Wenn Gutgläubigkeit ausgenutzt wird
Eine 21-Jährige braucht Unterstützung bei ihrer Bewerbung, Coach Anna Korber hilft gern. Dabei stellt sich heraus, dass die Mutter frisch getrennt ist, keinen Unterhalt bekommt, ihren Job gekündigt hat, weil sie gemobbt wurde und gesundheitlich stark darunter leidet. Doch nach mehreren Beratungen haben die Beiden inzwischen wieder "Boden unter den Füßen", berichtet Korber.
Familien in schwierigen Lebenslagen unterstützen - das ist das Ziel des neuen "Paderborner Hauses der Familie". Dazu haben sich vier Träger sozialer Hilfe zusammengetan und bieten Familien im Kreis Paderborn, die staatliche Hilfen beziehen, Unterstützung und Beratung an. "Wir möchten die Situation von Familien verbessern, die von Armut und Ausgrenzung betroffen sind", erklärt Margret Schwede, Vorständin des federführenden Verbands IN VIA Paderborn. Für die Beratung stehen zwölf erfahrene Coaches der beteiligten Träger IN VIA, Caritasverband Paderborn, "GPDM - Die Bildungsarchitekten" sowie von IN VIA St. Lioba zur Verfügung. Gefördert wird das Projekt mit Mitteln des Bundes und der EU
Hilfe dringend nötig
Hilfe sei teilweise dringend nötig, berichtet Jochen Schröder (IN VIA) von einer fünfköpfigen Familie. Ging es zunächst nur um Nachhilfe, stellten sich nach und nach weitere Probleme heraus: Überteuerte Versicherungen belasteten die Familie, darunter eine Fahrradversicherung, obwohl die Familie gar keine Fahrräder besitzt. Ein Versicherungsberater hatte die schlechten Sprachkenntnisse und die Gutgläubigkeit der Familie schamlos ausgenutzt. "Alles Überflüssige haben wir jetzt gekündigt", erzählt Jochen Schröder. Nächstes Problem: Gas- und Stromversorger verlangten unglaubliche Nachzahlungen: 6000 Euro für Gas, 2200 Euro für Strom. "Und das für eine 80-Quadratmeter-Wohnung, das kann gar nicht sein", stellte Jochen Schröder bei einem kurzen Blick auf die Abrechnung fest. Er fand heraus, dass die Familie auf Veranlassung des Vermieters offenbar die Zähler für ein ganzes Haus mit sieben Wohnungen angemeldet hatte. Die Familie blieb dann auf den Kosten sitzen, während der Vermieter die Nebenkosten der anderen Wohnungen für sich einstrich. "Der Vermieter hat die Familie ganz klar ausgenutzt", sagt Schröder. Inzwischen ist die Familie umgezogen und ein Anwalt wurde eingeschaltet. "Die Frau und ihre Familie haben sich unglaublich gefreut, dass ihnen endlich jemand geglaubt hat", berichtet Jenniffer Hewisch, die das Paderborner Haus der Familie gemeinsam mit Johanna Naumann leitet.
"Familien stehen manchmal vor herausfordernden Angeboten. Dann ist es gut, wenn sie Hilfe bekommen, die alle Familienmitglieder einschließt", erklärt Johanna Naumann. Beraten und geholfen wird deshalb in einem breiten Themenfeld. Beratungsangebote gibt es im Paderborner "Gasthaus" (Heiersstraße 18), sind aber auch in den ländlichen Kommunen des Kreises geplant. Gefördert wird das auf vier Jahre angelegte Angebot im Rahmen des Programms Akti(F) Plus durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Europäische Union über den Europäischen Sozialfonds (ESF Plus). Alle vier Träger beteiligen sich an der Gesamtfinanzierung.