Erste interreligiöse Kita
Seit einem Jahr ist die bundesweit erste interreligiöse Kindertagesstätte Irenicus in Pforzheim geöffnet. 50 Kinder von null bis sechs Jahren besuchen die Einrichtung - muslimische, jüdische, jesidische, katholische, evangelische und konfessionslose. "Wir haben Platz für Kinder jeder Religion", erklärt Clarissa Lethaus.
Auf drei Etagen sind die Gruppenräume verteilt. Helles Holz, Spielzeug, Stifte, Wandbilder: Nichts unterscheidet die Räume von gewöhnlichen Kitas. Einzigartig allerdings sind der "Marktplatz der Religionen", der für kleinere Veranstaltungen genutzt wird, und der Eingangsbereich mit verschiedenen religiösen Symbolen. Sie verweisen darauf, dass jedes Kind seine eigene Religion im Haus leben kann und die Religionen gleichrangig nebeneinanderstehen. "In der Kita Irenicus werden die Kinder und deren Eltern in ihrer Religion ernst- und wahrgenommen", erläutert die Leiterin das Konzept.
Platz gibt es im Neubau mit rund 1000 Quadratmetern Fläche für 100 Mädchen und Jungen. 25 pädagogische Mitarbeitende sollen es werden, 15 arbeiten jetzt schon. Auch sie kommen aus verschiedenen Glaubensrichtungen. Getragen wird die Einrichtung von christlichen Kirchen, jüdischen Gemeinden, Muslimen und Jesiden. Drei Jahre wird die Arbeit der Kita wissenschaftlich von Friedrich Schweitzer, Professor an der Uni Tübingen, begleitet.
Alle feiern alles
Vor dem Mittagessen beten die Kinder gemeinsam. Dabei falten sie ihre Hände, wie sie wollen, unabhängig von ihrem Glauben. "Wir lassen den Kindern die Freiheit, ihre religiösen Traditionen zu leben, wie sie es von zu Hause kennen, auch beim Beten vor dem Essen." Das alltägliche Miteinander ist für die Kleinen bereits Normalität - sowieso ist ihnen der Unterschied gar nicht so wichtig, sagt die Leiterin. Damit alle mitessen können, ist das Essen vegetarisch.
In der Kita lernen die Kinder über das Jahr verteilt die vier wichtigsten Feste der einzelnen Religionen kennen. Im gruppenübergreifenden Morgenkreis gibt es für die Kinder religiöse Impulse. "Dabei lernen die Mädchen und Jungen spielerisch, wie eine Religion riecht, zum Beispiel anhand von Weihrauch, oder welche Lebensmittel für muslimische oder jüdische Kinder eine Bedeutung haben."
Ob Jom Kippur, Sankt Martin oder Opferfest: Im Kita-Alltag vertiefen sich die Kinder in die Bedeutung der verschiedenen Feste. "In jedem Kindergartenjahr steht eine Religion besonders im Vordergrund, bei der sich die Kinder ein Fest in einem mehrwöchigen Projekt erarbeiten und groß feiern. In diesem Frühjahr war der Islam mit dem Ramadan an der Reihe", erzählt Lethaus: "Bei uns begreifen die Mädchen und Jungen sehr schnell, dass in verschiedenen Sprachen und Traditionen zu Gott gesprochen wird, dass jede Religion ihre Werte hat und dass es viele Gemeinsamkeiten zu entdecken gibt. Das können die Kinder gar nicht früh genug lernen."
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