Zu Besuch in einem Integrationskurs
Es ist ein Donnerstagvormittag. Im Unterrichtsraum des Hamburger Caritasverbandes im Stadtteil St. Georg herrscht eine entspannte Atmosphäre, leichtes Stimmengemurmel ist zu hören. Drei Mal pro Woche lernen hier Zugewanderte aus unterschiedlichen Ländern mit- und voneinander. Sie sitzen konzentriert über ihren Arbeitsmaterialien und unterstützen sich gegenseitig; die Lehrerin geht herum und hilft, wo es nötig ist. Wir befinden uns im Deutschkurs eines sogenannten Integrationskurses.
22 Integrationskurse im Jahr 2013
Integrationskurse bestehen aus zwei Phasen: Zunächst findet der eigentliche Deutschkurs statt. Nach insgesamt 600 Unterrichtsstunden legen die Lernenden eine offizielle Sprachprüfung ab. Anschließend folgt in der zweiten Phase der sogenannte Orientierungskurs. Hier werden in 60 Unterrichtsstunden unterschiedliche Themen der deutschen Gesellschaft, Geschichte und Politik behandelt. Auch am Ende dieses Kurses steht eine Prüfung. Wenn die Lernenden beide Prüfungen mit guten Ergebnissen ablegen, erhalten sie ein Zertifikat, das sie für einen späteren Antrag auf Einbürgerung verwenden können.
Finanziert werden Integrationskurse vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, wobei sich die Teilnehmenden je nach finanzieller Situation an den Kosten beteiligen müssen. Einige der Lernenden werden vom Arbeitsamt oder der Ausländerbehörde zur Teilnahme verpflichtet, andere nehmen von sich aus an den Kursen teil. Durchgeführt werden die Kurse beispielsweise von Volkshochschulen oder Wohlfahrtsverbänden wie der Caritas. Insgesamt 22 solcher Integrationskurse hat der Hamburger Caritasverband im vergangenen Jahr an unterschiedlichen Hamburger Standorten angeboten.
Ich liebe Deutsch lernen
Die Kurse sind offen für Teilnehmende aller Nationalitäten. In jenem Kurs in St. Georg lernen beispielsweise Menschen aus Afghanistan, Ghana und Palästina. So wie Amina D (Red.: alle Namen geändert). Sie kam mit ihrer Familie aus Afghanistan zunächst nach Zwickau. Dort lebte sie einige Jahre in einem Containerdorf. Sie erinnert sich: "15 Familien hatten eine Küche. Es war laut, sehr laut. Viele Menschen hatten viele Probleme. Und es gab keinen Deutschkurs. Das war nicht gut." Nun wohnt sie mit ihrer Familie in Hamburg. Hier fühlt sie sich wohl. Sie geht gerne zum Integrationskurs und meint strahlend: "Ich liebe Deutsch lernen!"
Spezielle Alphabetisierungskurse zum Erlernen der lateinische Schriftsprache
Nicht allen Menschen fällt jedoch das Erlernen der deutschen Sprache leicht. Daher werden zusätzlich zu den oben beschriebenen, den sog. Allgemeinen Integrationskursen, spezielle Integrationskurse angeboten. So gibt es beispielsweise Alphabetisierungskurse, in denen in kleineren Gruppen gelernt und für das Erlernen der Sprache mehr Zeit gegeben wird.
Auch jener Kurs in St. Georg ist so ein Alphabetisierungskurs. Die meisten der dort Lernenden konnten in ihren Herkunftsländern gar nicht zur Schule gehen; andere wiederum haben die Schule nur wenige Jahre besucht. Sie haben dort jedoch eine gänzlich andere Schrift erlernt, wie z.B. die persische oder arabische. Hier in Deutschland fällt es dann oft sehr schwer, die lateinischen Buchstaben der deutschen Sprache einzuüben.
So erzählt etwa Manu B., der wegen des Krieges mit seiner Familie aus Afghanistan nach Deutschland flüchtete: "Ich habe die Hindu-Religion. Für Menschen mit der Hindu-Religion war es in Afghanistan verboten, in die Schule zu gehen." Nun lernt er im Integrationskurs Deutsch: "In die Schule zu gehen ist sehr schwer. Aber es ist sehr, sehr wichtig."
Lesen ist nur ein bisschen schwer, aber Schreiben ist richtig schwer
Dies findet auch Amir D. aus Palästina. Nachdem im dortigen Krieg eine Bombe seine Wohnung zerstört hatte, kam er nach Deutschland. Er erinnert sich an seine Ankunft: "Ich war in einem Heim in Brandenburg, in einem Container. Der Container war aus Metall. Und es gab sehr viel Schnee. Deshalb war es sehr, sehr kalt… Am Anfang in Deutschland sind alle Menschen traurig. Immer traurig. Dann ist es jeden Tag ein Stück besser. Und jetzt haben wir eine sehr gute Lehrerin. Sie ist eine gute Frau!"
Darüber sind sich alle Kursteilnehmenden einige. Und auch darüber, was ihnen beim Erlernen der deutschen Sprache besonders schwer fällt. Amir D. bringt es auf den Punkt: "Lesen ist nur ein bisschen schwer, aber Schreiben ist richtig schwer."
Die Lehrerin des Kurses, Anna M., weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, eine Sprache mit einer anderen Schrift zu lernen: Während ihres Studiums lernte sie zwei Jahre lang Arabisch. "Wenn ich beim Unterrichten ungeduldig werde, denke ich wieder zurück an diese Zeit, in der ich arabisch gelernt habe", erzählt sie. "Dann erinnere ich mich immer daran, wie das ist, dieses Gefühl zu haben, die Buchstaben nicht erkennen zu können." Die Erinnerung an dieses Gefühl helfe ihr beim Unterrichten.
Das ist dann wie ein Wunder
Sehr einfühlsam und fast liebevoll wirkt Anna M., wenn sie von ihrem Deutschkurs spricht. Gleiches sagt sie von ihren Schülerinnen und Schülern. Diese gingen sehr verantwortlich, tolerant und respektvoll miteinander um. "Sie helfen sich gegenseitig und haben einen sehr, sehr liebevollen Umgang miteinander." Alle seien sie sehr motiviert und möchten unbedingt Deutsch lernen - und hierbei unterstützt Anna M. sie aus voller Überzeugung: "Es macht mir wahnsinnig viel Spaß. Und es ist mir wichtig, dass jeder die Chance hat zu lernen. Nicht nur die Menschen, die schnell lernen, sondern auch diejenigen, die etwas langsamer sind." Wie z.B. Esma K., die die ersten Monate des Kurses zwar sehr aufmerksam zuhörte, sich aber sich nicht traute, etwas auf Deutsch zu sagen. Auf einmal fing sie dann jedoch an zu lesen, zu schreiben und zu sprechen. "Das hat bei ihr sehr, sehr lange gedauert. Aber plötzlich hat sie sich getraut. Und das", meint Anna M. lächelnd, "das ist dann wie ein Wunder."
Kontakt: Caritasverband für Hamburg e.V., Sinischa Sven Balaz
040 - 280 140 86
balaz@caritas-hamburg.de
Weitere Informationen: www.bamf.de