Seenotrettung: Fortschritte dringend nötig
Seit 2015 mangelt es nicht an Ideen für eine europäisch und solidarisch ausgerichtete Asyl- und Flüchtlingspolitik. Dabei blieb es allzu lange. Nun, angesichts der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, keimt wieder Hoffnung. Angekündigt ist ein neuer Anlauf. Dazu gehören unbedingt das Wiedereinsetzen ziviler Seenotrettung und die zuverlässige Aufnahme Geflüchteter.
Zuletzt nahmen die Schikanen gegen die wenigen privaten Seenotretter noch zu. Die "Alan Kurdi" von Sea-Eye wurde sieben Wochen lang im Hafen von Palermo festgesetzt. Die Begründung der italienischen Behörden: Verstoß gegen Auflagen. Zum Beispiel verfüge das Schiff lediglich über drei Toiletten. Die deutsche Schwesterbehörde - die Alan Kurdi fährt unter deutscher Flagge - widersprach deutlich, doch Italien blieb stur. Gorden Isler, Vorstand von Sea-Eye, fragt: "Wir sollen ernsthaft Flüchtlinge ertrinken lassen, weil wir ihnen an Bord angeblich nicht genug Sanitäranlagen bieten könnten?"
Eine Pandemie des Wegschauens
Flüchtlingsbischof Stefan Heße sagt: "Das Thema Flucht und Migration lässt sich nicht wegdrücken, es wächst eher noch." Papst Franziskus fordert deutlich mehr Hilfen angesichts der neuen Abschottung von Häfen für Migrant(inn)en. Bereits mehrfach stellte sich der Pontifex hinter die private Seenotrettung. Unermüdlich mahnt er die Europäer, sich zur Humanität als Fundamentstein zu bekennen. Papst Franziskus wirbt angesichts fehlender Einigkeit für nationale Lösungen für die Aufnahme Geflüchteter.
Ob Behördenwillkür oder Weigerung einzelner europäischer Länder - gegen die Pandemie des Wegschauens gibt es einen Impfstoff: Zivile Seenotrettung und legale Zugangswege machen lebensgefährliche Fluchtrouten obsolet und Schlepper arbeitslos. Sowohl in der EU wie in Deutschland gewinnen die Koalitionen der Willigen an Gewicht. Allein in Niedersachsen haben sich mittlerweile 30 Städte, Landkreise und Gemeinden zu Sicheren Häfen erklärt und wollen - über die Aufnahmequote hinaus - Geflüchtete aufnehmen. Doch aufnahmewillige Städte und Gemeinden sind dabei auf die Unterstützung der Landesregierung angewiesen. Immer mehr Bundesländer ergreifen die Initiative und erklären sich zu Sicheren Häfen.
Der Diözesan-Caritasverband Hildesheim führt seine Kampagne "Du sollst nicht ertrinken lassen" noch bis September 2021 weiter (www.elftes-gebot.de).