Wenn Jugendthemen zur Wahl stehen
"Politik? Das ist ja Merkel und so. Damit kannst Du sonst wen für interessieren, aber keine Jugendlichen", so sieht der 16-jährige Enrico* aus Lübben (Spreewald) die Sache mit seiner politischen Beteiligung. "Weil, wir sind doch noch keine 18 und haben uns den Wahltermin doch nicht im Kalender angestrichen." Doch Enrico irrt. Auch er darf wählen gehen.
Demokratiebildung ist Querschnittsthema
Bevor am 26. September die volljährigen Wahlberechtigten an die Urnen gerufen werden, gibt es wie im ganzen Bundesgebiet auch in der Kreisstadt Lübben eine U18-Wahl für die Kinder und Jugendlichen. Angeboten wird diese vom Jugendaktionsteam der Caritas-Region Cottbus. Dabei kommt es den Sozialpädagoginnen Ulrike Rippa und Anja Dettelmann nicht so sehr darauf an, dass möglichst viele Jung-Lübbener am Wahltag ihren Stimmzettel abgeben, sondern dass sie sich niedrigschwellig überhaupt mit Politik und Demokratie beschäftigen. "Demokratiebildung ist bei uns ein Querschnittsthema, und die Bundestagswahl bietet uns eine Gesprächsgrundlage", erklärt Frau Dettelmann. Politik sei oft ein Trigger-Wort für viele Menschen zum inneren Abschalten. Erwähne man jedoch z.B. das Thema Umweltschutz, habe man das Interesse der jungen Menschen und berühre dabei unmerklich eine politische Ebene, die interessant sei für junge Menschen. "Denn das politische Interesse der Jugendlichen bewegt sich entlang ihrer Themen", ergänzt Frau Rippa. "Es kommt auch darauf an, in welchem Rahmen die jugendrelevanten Themen angesprochen werden. Wenn zum Beispiel bekannte, jugendrelevante Influencer ein YouTube-Video zeigt, dann gucken sie sich das schon an und unterhalten sich darüber", betont Frau Dettelmann die Wichtigkeit dessen, wer das Thema wie an die Jugendlichen heranträgt.
"Da ist Trubel, da ist was los ..."
Auf die Niedrigschwelligkeit und einen freiwilligen Kontext komme es bei der Demokratiebildung an. Und dabei hilft die U18-Wahl. Mit professionellen Materialien, die vom U18-Netzwerk zur Verfügung gestellt werden, binden die Caritas-Fachkräfte die jungen Menschen ein: "Ob wir Flyer mit den Jugendlichen laminieren, sie die Wahlkabine oder die Urne bauen oder am Wahltag bei der Umsetzung der Wahl helfen - da ist Trubel, da ist was los, das macht neugierig auf Sachen, die scheinbar Erwachsenen vorbehalten sind" erläutert Frau Rippa. All das gibt Impulse, um ins Gespräch zu kommen. "Und wenn ein Zwölfjähriger mal sieht, wie es in einer Wahlkabine so ist, muss er nicht gleich ein politisches Interesse haben". Manche kommen dabei das allererste Mal mit dem Thema Politik in Berührung und werden nach ihrer Meinung gefragt. Das müssen nicht die Meinungen sein, die sich auf dem Wahlzettel widerspiegeln, sondern es darf auch die eigene Ansicht sein, die nun gerade nicht zur Wahl steht. Wichtig ist den Sozialarbeiterinnen auch, wie diese Ansichten im Zeitalter der Fake-News zustande kommen. Wo kann ich seriöse Informationen erhalten? Auf welche Quellen kann ich mich verlassen? Auf solche Aspekte kann man im Rahmen eines solchen Wahl-Projektes gut eingehen.
U18-Wahl, das ist eine politische Form der Kinder- und Jugendbeteiligung auf allen Stufen der Partizipation - von der Information zur Selbstorganisation - und das außerhalb vom Lernort Schule. "Wir holen die jungen Menschen dort ab, wo sie stehen". Und wer noch nie mit dem Thema in Berührung gekommen ist, kann selbst entscheiden: Wie viel Engagement stecke ich da rein. Will ich da nur mein Kreuzchen machen, oder will ich mich da stärker einbringen? Das Beschäftigen junger Bürger mit Wahl und Demokratie scheint wichtig. Denn weder Enricos Eltern noch die Eltern seiner besten Kumpel gingen je zur Wahl und haben ihre Kinder einmal dorthin mitgenommen.
*Name geändert