Die generalistische Pflegeausbildung auf dem Prüfstand
Was sind die pflegerischen Kernthemen, die alle Absolvent:innen der neuen Pflegeausbildung beherrschen müssen?
Sr. Anette Chmielorz: Ein Kernelement der Ausbildung ist die Pflegeprozesssteuerung. Das Erarbeiten pflegerischen Handelns geschieht exemplarisch anhand von Pflegesituationen, die alle Altersstufen und alle pflegerischen Settings berücksichtigen. Das in der Schule Gelernte kann dann in den verschiedenen Einsatzorten geübt und vertieft werden.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit der Altenhilfeeinrichtungen, Krankenhäuser und ambulanten Pflegedienste als Träger der praktischen Ausbildung mit Ihrer Schule?
Helga Nottebohm: Kommunikation ist an jeder Stelle gefordert und die Verbindlichkeit dazu. In unserer Schule gibt es aufgrund langjähriger Praxis regelmäßige Austauschtreffen aller an der Ausbildung Beteiligten. Das betrifft die Ebenen der Praxisanleitungen und Ausbildungsbeauftragten in allen Settings sowie die Pflegedienstleitungen und Pflegedirektor:innen. Darüber hinaus kommunizieren wir zunehmend digital und meinen damit mehr als Videocalls. Über eine App steuern wir Organisatorisches. Lehrkräfte und Auszubildende können auf gemeinsame und individuelle Inhalte zugreifen.
Ein oft formuliertes Argument gegen die Generalistik: Pflege ist ein hochspezialisierter Beruf, gebraucht werden Spezialist:innen. Kann eine generalistische Ausbildung wirklich alle Bedürfnisse der Praxis erfüllen?
Sr. Anette Chmielorz: In der Pflegeausbildung - sowohl gestern als auch heute - wurde ein großer Teil des Wissens immer erst im spezifischen Berufsfeld erworben. Mit der generalistischen Ausbildung kommen die frisch Examinierten mit einem weniger spezialisierten Kompetenz- und Wissensstand in die Praxis. Das Erlernte ist nur begrenzt auf das konkrete Aufgabenfeld übertragbar.
Helga Nottebohm: Wir sind uns einig, dass es direkt im ersten Berufsjahr eine Form von "Anschlusslernen" geben muss und arbeiten dazu gemeinsam mit der Praxis an einem Konzept. Innerhalb des ersten Berufsjahres sind drei Module mit spezifischen Inhalten geplant. Diese sollen die Mitarbeitendenbindung stärken und dazu beitragen, dass mehr Pflegekräfte im Beruf verbleiben.
Gibt es Unterschiede in der Auslastung von Pflegeschulen, die vorher in der Kranken- oder Altenpflege ausgebildet haben?
Sr. Anette Chmielorz: Es gibt unseres Erachtens weniger die Problematik, dass sich zu wenig junge Menschen für einen Pflegeberuf interessieren - zumindest im Ruhrgebiet - als die Frage des Verbleibs in der Ausbildung. Wir notieren überhaupt eine höhere Abbruchquote der Auszubildenden, sicher auch aufgrund von unzureichender Sprachkompetenz und "schwierigeren" Bildungsbiografien. Die steigenden Abbruchquoten sind insbesondere für kleinere Schulen eine Existenzbedrohung.
Ein Wort noch zur Finanzierung: Sind die bereitgestellten Mittel auskömmlich, um die Pflegeausbildung zu finanzieren?
Helga Nottebohm: Aus Sicht unserer Schule ist die Finanzierung in NRW aktuell auskömmlich. Aber auch uns beschäftigen zunehmend Themen wie Inflationsprämien, Tariferhöhungen, Energiekosten, Digitalisierung, Qualifizierung und viele mehr.
Kann es mit der Pflegeausbildung so weitergehen wie in der Erprobungsphase oder sollte etwas verbessert werden?
Sr. Anette Chmielorz: Da gibt es sicherlich unterschiedliche Wünsche aufgrund der teilweise unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern. Die derzeit nicht ausreichenden Praxiseinsatzstellen in den sogenannten "Nadelöhr-Bereichen" Pädiatrie, Psychiatrie - und bei uns auch der ambulante Bereich - müssen sicherlich noch einmal kritisch diskutiert werden. Unabhängig davon braucht es kreative Ideen, wie die Auszubildenden so gefördert werden können, dass möglichst wenige abbrechen. Hinzu kommt die Frage der Durchlässigkeit in der Pflegebildung, beginnend mit der Helfer- beziehungsweise Assistenzqualifikation bis hin zur Akademisierung in der Pflege.
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