Warmes Wasser und Strom liefert jetzt kostenlos das eigene Dach
"Ich habe mich riesig gefreut!", beschreibt Marine Manukjan mit leuchtenden Augen das Erlebnis ihrer ersten Dusche im eigenen, notdürftig zusammengezimmerten Badezimmer. "Und die Kinder, die konnten gar nicht genug bekommen. Sie haben sich gleich dreimal hintereinander gewaschen." Stolz zeigt die 59-Jährige, wie das warme Wasser aus dem Duschkopf läuft. Seit Januar 2023 hat sie fließend warmes Wasser.
Ermöglicht hat dies das Erneuerbare-Energien-Projekt der Caritas Armenien, das Caritas international mit 143.000 Euro unterstützt. Geldgeber ist auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Haushalte mit niedrigem Einkommen, die in den langen Wintern ausschließlich mit Kuhdung heizen, erhalten eine Solaranlage für warmes Wasser oder eine Photovoltaikanlage. Armenien hat 300 Sonnentage im Jahr. Sonnenenergie zu nutzen, lohnt sich und sie ist kostenlos.
Das Caritasprojekt unterstützt bedürftige Menschen darin, klimafreundlicher zu heizen und weniger Geld für Heizmaterial ausgeben zu müssen. 3400 einkommensschwache Haushalte haben seit Beginn des Projekts im Jahr 2020 von der Installation von Infrastruktur für erneuerbare Energien profitiert. Ebenso einige Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten oder Jugendhilfeeinrichtungen.
Marine Manukjan lebt mit ihrem Mann, ihrem Sohn, der Schwiegertochter und zwei Enkeln in einem kleinen Dorf in den Bergen im Norden Armeniens in der Region Shirak. Ihre wirtschaftliche Situation ist, wie bei den meisten Einwohnern des Weilers, sehr prekär.
Das Haus der Manukjans: ein Sperrholzcontainer, zwei feuchte kleine Zimmer ohne Toilette, rechts und links ein paar angebaute Verschläge für eine Handvoll Hühner und den Hund. Die Hütte haben die Manukjans vor etwas mehr als 30 Jahren bekommen, nach dem schweren Erdbeben in Armenien 1988. Damals wurde ihr eigenes Haus zerstört. "Wir kamen in dieses Lager. Wir haben immer gehofft, dass wir wieder eine richtige Wohnung bekommen, aber man hat uns einfach vergessen. Es gab und gibt für uns keine Unterstützung. Man hofft ein Jahr oder auch zwei, dann werden es 15 Jahre und jetzt sind es mehr als 30 Jahre, dass wir so leben", erzählt die 59-Jährige.
Familie Manukjan bekam eine Solarthermieanlage auf ihr Dach und einen 300-Liter-Tank. So kann sie warmes Wasser kostenlos selbst erzeugen. Jedoch musste sie, wie alle Begünstigten, fünf Prozent der Investitionskosten selbst aufbringen. "Der Eigenanteil ist wichtig für die Wertschätzung, damit die Menschen die Zuwendung auch als ihr Eigentum ansehen", sagt Inna Maghakyan, Projektkoordinatorin der Caritas Armenien. Auch haben Mann und Sohn der Familie die Wasserleitung zum Haus selbst verlegt. "Das ganze Dorf holt bei uns warmes Wasser, alle sind froh", schwärmt Marine Manukjan. "Früher mussten wir aus der Quelle am Rand des Dorfes Wasser schöpfen, es auf dem Ofen warm machen und im Winter gab es keines, aber wie kann man alles sauber halten ohne Wasser? Jetzt ist das viel leichter."
Ein Sperrholzcontainer ohne Toilette
Die Familie hat zwei Kühe. Mit diesen gehen der Mann und der Sohn jeden Tag in die Berge. Wenn etwas von der Milch übrig ist, macht Marine Manukjan Käse, manchmal kann sie etwas davon verkaufen. Mehr Einkommen hat die sechsköpfige Familie nicht, denn die Männer und die Schwiegertochter sind arbeitslos, ohne Hoffnung auf einen Job. Marine selbst ist schwer krank, ein Jahr lang lag sie gelähmt im Bett. Eigenen Grund und Boden haben sie nicht, auf dem sie etwas anbauen könnten. Ohnehin ist die Erde in der hochgelegenen Bergregion nicht sehr fruchtbar.
Marine Manukjan wurde auf das Erneuerbare-Energien-Projekt aufmerksam, als sie sah, wie ein Caritasmitarbeiter bei Drulietta Sahakjan, ihrer Nachbarin, war. Diese hat Anfang des Jahres eine Photovoltaikanlage bekommen. Sie lebt zusammen mit zwei Enkeln und der Schwiegertochter auch in einer provisorischen Behausung aus der Zeit nach dem Erdbeben. Die Wände sind verschimmelt. Drulietta Sahakjan ist schwer herzkrank. Ein halbes Jahr lang hatte die Familie keinen Strom, weil sie die monatlichen 5000 Dram (12,50 Euro) nicht aufbringen konnte. Der Sohn arbeitet seit zwei Jahren in Russland. Aber wegen des schlechten Rubelkurses schickt er kein Geld mehr. Von Bekannten aus Russland haben sie einen Kühlschrank bekommen und eine Waschmaschine. Die Geräte stehen im Wohnzimmer, sind ausgeschaltet. Die Angst ist greifbar, dass die Elektrogeräte mehr Strom verschlingen, als die Photovoltaikanlage auf dem eigenen Dach erzeugen kann und das Geld wieder nicht reicht. Allerdings hat die Familie die Hoffnung auf ein kleines Einkommen: Wenn sie wenig Strom verbraucht und den eigenen Strom in das Netz einspeist, könnte sie am Ende des Jahres etwas Geld bekommen.
Armut wie diese gibt es in Armenien viel. Nach der offiziellen Statistik aus dem Jahr 2020 sind 27 Prozent der Menschen arm, in manchen Gegenden sind es 49 Prozent. Doch wie entscheidet die Caritas, wer Hilfe bekommt? Sie erhält von der Regionalverwaltung Listen von besonders bedürftigen Personen, macht Hausbesuche, um den Bedarf zu prüfen und zu überlegen, welche Hilfen nötig sind.
Heizen mit Kuhdung und Briketts
In der Region Shirak herrscht zudem Energiearmut. 56 Gemeinden der Region sind nicht an das Erdgasnetz angeschlossen. Wie Familie Manukjan und Familie Sahakjan fertigen sie von Hand Briketts aus Kuhdung. Müssen sie diesen oder Holz zukaufen, verschlingen die Energiekosten oft mehr als 20 Prozent des ohnehin geringen Haushaltseinkommens. Der Dung wird in kleinen eisernen Öfen verbrannt, ein kleines Rohr leitet die Abgase mehr recht als schlecht nach draußen. Bei Temperaturen bis minus 20 Grad im Winter können Räume damit aber nicht ausreichend geheizt werden. Auch ist die Belastung durch Rauchgase hoch. Dies hat negative Auswirkungen auf die Gesundheit, führt neben Atemwegs- zu rheumatischen Erkrankungen. Insbesondere Frauen, Kinder und Senior:innen sind der Luftverschmutzung in Innenräumen und dem kalten Raumklima ausgesetzt. Ursprünglich lief das Erneuerbare-Energien-Projekt von 2020 bis 2023, wurde aber bis 2024 verlängert.
Weitere Infos zur Arbeit von Caritas international in Armenien: https://t.ly/-vVQx
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