Verbündete suchen und politisch aktivieren
Dass es die Hospizbewegung weiterhin braucht, ja, dass sie unverzichtbar bleiben wird, wenn die sich rasant wandelnde Gesellschaft ein menschenwürdiges Gesicht vom Anfang bis zum Ende des Lebens behalten soll, daran herrschte bei den Teilnehmenden der Tagung kein Zweifel. Ausgiebig diskutiert wurde vielmehr darüber, wie und unter welchen Bedingungen der Hospizgedanke in eine Welt und Gesellschaft hineingetragen und wirksam werden kann, in der Rationalisierung, Digitalisierung und Ökonomisierung in allen Bereichen immer bestimmender werden.
Blick auf Geschichte und Gegenwart
Mit einem Blick auf Geschichte und Gegenwart der Hospizbewegung verwiesen die Wiener Palliativ-Care-Wissenschaftlerin Sabine Pleschberger und Susanne Kränzle vom Hospiz- und PalliativVerband Baden-Württemberg darauf, dass in den zurückliegenden Jahrzehnten einiges erreicht wurde. Deutschland sei in der Palliativ-Versorgung ein Leuchtturm-Land und die Hospizarbeit gut in strukturelle Rahmenbedingungen eingebunden, sagte Kränzle. Sie verwies unter anderem auf das neue Hospiz- und Pflegegesetz, das der Bundestag im November 2015 verabschiedet hatte. Allerdings: Ein Viertel aller Land- und Stadtkreise sind noch ohne hospizliche Versorgung. Laut einer Umfrage von 2013 wollen 76 Prozent der Menschen zuhause sterben. Und: Vor allem im stationären Bereich geraten Hospize zunehmend in eine "Marktkonkurrenz" zu Sozialunternehmen, die hier einen weiteren "Geschäftszweig" wittern. Um mehr Einfluss im Sinne einer Orientierung an den Wünschen und Bedürfnissen von sterbenden Menschen und ihren Angehörigen zu nehmen, muss sich die Hospizbewegung deshalb stärker kritisch-konstruktiv in gesundheits- und gesellschaftspolitische Debatten einmischen, so das deutliche Signal bei den Hospiztagen.
Wie das geschehen kann und welche Voraussetzungen es dafür braucht, daran wurde in zahlreichen Workshops intensiv gearbeitet. Die Themenpalette reichte von der Vielfalt in der Hospizbegleitung über die Gewinnung von Ehrenamtlichen und gelingende Kooperationen zwischen Pflegeheimen und Hospizdiensten bis zu Fragen der Spiritualität.
Wichtig: für eine zeitgemäße Kommunikation sorgen
Gebündelt wurden die vielen Impulse schließlich in einer erfrischenden Zukunftswerkstatt. Die Ideen, die in engagiert diskutierenden Kleingruppen geboren wurden, waren spannend und mitunter visionär. Um die Gesellschaft mit dem Hospizgedanken zu durchdringen, brauche es die gelebte Haltung jedes Hospizlers und jeder Hospizlerin. Man müsse regional Verbündete suchen, sie vernetzen und politisch aktivieren, den Hospizgedanken in die Schulen tragen ("Hospiz macht Schule"), eine eigene Hospizschule, eine Hospizpartei, ja, ein Hospizministerium gründen und - bei alledem unabdingbar - für eine gute, zeitgemäße Kommunikation sorgen.
Eher Ernüchterung hatte sich dagegen nach dem Vortrag des bekannten Palliativ-Care-Wissenschaftlers Professor Andreas Heller aus Wien breit gemacht. Er sollte eigentlich die Vision einer neuen Sorge-Kultur ("Hospiz 2030") entwickeln. Sein durchaus mit einem gewissen Unterhaltungswert vorgetragener Streifzug durch die Literatur- und Theatergeschichte mit Anklängen an das Thema blieb allerdings deutlich unter den Erwartungen und ließ die Zuhörer vielfach ratlos zurück.
Fazit: Die Süddeutschen Hospiztage, veranstaltet vom Diözesan-Caritasverband Freiburg, dem Diakonischen Werk Baden, dem Hospiz- und PalliativVerband Baden-Württemberg, der Evangelischen Akademie Baden und der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg, haben sich in der Fülle ihres Programms wahrlich als "gedankliches Becken erwiesen, aus dem man schöpfen kann", wie es einer der beiden Tagungsbeobachter am Ende auf den Punkt brachte.