindet.4 Gezielte Maßnahmen, die arbeitsbedingte Stressfaktoren reduzieren, haben zudem eine positive Wirkung auf den langfristigen Erhalt der Arbeitskraft und tragen dazu bei, den Krankenstand zu senken.5
Positive Effekte sind spürbar
Unternehmen, die in die Sicherheit und Gesundheit ihrer Beschäftigten investieren, erleben spürbare Erfolge. Ein Beispiel: Im Rahmen eines Beratungsprojekts hat eine Altenpflegeeinrichtung mit 165 Mitarbeitenden eine umfassende Personalbefragung zu Sicherheit und Gesundheit durchgeführt. Die Rücklaufquote blieb mit unter 30 Prozent hinter den Erwartungen zurück. Eine tiefergehende Analyse enthüllte ein grundlegendes Vertrauensdefizit in der Belegschaft. Die Unternehmensleitung hat die Ergebnisse der Befragung ernst genommen. Kritisches Feedback zum Thema Führung nahm sie als klaren Auftrag für Veränderungen: Sie führte Workshops zum gesundheitsfördernden Führen über alle Führungsebenen hinweg durch und ermutigte Führungskräfte, die erworbenen Erkenntnisse anzuwenden. Nach Abschluss des Beratungsprojekts waren positive Effekte klar erkennbar: Die Beschäftigten berichteten von einer gestiegenen Zufriedenheit in der Kommunikation mit Führungskräften. Zudem waren sie eher bereit, Probleme frühzeitig anzusprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Dies stärkte nicht nur die Mitarbeiterbindung, sondern verbesserte auch das Betriebsklima. Unterstützt wurde dieser Prozess durch angepasste organisatorische Rahmenbedingungen, die gesundheitsförderndes Führen begünstigen, wie klar definierte Führungsleitsätze, Rollenklarheit, Zeit für Führungsaufgaben und Coachingangebote.
Prävention lohnt sich, doch Arbeitsschutz nachhaltiger und systematischer anzugehen erfordert Kompetenzen und Ressourcen.
1. Walle, O.; Staut, S.: Bedarfsbestimmung als Grundlage einer strategischen Planung eines BGM. In: Lange, M.; Matusiewicz, D.; Walle, O.: Praxishandbuch Betriebliches Gesundheitsmanagement. München: Haufe, 2022, S. 125-139.
2. www.bgw-online.de/orga-check
3. Gesundheit fördern - Strukturen entwickeln. In sieben Schritten zum betrieblichen Gesundheitsmanagement: www.bgw-online.de/bgm
4. Gallup Engagement Index Deutschland 2022.
5. DAK Gesundheit: Gesundheitsreport 2023 : Analyse der Arbeitsunfähigkeiten. Gesundheitsrisiko Personalmangel: Arbeitswelt unter Druck. Hamburg,
2023.