Doppelt spitze
Lag die Verbandsführung früher fast ausnahmslos bei einer Person, so ist seit einiger Zeit bei der Caritas ein Trend zur Doppelspitze zu beobachten. Das neue Erfolgsmodell? Eine einfache Antwort gibt es nicht. Es gilt, die Vor- und Nachteile für die eigene Organisation abzuwägen.
Das stärkste Pro-Argument ist sicher die geteilte Verantwortung - vier Augen sehen mehr als zwei, man entscheidet und gestaltet gemeinsam. Das gibt Sicherheit. Wenn die Komplexität von Vorstandsaufgaben immer weiter zunimmt und Caritasverbände nicht selten die Dimension mittelständischer oder großer Unternehmen haben, ist es entlastend, als Kollegialorgan Aufgaben auf vier Schultern zu verteilen. Das reduziert Stress und ermöglicht eine bessere Work-Life-Balance.
Vielleicht wird es in Zukunft üblich, die Führungsrolle auch in Teilzeit auszuüben oder "Topsharing" zu nutzen, das Jobsharing zweier Führungskräfte. Damit würde das Vorstandsamt für Bewerber:innen attraktiv, die sich eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie wünschen.
Synergieeffekte und Unsicherheiten
Ein weiterer Vorteil von Führungsduos sind Synergieeffekte: Unterschiedliche Persönlichkeiten mit jeweils eigenen Kompetenzen, die einander ergänzen und gemeinsam die Verbandsarbeit verantworten, bergen in ihrem Zusammenwirken neue Potenziale. Wissen, Stabilität und Kreativität wachsen. Tandems sind zudem agiler und können sich besser an Veränderungen anpassen - ein wichtiger Faktor in einer schnelllebigen Welt voller unvorhersehbarer Entwicklungen.
Für manche Mitglieder des Caritasrats (CR) birgt das alternative Modell einer Doppelspitze Unsicherheiten: Wen spreche ich an? Was ist, wenn sich die beiden nicht verstehen? Wer kann vorhersagen, ob sie sich nicht gegenseitig blockieren? Droht Führungslosigkeit? Eine solitäre Führungsperson an der Spitze bietet dagegen vermeintlich mehr Stabilität - dieses Modell hat sich schließlich über Jahrzehnte bewährt. Ein:e Einzelne:r kann schneller Entscheidungen treffen, ohne sich abzustimmen. Nicht jede:r ist für ein Führungsduo gemacht − wenn es um "Macht" geht, kann es schnell kriseln. In Wirtschaft und Politik, aber auch bei der Caritas gibt es dafür Beispiele.
So gelingt die Doppelspitze
Die Erfahrung zeigt, dass es vor allem auf die persönliche Passung ankommt: Zwei Menschen müssen sich verstehen, um vertrauensvoll und gleichberechtigt zusammenzuarbeiten. Fachlichkeit kann man lernen, aber wenn die Chemie nicht stimmt, ist der Misserfolg vorprogrammiert. Deshalb sollte es ein klares, zukunftsweisendes Stellenprofil geben, das nicht nur die bisherigen Anforderungen berücksichtigt, sondern ebenso die Notwendigkeiten der Zukunft. Ferner ist es sinnvoll, dass der CR den amtierenden Vorstand in die Bewerberauswahl einbezieht und ein Kennenlernen - auch "außerhalb des Protokolls" - ermöglicht. Die Mitarbeitenden rechtzeitig vorzubereiten ist ein weiterer wichtiger Gelingensfaktor. Sie müssen verstehen, warum eine Doppelspitze installiert wird und was sich dadurch ändert.
Im Vorstandsalltag als Kollegialorgan mit gemeinsamer Verantwortung haben sich sowohl klare Regeln als auch Abgrenzung und eine kooperierende Aufgabenteilung bewährt: Wer ist für welchen Bereich zuständig? Wie werden die Schnittstellen, zum Beispiel im Umgang mit der zentralen Verwaltung, organisiert? Wie lässt sich regelmäßiger Austausch zwischen den beiden Vorständen sicherstellen? Was gilt bei Konflikten? Kommunikation auf Augenhöhe ist der Schlüssel: Sind beide für einen persönlichen Entwicklungsschritt und zur Vertrauensarbeit bereit? Regelmäßige Abstimmungen, klare Kommunikationswege und eine gemeinsame Führungshaltung sind elementar, um das volle Potenzial einer Doppelspitze zu entfalten.