Arme habt ihr immer bei euch ...
Die Caritas im Bistum hat sich gemausert. Ob Beratungsdienste, Wohnungslosentreff, Kinder- und Jugendhilfe, Pflegeheime und Sozialstationen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen oder internationale Hilfe. Dem Engagement der vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter sei es zu verdanken, dass der Verband in der Region heute einen "guten Ruf" habe, blickt Diözesancaritasdirektor Rudolf Hupe zurück. Gerade in Zeiten von Wirtschafts- und Finanzkrisen seien die Angebote des katholischen Wohlfahrtsverbandes gefragt. Im Ensemble der Freien Wohlfahrtspflege habe sich die Caritas zu einem verlässlichen Partner entwickelt, dem es vor allem auf die anwaltschaftliche Funktion für Menschen in Not ankomme.
Die Caritas wollte sich aber nicht selbst feiern und nahm das 20-jährige Bestehen zum Anlass, an jene zu denken, die kaum das Nötigste zum Leben haben. "Im Überfluss reicher Gesellschaften gibt es auch immer wieder Nebenflüsse der Armut", führt Rudolf Hupe in den Fachtag zum Europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung ein. Zuvor hatten die Mitarbeiter und Gäste in der Propsteikirche St. Maria Friedenskönigin einen Gottesdienst mit dem Ersten Vorsitzenden des Caritasverbandes, Diözesanadministrator Hubertus Zomack, gefeiert.
Die Armut werde in der Gesellschaft zu einem immer größeren Problem, weiß der Diözesancaritasdirektor des Bistums Dresden-Meißen, Matthias Mitzscherlich, der den anschließenden Festvortrag im Sankt-Johannes-Haus hielt. Mitzscherlich wies bei der Armutsbekämpfung besonders auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Caritas und Pfarrgemeinden hin. Oft blieben die "Armen in der Gemeinde" weg, weil sie sich für ihre Lebenssituation schämen. Arme Menschen in der Gemeinde verdienten aber ebenso Respekt und Anerkennung wie jene, die es in ihrem Leben offensichtlich zu etwas gebracht haben. Auch die, die weniger haben, gehörten dazu. "Die Armen habt ihr immer bei euch...", schrieb Mitzscherlich im Anschluss an ein Bibelwort den Zuhörern ins Stammbuch.
In ungewöhnlicher Schärfe kritisierte der Caritasdirektor für das Bistum Hildesheim, Dr. Hans-Jürgen Marcus, die derzeitige Sparpolitik der Bundesregierung - besonders auf Kosten der Armen und Ausgegrenzten. Die Folgen der Wirtschaftskrise müssten nicht die ausbaden, die sie verursacht haben. Dagegen gingen die Konsolidierungsmaßnahmen zu fast 40 Prozent zu Lasten sozialer Maßnahmen. Marcus, früherer Sprecher der Nationalen Armutskonferenz, forderte eine breite gesellschaftliche Debatte über die Zukunft des Sozialstaates und wirksame Maßnahmen der Armutsprävention, vor allem im Bildungsbereich.
Die Caritas und ihre Partner in der Freien Wohlfahrtspflege bekommen bei der Armutsbekämpfung auch in Zukunft viel zu tun. Das zeigte eine Diskussion mit Vertretern aus Kirche, Politik und Gesellschaft. Pfarrer Matthias Grzelka aus Lübbenau sprach sich ebenso wie die Brandenburger Landtagsabgeordnete Roswitha Schier (CDU) dafür aus, auch etwas gegen die "geistige Armut" in der Gesellschaft zu tun. Viele Menschen würden heute keinen Sinn mehr in ihrem Leben sehen. Die materielle Armut sei nur eine Seite der Medaille. Für "breite und effektive Netzwerke" bei der Bekämpfung der Armut plädierte der Abteilungsleiter Gesundheit und Soziales im Diözesancaritasverband, Michael Standera. Ein wirksamer Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung könne nur in der Zusammenarbeit aller gesellschaftlichen Kräfte gelingen. Politik dürfe sich nicht aus der Verantwortung ziehen.
Dennoch hatte die Caritas Grund genug, ihren Festtag würdig zu begehen. Caritasdirektor Hupe ehrte stellvertretend für die vielen ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter Frauen und Männer mit der Ehrenurkunde und dem Silbernen Caritaskreuz des Deutschen Caritasverbandes und mit der Johannes-Zinke-Medaille, der höchsten Caritas-Auszeichnung im Bistum Görlitz, für ihre Verdienste in der Sozialarbeit.