Global denken, lokal handeln
Die Zahl der Naturkatastrophen hat sich in den zurückliegenden 20 Jahren verdoppelt - wesentlicher Grund dafür ist die Erderwärmung. Die Klimakrise ist laut Vereinten Nationen mittlerweile eine der Hauptursachen für die weltweite humanitäre Not. Auf der Weltklimakonferenz COP28 besteht nun erneut die Chance, dass Maßnahmen beschlossen werden, um die Erderwärmung zu verlangsamen. Die Konferenz findet vom 30. November bis 12. Dezember in Dubai statt. Um das Leben von Menschen besser gegen die Folgen der Klimakrise zu schützen, hält Caritas international Fortschritte in vier zentralen Bereichen der Klimaverhandlungen für besonders dringlich: 1. Umstieg von fossilen Energieträgern hin zur klimaneutralen Weltwirtschaft, 2. Massiver Ausbau von Katastrophenvorsorge, 3. Aufstockung von Klima-Ausgleichszahlungen, 4. Klimataugliche Anpassung der Landwirtschaft.
Auf den Carteret-Inseln im Pazifischen Ozean begann die Klimakrise mit dem Verschwinden der Kokosnuss. Weil der Meeresspiegel von Jahr zu Jahr stetig stieg, unterspülten die Wellen immer häufiger die Sandstrände und entwurzelten die Palmen auf dem Atoll - die Inselbewohner verloren eines ihrer Hauptnahrungsmittel. Hunger machte sich breit, so dass die Flucht aus ihren Dörfern auf die höher gelegene Hauptinsel von Papua-Neuguinea unausweichlich wurde. Auf dieser Flucht steht die Caritas Papua-Neuguinea den 3000 betroffenen Menschen seit mehreren Jahren zur Seite. Nötig war das, weil die staatlichen und internationalen Hilfen sich an vielen Stellen als unzureichend erwiesen. Unter anderem wurden den Flüchtlingen von katholischer Kirche und Caritas im Zuge der Umsiedlung Grundstücke gestiftet.
Ausgleich für Schäden und Verluste ist eine Frage der Gerechtigkeit
Das Schicksal dieser und anderer Opfer der Klimakrise wird auf der COP28 unter dem Stichwort "Loss and Damage" (Ausgleich von Schäden und Verlusten) verhandelt. Denn Hilfe für die Betroffenen von Extremwettereignissen ist längst nicht mehr nur eine Frage von Solidarität und Großzügigkeit. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, genauer: der Klima- und Katastrophengerechtigkeit. Diese umfasst das Recht der von der Klimakrise betroffenen Menschen auf Katastrophenvorsorge, Frühwarnung, Schadensbegrenzung und Anpassung an die sich verändernden klimatischen Bedingungen. Seit langem fordern die Länder des Globalen Südens in den internationalen Klimaverhandlungen einen Finanzierungsmechanismus für solche "Schäden und Verluste". Denn die unter den Extremwetterereignissen besonders stark leidenden Menschen in Ländern wie zum Beispiel Somalia, Pakistan und Haiti haben zur Klimakrise selbst kaum beigetragen. Gerade einmal für 0,13 Prozent der globalen CO2-Emissionen sind die am stärksten betroffenen Länder verantwortlich. Während für die größten Verursacher des Treibhauseffekts, darunter auch Deutschland, die Folgen der Klimakrise bislang eher selten zu spüren sind.
Es wird in Dubai deshalb viel um das Geld gehen, das Ausgleich für diese Ungerechtigkeit schaffen soll. Eine vieldiskutierte Frage wird sein: Wer füllt den grünen Klimafonds und den noch zu etablierenden "Loss and Damage"-Fonds? Das ist eine wichtige Weichenstellung, doch die Diskussion darf aus Caritas-Sicht bei dieser Geldfrage nicht stehen bleiben. Denn ebenso entscheidend für die Wirksamkeit der Fonds wird sein, wie die Vergabekriterien ausgestaltet werden: Werden zum Beispiel lokale Gemeinden und zivilgesellschaftliche Organisationen an der Basis mitentscheiden können über den Einsatz der Gelder? Lokale Lösungen und Entscheidungswege bieten aufgrund unserer Erfahrung die beste Gewähr dafür, dass die Hilfe dahin kommt, wo die Klimakrise die größten Schäden anrichtet und die Not am größten ist. In der Tendenz gilt: je lokaler, desto besser, desto näher an den Menschen.
Eng verbunden mit der Entscheidung über die Vergabekriterien ist die Frage, wie viel Geld der Ausgleichszahlungen tatsächlich in die konkrete Klima-Anpassung auf lokaler Ebene fließt. Aktuell werden mit rund zwei Dritteln der Mittel erneuerbare Energien gefördert, deren Ausbau lukrativ ist, weil entsprechende Renditen zu erzielen sind. Nur ein Drittel der öffentlichen Klimafinanzierung fließt hingegen in die echte Klima-Anpassung, die ganz unmittelbar dem Schutz der Menschen vor Klimakatastrophen dient. Das ist aus Sicht von Caritas international deutlich zu wenig. Deutlich zu wenig zum Beispiel für die Inselbewohner von Papua-Neuguinea, die bislang von solchen Fonds nicht profitieren. Aber nicht nur sie brauchen mehr Unterstützung, schließlich leben laut Weltklimarat mehr als drei Milliarden Menschen in Regionen, die besonders stark unter den Folgen der Klimakrise leiden. Das ist fast die Hälfte der Menschheit. Und diese leben vor allem in Ländern, Küstenregionen und Inselgruppen des Globalen Südens.
