Was Frieden für mich bedeutet
Am liebsten würde ich aufhören, Nachrichten zu schauen. Jeden Tag schüttet die Tagesschau einen Sack grausiger Ereignisse über uns aus. In der Ukraine sterben jeden Tag Soldaten und Zivilisten. Der Terrorüberfall der Hamas hat weit über 1200 Israelis das Leben gekostet, die Reaktion Israels möglicherweise über 30.000 Palästinenser:innen.
Für die Lösung scheinen die Menschen jedoch nicht bereit zu sein. Der "vergessene" Bürgerkrieg in Äthiopien hat rund 600.000 Menschenleben gekostet. Deren Überlebende sind traumatisiert. Und die Jahrhundertdürre im Amazonasgebiet schafft es schon gar nicht mehr in die Nachrichten. Wo bleibt das Positive?
Ich bin schockiert von der Unmenschlichkeit überall in der Welt. Und es macht mir Angst, dass Populisten mit ihren "Wahrheiten" auch in Deutschland immer mehr Zustimmung finden. Ich verstehe ja, dass all die Herausforderungen - Klimawandel, Inflation, Covid-19, Zuwanderung - den Menschen Angst machen und Wut auslösen. Aber ich kann es nicht verstehen, dass Menschen anderen mit so viel Hass begegnen. Genauso wenig, dass sie sich ihrem Hass ergeben, anstatt ihn zu hinterfragen. Denn Vorurteile haben wir alle.
Da kommt die Caritas-Kampagne "Frieden beginnt bei mir" vielleicht genau zur richtigen Zeit. Weil in diesem Titel Hoffnung und Zuversicht steckt - und mir persönlich die Möglichkeit gibt, zu handeln. Der Frieden kann bei mir beginnen - im Kleinen.
Er kann damit beginnen, dass ich der Kassiererin im Supermarkt ein Lächeln schenke, beim gegenseitigen Anfeuern in der Turnhalle, beim Miteinander-Lachen in der Mittagspause mit meinen youngcaritas-Kolleg:innen, beim andächtigen Schweigen mit dem besten Freund. Das alles kann Frieden sein.
Frieden ist vielfältig und er ist in uns allen
In diesem Sinne gibt es viele Frie-densstifter:innen in Deutschland, zum Beispiel in der Pflege, im Krankenhaus und in Schulen. Oder in Kindertagesstätten, wo Menschen zwischen all dem eigenen Stress Kinder auffangen, bestärken und unterstützen. Ihnen zeigen, was es heißt, friedlich miteinander umzugehen, Konflikte ohne Gewalt zu lösen und aufeinander achtzugeben. Das macht Mut.
Frieden braucht aber auch unser gemeinsames Einstehen für eine vielfältige und sozial gerechte Welt. Der Stadtteil Steele in Essen ist dafür ein gutes Beispiel. Hier wohnt die Welt. Hier haben sich die "Steeler Jungs" organisiert, eine Gruppierung von Rechtsextremisten, Wutbürgern und Angehörigen der Hooligan- und Rockerszene. Sie sind gegen Ausländer oder wen sie dafür halten. Dagegen hat sich das Bündnis "Steele bleibt bunt" gebildet. Genauso wie ein runder Tisch, der Probleme im Stadtteil angeht. Über das gemeinsame Einstehen sind wir im Viertel zusammengerückt. Wir können also unser Zusammenleben gemeinsam organisieren. Wir können etwas tun. Diese Erkenntnis macht mich glücklich.
Deshalb freue ich mich auch über die vielen Millionen Menschen, die in den vergangenen Monaten gegen rechten Hass auf die Straße gegangen sind. Das Gefühl, mit meinen Wünschen und Sorgen nicht allein zu sein, tut gut.
Gleichzeitig reichen die Aktionen für Vielfalt nicht aus, die Zerrissenheit in der Gesellschaft zu beseitigen. Damit Menschen in Frieden leben können, brauchen sie soziale und finanzielle Sicherheit und das Gefühl, gesehen und gehört zu werden. Hierfür spielen auch ehrenamtlich Engagierte eine wichtige Rolle. Kriege, Klimawandel und Zuwanderung können verunsichern. Die Konsequenzen daraus treffen am meisten diejenigen, die am wenigsten zu den Herausforderungen beitragen, zum Beispiel zum CO₂-Ausstoß. Das kritisieren die Caritas und andere Sozialverbände völlig zu Recht.
Soziale Gerechtigkeit ist ein Schlüssel für Frieden. Auch dafür können wir, kann jede und jeder Einzelne etwas tun. Dieser Glaube gibt mir Hoffnung. Und Zuversicht auf eine bunte und lebenswerte Zukunft. In der wir Herausforderungen gemeinsam trotzen, einander zuhören - und einander sehen. Und ja, manchmal fällt es unglaublich schwer, an Frieden zu glauben. Manchmal ist er kaum zu spüren, dann wieder fühle ich diesen Frieden wachsen. Ich kann dafür etwas tun - bei mir selbst und mit anderen zusammen.