Balkonsolaranlagen: nachhaltiger Strom auf kürzestem Weg
Auf Balkon, Terrasse oder Vordach, im Garten oder an der Fassade ihres Wohnhauses können Bürger:innen selbst erneuerbare Elektroenergie bereitstellen und im eigenen Haushalt nutzen. Die sogenannten Steckersolargeräte ermöglichen das auf einfache Weise. Die Steckersolargeräte (auch Balkon- oder Plug & Play-Anlagen genannt) sind "elektrische Haushaltsgeräte". Statt allerdings Strom zu verbrauchen, erzeugen sie ihn. Steckersolargeräte sind so konstruiert, dass in der Regel kein:e Elektriker:in für ihre Inbetriebnahme gebraucht wird. Über eine Steckvorrichtung, zum Beispiel eine einfache Haushalts- ("Schuko"-)Steckdose im Bereich des Balkons, speisen sie die selbst gewonnene Solarenergie in den Stromkreis der eigenen Wohnung ein.
Wird zur selben Zeit in der Wohnung Strom verbraucht, nutzen die entsprechenden Geräte wie Kühlschrank oder Computer direkt den Strom der kleinen Solaranlage. Damit beziehen die Nutzer:innen deutlich weniger Strom aus dem öffentlichen Netz und mindern so ihre Energiekosten. Moderne Steckersolargeräte sind sicher, helfen Klimaziele umzusetzen und lohnen sich mittelfristig auch finanziell.
Beworben werden Steckersolargeräte unter anderem mit dem Argument, dass sich mit ihnen auch Mieter:innen oder einkommensschwache Haushalte an der Energiewende beteiligen könnten. Doch Förderprogramme für Steckersolargeräte, wie zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern2, werden trotz ihrer Ausgestaltung nach sozialen Kriterien erst von relativ wenigen Mieter:innen in Anspruch genommen. Das ebenfalls in Mecklenburg-Vorpommern bereitgestellte und in der Höhe vergleichbare Kontingent für Eigentümer:innen (fünf Millionen Euro für 10.000 Anlagen) war hingegen bereits nach kurzer Zeit ausgeschöpft. Im Bundesland Berlin, wo die Förderung für Steckersolargeräte zunächst auf Mieter:innen beschränkt war, wurden Fördergelder in Millionenhöhe bis zum ursprünglich vorgesehenen Ende des Förderzeitraums ebenfalls nicht abgerufen. Selbst bei einem der wenigen in dieser Hinsicht positiveren Beispiele, der Stadt Darmstadt, ist von den 1367 geförderten Anlagen lediglich jede fünfte (264) bei Mieter:innen installiert worden.3
Gesetzgeber erleichtert die Umsetzung
Im April 2023 unterzeichneten über 100.000 Bürger:innen die Bundestagspetition Nr. 146.290, die Erleichterungen beim Nutzen von Steckersolargeräten zum Ziel hatte.⁴ Eine ganze Reihe der Forderungen wurden durch das Solarpaket I5 im Frühjahr 2024 umgesetzt, darunter:
◆ Anhebung der Leistungsgrenze von 600 auf 800 Watt,
◆ die Ausnahme, als Übergangslösung auch "rückwärts drehende Zähler" zu erlauben, um die Messproblematik als Grund für die Ablehnung der Geräte zu vermeiden, und
◆ die Einführung einer vereinfachten Anmeldung beim Marktstammdatenregister.
Bereits seit dem 27. Oktober 2023 gilt zudem, dass eine Balkonsolaranlage kein Bauprodukt6 mehr ist. Damit verstößt niemand mehr gegen Baurecht, der:die herkömmliche Solarmodule in einer Höhe von mehr als vier Metern ohne eine spezielle "Bauzulassung" anbringt. Das ändert natürlich nichts daran, dass die Solarmodule dauerhaft sicher am Balkongeländer oder an der Fassade angebracht sein müssen (Verkehrssicherungspflicht). Ebenso dürfen die Zugangsmöglichkeiten von Rettungskräften zum Beispiel über einen Balkon nicht beeinträchtigt werden.
Die hinter der genannten Bundestagspetition stehenden Akteur:innen haben sich inzwischen zu einer Arbeitsgemeinschaft Balkonkraftwerke (AG BKK)7 zusammengeschlossen, mit der Zielsetzung, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen so verändert werden, dass Steckersolargeräte künftig auch für Mieter:innen zur üblichen Nutzung ihrer Wohnung gehören.
