Flüchtlingsschutz im Gegenwind
Die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) feierte am 28. Juli ihr 70-jähriges Bestehen. Das Abkommen von 1951 und das Zusatzprotokoll von 1967 sind noch immer die wichtigsten Kodifizierungen zum Schutz von Flüchtlingen weltweit. 149 Staaten haben sie mittlerweile ratifiziert. Eine bedeutende Errungenschaft der internationalen Staatengemeinschaft, so könnte man meinen - wäre der Flüchtlingsschutz nicht enormem Gegenwind ausgesetzt. Nicht nur die internationale Zusammenarbeit als solche wird immer häufiger infrage gestellt, auch die GFK wird immer unverhohlener verletzt.
Verletzungen des Nichtzurückweisungsgebots (Non-Refoulement) erlangen durch die alltäglichen Pushbacks an den Außengrenzen der EU eine neue Dimension. Rechtswidrige Zurückweisungen sind immer illegal. Flüchtlinge müssen die Gelegenheit haben, ihren Antrag auf Schutz stellen zu können. Der spontane Zugang zu Schutz ist das Herzstück der GFK, denn dem Phänomen Flucht ist Spontaneität wesenseigen. Die wachsende Unwilligkeit von Staaten in der EU, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, und das Bestreben, die Verantwortung auf Länder jenseits der EU auszulagern, ist nicht nur ein Armutszeugnis für eine Union, die sich explizit die Wahrung der Menschenrechte und Solidarität auf die Fahnen geschrieben hat. Diese Haltung widerspricht auch den Grundsätzen des internationalen Flüchtlingsschutzes. In der Präambel der GFK wird internationale Zusammenarbeit angemahnt, um unzumutbare Belastungen für einzelne Staaten zu verhindern.
Dies zeigt: Gerade dann, wenn die GFK verletzt wird, ist sie wichtiger denn je. Zumal die weltweiten Herausforderungen kontinuierlich zunehmen. Nicht nur die Zahl der Flüchtlinge, die unter die GFK fallen, nimmt zu, sondern auch die Zahl der Binnenvertriebenen und derjenigen, die aufgrund von Klimaveränderungen und Umweltkatastrophen ihre Heimat verlassen müssen. Für die beiden letztgenannten Gruppen gibt es bisher keine Lösung. Die GFK auf Personen zu erweitern, die bislang nicht umfasst sind, wäre jedoch der falsche Schritt. Eine Neuverhandlung der GFK würde die Gefahr bergen, dass die Flüchtlingsdefinition verengt oder die gesamte Konvention infrage gestellt würde. Trotz Gegenwind gilt daher: Die GFK muss geschützt und erhalten werden! Die völkerrechtlich bestehenden Schutzlücken für Klima- und Binnenvertriebene müssen durch spezifische internationale Vereinbarungen geschlossen werden!