Ist das Pflicht oder kann das weg?
Nein, wir müssen keine klassische Unternehmensmitbestimmung einführen. Es gibt viele gute Gründe, die dagegensprechen. Der Ausgleich des Gegensatzes von Kapital und Belegschaft, der Schutz vor der Entnahme von Eigenkapital aus Unternehmen durch Shareholder, das Bollwerk Unternehmensmitbestimmung gegen die Mitarbeitervergessenheit der Fabrikbesitzer (Achtung: Klischee!) - das alles haben wir nicht nötig. Wir sind gemeinnützig. Kapital bleibt (wenn welches übrig ist) in den Einrichtungen. Der Dritte Weg heißt Augenhöhe. Er ist auf Konsens ausgerichtet und minimiert den Aufwand für Konflikte.
Ein Blick in die sonstige Wirtschaft: Nicht viele, sondern weniger als ein Prozent der Unternehmen leben eine unternehmerische Mitbestimmung. Umso mehr verwundert, wie wenig Lärm um die 99 Prozent gemacht wird und wie stark politische Finger stattdessen auf unseren kirchlichen Weg zeigen. Wir haben die höchste Tarifbindung aller Branchen, wir heben strukturelle Gegensätze zwischen Kapital und Mitarbeitenden in der Dienstgemeinschaft auf. Das gelingt zwar nicht immer und überall und in jedem Moment. Aber unser Anspruch ist es.
Genau dieser Anspruch kann dazu führen, dass man sich auch die Frage stellen kann: Warum eigentlich keine Unternehmensmitbestimmung? Warum nicht eigene Mitarbeitende - und nur die - einbeziehen mit ihrem Verantwortungsbewusstsein und ihren Kompetenzen? Warum nicht auch hier einen dritten Weg gehen?
Aber Achtung an der Bahnsteigkante: Vor der (unternehmerischen) Mitbestimmung kommt die Aufsicht. Erst muss das Thema Good Governance, gute Aufsicht, noch klarer gelebt werden. Betriebliche Mitbestimmung in den Einrichtungen (= MAV) ist nicht Unternehmensmitbestimmung, Unternehmensmitbestimmung ist nicht Aufsicht. Und: Die Aufsichtsgremien sind bei jeder Gliederung, bei jedem Träger unterschiedlich. Erst wenn die trägereigene Aufsicht flächendeckend gut geregelt ist, können wir auch gute Wege finden, Mitarbeitende einzubeziehen. Hier müssen wir erst ein Verständnis von unabhängiger Kontrolle und kluger, kritischer Begleitung zulassen. Der Corporate Governance Kodex und die katholische Arbeitshilfe 182 machen den Anfang. Wenn dieses Verständnis etabliert ist, können wir uns fragen: Warum eigentlich keine kritische Begleitung und unternehmerische Mitbestimmung wagen? Ich sage: Trauen wir uns! Und: Eine intelligente geistige Anleihe bei den evangelischen Schwestern und Brüdern - die das Thema schon aufs Gleis gesetzt haben - könnte eine gute Basis sein, um damit anzufangen.