Auch hier zeichnet sich ein Erfolg ab: Steckersolargeräte sollen voraussichtlich noch im Juli 2024 rechtlich so eingestuft werden wie zum Beispiel die Wallboxen, die häuslichen Aufladestationen für Elektroautos. Mit der rechtlichen Privilegierung⁸ besteht ein Anspruch auf das Gestatten einer Balkonsolaranlage (das "Ob"). Zum ursprünglichen Gesetzentwurf hat das Bundesjustizministerium ein Begleitdokument zu häufigen Fragen veröffentlicht.9 Aus optischen Gründen kann damit zum Beispiel das Anbringen eines Steckersolargeräts am Balkongeländer nicht mehr durch Vermieter:in oder Wohnungseigentümer:innengemeinschaft (WEG) verhindert werden. Lediglich zum "Wie", den Details der Installation, können Vermietende beziehungsweise die WEG Vorgaben machen.
Trotz der zu erwartenden Erleichterungen zeichnet sich ab, dass Steckersolargeräte bei vielen Wohnungsunternehmen noch immer auf große Vorbehalte und Unsicherheit stoßen. Dies führt in vielen Fällen zu unverhältnismäßigen Anforderungen an ihre Nutzung. Um dies zu vermeiden, hat die AG BKW Vorschläge formuliert10 und deren Aufnahme in das Begleitdokument zum Gesetzentwurf gefordert. Einerseits können diese Erläuterungen den Mieter:innen und Wohnungseigentümer:innen die Ängste vor einer Auseinandersetzung mit Vermieter:innen und WEGs nehmen. Andererseits geben sie Vermieter:innen und Eigentümer:innengemeinschaften die Sicherheit, mit Haftungsfragen richtig umzugehen.
Die Praxis wird zeigen, ob Vermietende, Wohnungsunternehmen und WEGs zukünftig bereit sind, entsprechende Bedingungen konstruktiv zu formulieren, damit die Anlagen auch wirtschaftlich betrieben werden können, oder ob rechtlich nachgebessert werden muss.
Darüber hinaus fordert die AG BKK auch weiterhin ein proaktiveres Handeln von Politik und Wohnungsunternehmen, indem sie zum Beispiel
◆ die Privilegierung aller Einrichtungen zum Erzeugen, Speichern und Weiterleiten von Solarenergie anregen,
◆ Vereinfachungen bei der Vergütung von eingespeisten Überschüssen aus dem Steckersolargerät einführen,
◆ rechtliche Rahmenbedingungen für den Neubau und bei Sanierung von Balkongeländern so regeln, dass sie den statischen und dynamischen Lasten von Steckersolargeräten standhalten,
◆ statische Nachweise zum Beispiel für unterschiedliche Montagekonstruktionen fördern und veröffentlichen,
◆ E-Checks in Wohnungen auf Steckersolaranlagen erweitern,
◆ Außensteckdosen gegebenenfalls fördern, nachrüsten und bei Sanierung und Neubauten gesetzlich verpflichtend machen,
◆ die Überwachung des Marktes durch die Behörden intensivieren und
◆ in Förderprogrammen soziale Kriterien berücksichtigen.
Ein gutes Beispiel wurde vom Caritasverband Düsseldorf initiiert.11 Für Inhaber:innen des Düsselpasses12, den Geringverdienende bekommen, gibt es eine Sonderförderung.
Viele weitere Informationen bietet der Steckersolar- Leitfaden.13
1. Der Autor gehört dem Verein Klimaschutz im Bundestag e. V. an, der sich für eine ambitionierte und dabei realistische Klimapolitik einsetzt, https://klimaschutz-im-bundestag.de
2. www.lfi-mv.de/foerderfinder/mini-solaranlagen
3. https://t1p.de/nc13_24solar6
4. https://t1p.de/nc13_24solar7
5. https://t1p.de/nc13_24solar8
6. https://t1p.de/nc13_24solar9
7. https://ag-balkonkraftwerk.de
8. https://t1p.de/nc13_24solar10
9. https://t1p.de/nc13_24solar3
10. https://t1p.de/nc13_24solar11
11. https://t1p.de/nc13_24solar4
12. www.duesseldorf.de/duesselpass
13. https://t1p.de/nc13_24solar5