Mitarbeitende in Aufsichtsgremien: im weltlichen Bereich klar geregelt
In weltlichen Unternehmen ist Mitbestimmung auf Unternehmensebene ab einer Größe von 500 Arbeitnehmer:innen obligatorisch, das heißt zwingend vorgeschrieben. Dies ermöglicht es den Beschäftigten, an den Entscheidungsprozessen auf Unternehmensebene mitzuwirken. Konkret geht es um die Beteiligung von Arbeitnehmervertreter:innen im Kontrollorgan eines Unternehmens, was in der Regel der Aufsichtsrat ist. Von diesen Regelungen sind konfessionelle und karitative Unternehmen grundsätzlich gesetzlich ausgeschlossen.
Da die 13. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland auf ihrer vierten Tagung im Dezember 2023 eine Regelung zur Unternehmensmitbestimmung in diakonischen Einrichtungen beschlossen hat, stellt sich die Frage, wie sich gegebenenfalls Unternehmensmitbestimmung in konfessionellen und karitativen Unternehmen umsetzen lässt. Dazu ist es essenziell, das System der Unternehmensmitbestimmung in weltlichen Organisationen zu kennen. Grundlagen will dieser Beitrag vermitteln.
Unternehmensmitbestimmung bezeichnet das Mitspracherecht der Arbeitnehmer:innen auf Unternehmensebene. Diese Mitbestimmung erfolgt durch Vertretung von Arbeitnehmer:innen im Kontrollorgan, was in der Regel der Aufsichtsrat oder gegebenenfalls der Beirat ist. Diese Mitbestimmung ist von der Mitbestimmung auf betrieblicher Ebene zu unterscheiden.
Bei der betrieblichen Mitbestimmung im weltlichen Bereich geht es um die Rechte des Betriebsrats innerhalb eines Unternehmens. Der Betriebsrat hat abgestufte Rechte gegenüber dem Arbeitgeber. Dazu zählen Informations-, Unterrichtungs- und Beratungsrechte (zum Beispiel in wirtschaftlichen Angelegenheiten), Zustimmungs- und Anhörungsrecht (zum Beispiel bei Einstellungen oder Entlassungen) sowie Mitbestimmungs- und Initiativrechte bei Themen wie Arbeitszeit und Lohngestaltung (§ 87 BetrVG) und bei Interessenausgleich und Sozialplänen (§ 111 BetrVG).
Bei kirchlichen Arbeitgebern obliegt die betriebliche Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung, die in den jeweiligen Kirchengesetzen verankert und garantiert ist. Sie gleicht der betrieblichen Mitbestimmung in weltlichen Unternehmen.
Aufsichtsrat: Funktion und Zusammensetzung
Für die Unternehmensmitbestimmung ist das zentrale Gremium der Aufsichtsrat als das Kontroll- und Beratungsgremium eines Unternehmens. In Aktiengesellschaften (AGs) und GmbHs, die der Mitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) oder dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) unterliegen, ist ein Aufsichtsrat zwingend vorgeschrieben. Seine Aufgaben umfassen insbesondere die Überwachung und Beratung des Vorstands, die Prüfung und Genehmigung des Jahresabschlusses sowie die Überwachung interner Kontrollsysteme (etwa Revision). Der Aufsichtsrat bestellt und entlässt die Mitglieder des Vorstandes beziehungsweise der Geschäftsführung und hat bei bestimmten geschäftlichen Maßnahmen ein Zustimmungsrecht.
Ein Aufsichtsrat besteht aus mindestens drei und maximal 21 Mitgliedern, wobei die genaue Anzahl gesetzlich oder durch Satzung festgelegt ist und grundsätzlich durch drei teilbar sein muss.
Gesetzliche Grundlagen
Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Unternehmensmitbestimmung legen folgende Gesetze fest:
1. Mitbestimmungsgesetz (MitbestG)
Das MitbestG gilt für Unternehmen mit mehr als 2000 Arbeitnehmer:innen und sieht eine paritätische Besetzung des Aufsichtsrats vor; das heißt, der Aufsichtsrat ist mit einer gleichen Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner:innen und der Arbeitnehmer:innen besetzt.
Der Aufsichtsrat besteht je nach Anzahl der Beschäftigten im Unternehmen aus zwölf, 16 oder 20 Aufsichtsratsmitgliedern. Die im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften haben in Unternehmen mit bis zu 20.000 Arbeitnehmer:innen zwei und in größeren Unternehmen drei Sitze im Aufsichtsrat. Seit dem 2. Januar 2016 gilt in börsennotierten Unternehmen ein mindestens 30-prozentiger Männer- und Frauenanteil.
Im Falle paritätischer Mitbestimmung kann es zu Stimmengleichheit und damit zu einer Pattsituation bei Aufsichtsratsbeschlüssen kommen. In diesen Fällen hat der:die Aufsichtsratsvorsitzende bei erneuter Abstimmung ein doppeltes Stimmrecht.
Insgesamt gibt es circa 3,5 Millionen Unternehmen in Deutschland. Davon sind circa 660 Unternehmen paritätisch mitbestimmt. Mit anderen Worten: Paritätische Mitbestimmung findet nur in einigen wenigen deutschen Unternehmen statt, dafür sind es aber auch viele der großen, bekannten deutschen Unternehmen.
2. Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG)
Das DrittelbG findet auf Unternehmen mit 500 bis 2000 Arbeitnehmer:innen Anwendung. Der Aufsichtsrat besteht dann zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertreter:innen, wobei unter ihnen das Verhältnis von Männern und Frauen ihrem zahlenmäßigen Verhältnis im Unternehmen entsprechen soll (§ 4 Abs. 4 DrittelbG).