Massive Umschichtungen von Geldern sind nötig
Perspektivisch zeichnet sich damit ein humanitärer Bedarf ab, der weder von Hilfsorganisationen noch Nationalstaaten geleistet werden kann, wenn nicht massive Umschichtungen von Geldern erfolgen. Denn schon in den vergangenen zehn Jahren hat sich der weltweite Bedarf an humanitärer Hilfe verdoppelt und liegt bei jährlich circa 39 Milliarden US-Dollar. Von Finanzzusagen gedeckt ist lediglich ein Bedarf von 20 Milliarden Dollar.
Hilfswerke wie Caritas international stehen damit schon jetzt immer häufiger vor dem Dilemma, dass Menschen in Not nicht mehr geholfen werden kann. Bereits jetzt muss Caritas international jährlich einer Million Menschen zur Seite stehen, die von den Folgen der Klimakrise besonders betroffen sind. Werden weiterhin Treibhausgase in die Luft abgegeben wie bisher, werden immer öfter Opfer von Hitze, Dürre oder Wirbelstürmen zwangsläufig nicht mehr versorgt werden können. Wer das verhindern will, muss ein Ende der fossilen Energieförderung fordern. Die Caritas tut das.
Diese politische globale Forderung muss aber flankiert werden von konkreten Schritten auf der lokalen und regionalen Ebene. Jahr für Jahr verstärkt die Caritas deshalb in Asien, Afrika, Lateinamerika und im Nahen Osten auf Dorf- und Stadtebene ihre Anstrengungen in der Katastrophenvorsorge und der Klima-Anpassung. Die Erfolge sind konkret messbar. So forderte im Jahr 1999 ein (namenloser) Zyklon in Südostasien noch mehr als 10.000 Todesopfer. Als zwanzig Jahre später der Zyklon "Fani" mit gleicher Geschwindigkeit über die gleiche Landfläche in Indien zog, waren es nur 33. Ein Erfolg vielfältiger Anstrengungen von Caritas und vielen anderen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren, die von effektiveren Frühwarnungen über Risikoanalysen auf Dorfebene bis hin zu sturmsicheren Zyklon-Schutzbauten reichen.
Das Ernährungssystem muss umgebaut werden
Klimagerechte humanitäre Hilfe muss aber auch im Auge behalten, dass das Ernährungssystem klimatauglich umgestaltet wird. Laut Weltagrarbericht sind Extremwetter in zwei Dritteln der weltweiten Ernährungs- oder Hungerkrisen der wesentliche Auslöser dieser Krisen. Trotz dieser Tatsache hat der Umbau des Ernährungssystems in den Klimaverhandlungen der Weltklimakonferenzen kaum eine Rolle gespielt. Das ist aus Sicht von Caritas international ein schwerwiegender Fehler, denn die Landwirtschaft spielt als Verursacherin wie auch Leidtragende beim Klimawandel eine zentrale Rolle. Ohne eine angepasste Landwirtschaft, ohne die lokalen Bauern, werden humanitäre Helfer künftig aufgrund von Extremwetterereignissen noch deutlich häufiger gegen Hungerkrisen ankämpfen müssen.
Schon jetzt ist es für Weltgemeinschaft und Hilfsorganisationen eine der großen Herausforderungen, die lokalen Ernährungssysteme in Zeiten der Klimakrise aufrechtzuerhalten. Zum Beispiel im Senegal, im Tschad und in Kenia, wo Caritas international in Hilfsprojekten gemeinsam mit Kleinbauern gegen die schleichende Versalzung und Versandung der Böden ankämpfen, die maßgeblich durch die Klimaveränderungen befördert wurden. Oder in Peru und Bolivien, wo in Caritas-Projekten mit der Förderung nachhaltiger Waldlandbau-Projekte sicherstellt wird, dass in besonders stark von der Klimakrise betroffenen Dörfern der Wasserhaushalt stabilisiert, die Bodenerosion gestoppt und der Artenreichtum gefördert wird, um somit den Menschen im Angesicht der Klimakrise ein Überleben zu sichern.
Es sind solche Schritte, oft sehr kleine, die zu gehen sind, um gerade in den ärmsten Ländern dieser Welt die Menschen effektiv vor den Folgen der Klimakrise zu schützen. Diese Menschen zu schützen ist eine Verpflichtung, die sich für uns zwingend aus der Forderung nach Klima- und Katastrophengerechtigkeit ergibt. Gleichzeitig müssen aber auch die großen Aufgaben, wie der klimaneutrale Umbau der Weltwirtschaft, international entschieden vorangetrieben werden. Beides muss zwingend zusammen gedacht werden. Auch auf der Weltklimakonferenz.
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Global denken, lokal handeln
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