Einstieg in den Ausstieg – franst der Dritte Weg aus?
Überraschend und weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde am 5. März 2015 der erste Tarifvertrag zwischen der Gewerkschaft Verdi und einem Caritasverband unterzeichnet. Im Land Bremen, wo die Caritas Mitglied der Tarifgemeinschaft Pflege ist, regelt jetzt ein Tarifvertrag die Ausbildungsbedingungen in der Altenpflege. Es handelt sich, so die Caritas, um einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem für alle Träger verbindlichen Tarifvertrag über Bedingungen für examinierte Pflegefachkräfte und andere Berufsgruppen in Pflegeeinrichtungen.
Als Verdi-Mitglied freue ich mich über jeden Tarifvertrag - auch bei der Caritas. Doch als Mitglied der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas bin ich stark ins Grübeln gekommen.
Landauf, landab verteidigen die deutschen Bischöfe in Sonntagsreden das System des Dritten Weges gegenüber Politik und Gesellschaft. Im November noch haben sie den Dritten Weg streikfest machen wollen und eine neue Rahmen-KODA-Ordnung erlassen. Gerade um Tarifverträge zu vermeiden, sollen die Gewerkschaften ab 2017 in die Arbeitsrechtliche Kommission eingebunden werden. Dabei wird dann auch gerne auf die Grundordnung verwiesen, wo es in Artikel 7 heißt, dass "kirchliche Dienststellen keine Tarifverträge mit Gewerkschaften" abschließen.
In der Praxis franst der Dritte Weg zunehmend aus. Rechtsträger bleiben Mitglied der Caritas, obwohl sie die Grundordnung nicht anerkennen. Und sie bleiben Mitglied der Caritas, obwohl sie - zum Nachteil der Mitarbeitenden - fremde Tarife oder eigenmächtig abgesenkte AVR-Regelungen rechtswidrig anwenden. Das scheint keinen Bischof zu interessieren. Da wird großzügig über alle Missstände hinweggesehen. Und gleichzeitig zu diesen Entwicklungen wird Mitarbeitenden immer noch durch Dienstgeber suggeriert, die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft sei im Dritten Weg weder nötig noch sinnvoll. Die aktuelle Aufwertungskampagne für Sozial- und Erziehungsberufe sei nur Mitgliederwerbung der Gewerkschaft.
Die Bischöfe haben den Dritten Weg gegeben und sie sind frei, ihn jederzeit zu beenden. Aber bitte nicht scheibchenweise oder durch Weggucken!
Die Mitarbeiterseite in der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas hat den Dritten Weg bisher konstruktiv mitgestaltet - immer in der Überzeugung, dass wir diesen deutschen Sonderweg im Arbeitsrecht gemeinsam gehen, ihn gemeinsam gestalten und auch gemeinsam verlassen. Nicht zuletzt um das angemessene Tarifniveau der AVR zu erhalten.
Es ist Zeit, dass die deutschen Bischöfe und die Caritas sich eindeutig positionieren. Gerne auch zum Zweiten Weg und zu Tarifverträgen mit Gewerkschaften. Aber dann bitte mit einem klar strukturierten Wechsel. Die Mitarbeitenden der Caritas haben es verdient, dass die Umstellung des Dritten Weges in das System des Zweiten Weges geordnet verläuft. Darauf sollten sich die AVR-treuen Träger und erst recht die Mitarbeitenden verlassen können.