Es gibt derzeit keine verlässliche aktuelle Erhebung der Anzahl von Aufsichtsräten nach dem DrittelbG. Eine Erhebung aus dem Jahr 2009 nannte knapp 1500 drittelbeteiligte Unternehmen in Deutschland.1
3. Montanmitbestimmungsgesetz (MontanMitbestG)
Das MontanMitbestG findet speziell auf Unternehmen im Bergbau und in der Eisen- und Stahlindustrie Anwendung, die mehr als 1000 Arbeitnehmer:innen beschäftigen. Auch hier ist der Aufsichtsrat paritätisch besetzt; er besteht jeweils aus vier Vertreter:innen der Anteilseigner und vier Arbeitnehmervertreter:innen sowie je einem weiteren Mitglied. Die Parität wird hier dadurch gelöst, dass es ein weiteres neutrales Aufsichtsratsmitglied gibt, dessen Stimme jeweils den Ausschlag in dem elfköpfigen Aufsichtsratsgremium hat.
4. Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft
Das Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SEBG) regelt die Mitbestimmung in sogenannten Europäischen Gesellschaften (SE; von lat.: societas europaea) und bietet flexiblere Vereinbarungsmöglichkeiten über die Beteiligung von Arbeitnehmer:innen durch ein besonderes Verhandlungsgremium und entsprechendes Verhandlungsverfahren (§ 21 SEBG). Allerdings sieht es einen Bestandsschutz der Unternehmensmitbestimmung bei formwechselnder Umwandlung vor (§ 35 SEBG).
Wahl der Arbeitnehmervertreter
Die Wahl der Arbeitnehmervertreter:innen im Aufsichtsrat folgt speziellen gesetzlichen Vorgaben, die je nach Unternehmensgröße und Rechtsform variieren. Grundsätzlich werden die Vertreter:innen direkt von den Arbeitnehmer:innen gewählt oder durch Delegierte bestimmt. Gewerkschaftsvertreter:innen im Aufsichtsrat werden von den Gewerkschaften vorgeschlagen und von den Beschäftigten gewählt. Bei mehr als 8000 Arbeitnehmer:innen findet in der Regel eine mittelbare Wahl durch Delegierte statt.
Herausforderungen und Umgehung der Mitbestimmung
Unternehmensmitbestimmung ist im internationalen Wettbewerb kein einfaches Thema. Viele Unternehmen fürchten die Mitbestimmung im Aufsichtsrat und richten schlicht keinen mitbestimmten Aufsichtsrat ein, obwohl sie eigentlich dazu verpflichtet sind. Manche verlagern ihre Unternehmenszentralen ins Ausland. Auch über die Wahl einer ausländischen Rechtsform wie der Europäischen Aktiengesellschaft SE kann Mitbestimmung in vielen Fällen umgangen werden. So gibt es in Deutschland 107 SEs, die mehr als 2000 Arbeitnehmer:innen beschäftigen, aber nur 21 dieser SEs verfügen über einen paritätischen Aufsichtsrat.2
Gewerkschaften und ihre Rolle
Gewerkschaften spielen eine zentrale Rolle in der Unternehmensmitbestimmung. Sie sind oft an der Nominierung von Arbeitnehmervertreter:innen im Aufsichtsrat beteiligt und vertreten die Interessen der Beschäftigten. Ihre Mitwirkung sichert eine ausgewogene Repräsentation und fördert den Dialog zwischen Unternehmensführung und Belegschaft. Gewerkschaften bringen zudem Fachwissen und Verhandlungserfahrung ein, was zur effektiven Vertretung der Arbeitnehmerinteressen beiträgt.
Internationale Perspektiven
Die Unternehmensmitbestimmung ist nicht nur in Deutschland ein Thema. In vielen europäischen Ländern gibt es ähnliche Regelungen, wobei die Ausgestaltung stark variiert. Im internationalen Kontext stellt sich die deutsche Mitbestimmung als vergleichsweise besonders weitreichende und formal geregelte Art der Arbeitnehmerbeteiligung dar. Anders und weitaus weniger formell ist die Mitbestimmung in Ländern wie den USA gestaltet, weshalb die deutsche Ausprägung auch häufig als Hindernis angesehen wird.
Fazit: Beitrag zur sozialen Stabilität
Unternehmensmitbestimmung ist ein wesentliches Element der deutschen Unternehmensführung, das den Einfluss der Arbeitnehmer:innen auf wichtige unternehmerische Entscheidungen stärkt. Sie trägt zur sozialen Stabilität und zur Förderung eines kooperativen Arbeitsumfelds bei. Unternehmen können nicht nur gesetzliche Vorgaben erfüllen, sondern auch von den Erfahrungen und Perspektiven ihrer Arbeitnehmer:innen profitieren, was zu einer nachhaltigeren und erfolgreicheren Unternehmensstrategie beitragen kann. Unternehmensmitbestimmung ist also mehr als nur eine gesetzliche Pflicht - sie ist eine Chance zur Gestaltung eines fairen und produktiven Arbeitsumfelds, das sowohl den Arbeitnehmer:innen als auch dem Unternehmen selbst zugutekommt.
1. Hans-Böckler-Stiftung: I.M.U. Report 81/Juni 2024, Kurzlink: https://tinyurl.com/nc24-drittelbeteiligt
2. Ebd.