Perspektiven für ein erfülltes Leben
Die Produkte der Werkstatt in der Ukraine verkaufen sich mittlerweile gut.Christian Scharf
Eine Gruppe von Caritas-Mitarbeitern machte sich gemeinsam mit Diözesan-Caritasdirektor Dr. Markus Juch auf diese Reise und kam reichlich belohnt zurück: voller guter Erfahrungen, berührt von der Gastfreundschaft der Menschen und begeistert von der Erkenntnis, dass die Caritas in der Ukraine vieles bewegen kann, auch und gerade in einer binationalen Partnerschaft zum Beispiel der Caritas aus Osthessen und der Westukraine.
Das gemeinsame Projekt der Caritasverbände von Fulda und Iwano-Frankiwsk ist im Bereich der Behindertenhilfe angesiedelt. Die Fuldaer Caritas ist als Spitzenverband und als Träger von mehreren Werkstätten und Wohneinrichtungen für Menschen mit geistiger Behinderung sowie für psychisch kranke Menschen auf diesem Sektor stark engagiert. Die Caritas der ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche von Ivano-Frankiwsk betrat mit diesem Tätigkeitsfeld Neuland, denn behinderte Menschen waren bis vor gar nicht allzu langer Zeit weitgehend unsichtbar in der Ukraine. Die meisten Familien behielten die jungen behinderten Menschen zu Hause. Es fehlte an Angeboten für sinnvolle Alltagsgestaltung, für Rehabilitation und Arbeit.
Nun hat das junge Team der Caritas in Iwano-Frankiwsk schon viel bewegt. Unter Caritasdirektor Pfarrer-Mitrat Wolodymyr Tschomij und Geschäftsführerin Natalia Kozakevych ist das "Zentrum für Freizeitgestaltung und soziale Adaption von geistig behidnerten Jugendlichen und jungen Erwachsenen" bereits gewachsen und mit Leben erfüllt. Fünf Lernwerkstätten und eine Musikwerkstatt wurden geschaffen. So gibt es die Bereiche "Papier", "Glasperlen" sowie die "Näh- und Garnwerkstatt" - hier entstehen vor allem Kunst und Accessoires. Im Aufbau sind eine Computerklasse und die Holzwerkstatt.
Erste Erfolge zeichnen sich ab
Über die Arbeitsangebote hinaus finden Rehabilitation und therapeutische Begleitung statt: unter anderem im Rahmen der Musikwerkstatt sowie durch Sport und Gymnastik. Die Integration der Menschen mit Behidnerung soll durch Freizeitangebote wie Ausflüge und Lebenshilfe für den Alltag (Einkaufen etc.) gefördert werden. Das klappt mittlerweile sehr gut, zu Hause - so die Aussagen von Familienangehörigen - sind die Jugendlichen zu selbstbewussten Familienmitgliedern geworden, die ihren eigenen Kopf haben, aber auch gerne mit anpacken. Anfangs, so sind sich alle im Caritas-Team einig, war es schwierig gewesen, die Eltern davon zu überzeugen, ihre Kinder in das Caritas-Programm zu geben. Das ist mittlerweile keine Frage mehr. "Uns geht es aber auch darum, dass die behinderten Menschen in der Gesellschaft sichtbar und als Teil der ukrainischen Bevölkerung wahrgenommen werden", sagen Caritas-Mitarbeiterinnen Romana Bilischtschak und Marta Kachnij. Deshalb ist die Öffentlichkeitsarbeit - mit und für die Menschen mit Behinderung - ein wichtiger Teil der Aufbauarbeit. "Auch da gibt es immer mehr Erfolge", unterstreicht Erzieherin Claudia Groth aus Schwerin, die derzeit bei der Caritas in Iwano-Frankiwsk ein Auslandsvolontariat absolviert. "Mittlerweile können wir die Kunstpostkarten aus unserer Werkstatt gut verkaufen und erhalten sogar Aufträge zur Produktion von Karten für bestimmte Anlässe." Und auch die Medien in Iwano-Frankiwsk berichten immer häufiger über die Arbeit der Caritas-Behindertenhilfe.
Im Rahmen der Besuchstage lernte die Fuldaer Caritas-Delegation, zu der mit Ressortleiter Ernst-Paul Walter und Gesamtwerkstättenleiter Bernd Wystrach zwei leitende Vertreter der Behindertenhilfe gehörten, alle Mitarbeiter und auch die behinderten Menschen kennen und durften ihnen bei der Arbeit zeitweilig "über die Schulter" schauen. In Gesprächen konnte man Zielvorgabe und Methodik des Projektes abstimmen und besprechen, in welchem Rahmen die Fuldaer Caritas diese Aufbauarbeit zum Wohle der behinderten Menschen in der Ukraine über finanzielle Zuschüsse hinaus unterstützen kann.
In der Partnerschaft geht es nicht allein ums Geld
So beschlossen die beiden Verbände einen regelmäßigen Ideenaustausch auf fachlicher Ebene, und im Herbst soll eine Delegation aus der Ukraine die Fuldaer Werkstätten bei einem Gegenbesuch in Augenschein nehmen. "Wichtig ist uns eine Partnerschaft auf Augenhöhe", betont der Fuldaer Diözesan-Caritasdirektor Juch. "Wir sind nicht die großen Lehrmeister aus dem Westen, auch wir können viel von dem Elan und der Aufbruchstimmung bei der Caritas in Iwano-Frankiwsk profitieren. Die Partnerschaft geht also weit über die finanzielle Unterstützung hinaus!"
Nichtsdestotrotz ist das Geld natürlich wichtig, denn von ihrem Staat kann die Caritas in der Ukraine nichts erwarten. So war man sehr erfreut, dass die Fuldaer Delegation neben mitgebrachten Rollstühlen und Rollatoren 1300 Euro übergeben konnte. Dieser Betrag resultierte aus einer Kollekte, die bei der Rechtsträger-Tagung des Deutschen Caritasverbandes 2009 in Fulda gesammelt worden war, einer Weihnachtsaktion der Fuldaer Caritas-Mitarbeiter sowie einigen Einzelspenden. Das Geld wollen die Ukrainer, so bekundete es Geschäftsführerin Kozakevych, für den weiteren technischen Ausbau der Holzwerkstatt einsetzen.