Caritas-Bildungsbuddys sind nicht mehr wegzudenken
Das Projekt Caritas-Bildungsbuddys ist entstanden, um dem "Corona-Koller" in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe im Erzbistum Berlin entgegenzuwirken. In diesem "Flächenbistum", das im Norden bis zur Insel Rügen reicht, leben etwa 300 Kinder und Jugendliche mit und ohne Beeinträchtigungen in zehn Einrichtungen der stationären Jugendhilfe, die zum Netzwerk der Caritas und ihrer Mitgliedsorganisationen gehören. Wenn Eltern durch individuelle oder gesellschaftliche Belastungen ihren Kindern nicht mehr ausreichend gerecht werden und die Entwicklung und Gesundheit der Kinder gefährdet sind, werden diese Einrichtungen zum neuen "Zuhause".
Corona als Brennglas
Im März 2020 traf die Coronapandemie die Heranwachsenden in der stationären Jugendhilfe besonders hart. Und das pädagogische Personal musste plötzlich im 24-Stunden-Dienst zusätzlich die schulische Begleitung der unterschiedlichen Altersgruppen und Schultypen bewältigen - in der Regel mit einem Betreuungsschlüssel von acht bis zehn Kindern und Jugendlichen pro Pädagog:in und Schicht. Die technischen und intellektuellen Anforderungen der Schulen waren hoch, die meisten Einrichtungen dagegen nur unzureichend ausgestattet. Durch die reduzierten Kontakte zu Familie und Freunden, ausgefallene Therapien, mangelnde Rückzugsräume und fehlende externe Freizeitaktivitäten entstanden psychische und physische Mehrbelastungen. Hinzu kamen Vereinzelungstendenzen, Bewegungsmangel und ungesundes Essverhalten als Folgen der Pandemie.
Mit der Intensität eines Brennglases förderte die Pandemie einen Schwachpunkt zutage, der in der Kinder- und Jugendhilfe schon lange bekannt war: zu wenig Personal, um den komplexen Herausforderungen und tatsächlichen Bedarfen Heranwachsender individuell gerecht werden zu können. Gleichzeitig sollten die Kinder und Jugendlichen immer schneller möglichst gut "funktionieren".
Echte Beziehungen statt flüchtiger Nachhilfe
Die Situation erforderte pragmatisches Handeln. Zunächst wurde ein Ehrenamtlichen-Pool installiert. Er umfasste Lehrkräfte, Pädagog:innen und fachfremde Personen, die in den ersten Lockdowns noch freie Kapazitäten hatten. Viele kamen aus dem kirchlichen Umfeld, aus Schulen, Caritasdiensten und Gemeinden. Doch bald wurde deutlich: Es braucht mehr, eine grundlegendere und verlässlich abrufbare Struktur.
Dank großzügiger finanzieller Unterstützung durch Spendenmittel und Stiftungsgelder konnte das Projekt Caritas-Bildungsbuddys im Sommer 2021 starten. Seine besondere Stärke ist der ganzheitliche Ansatz, der Bildung und Freizeitaktivitäten in einer Person zusammenbringt. Bildungsbuddys sind vor allem Auszubildende und Studierende, die durch einen Nebenjob praktische Erfahrung im sozialen Feld sammeln möchten. Sie betreuen, begleiten und fördern Kinder und Jugendliche ähnlich einem "Personal Trainer" im Fitness-Studio. Sie unterstützen individuell bei Hausaufgaben und partizipativer Freizeitgestaltung, gegebenenfalls auch bei weiteren Verpflichtungen ihres:ihrer jeweils zu begleitenden Jugendlichen. Dabei werden sie selbst zu Vorbildern. Denn Kinder und Jugendliche benötigen für Bildungserfolge persönliche Begleitung vor Ort und eine echte Beziehungsebene, die Vertrauen schafft und erhält. Eine Nachhilfekraft, die nur punktuell vor Ort ist, kann das so nicht leisten.
Ein äußerst positiver Nebeneffekt: Aus Bildungsbuddys werden hin und wieder neue Kolleg:innen in der stationären Jugendhilfe.
Erfolg wissenschaftlich bestätigt
Um den Erfolg und die Nachhaltigkeit des Konzepts darstellen zu können, hat die Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB) das Projekt wissenschaftlich evaluiert. Anfang Juli 2023 wurden die Ergebnisse im Rahmen eines Fachtages präsentiert.2 Demzufolge tragen nahezu alle Heranwachsenden, die in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe leben, durch ihre schwierige familiäre Ausgangssituation einen "schweren Rucksack". Sie verfügen über wenig Ressourcen, den klassischen Schulalltag bewältigen oder anderen gesellschaftlichen Leistungsanforderungen gerecht werden zu können. Der Umzug ins "Heim" führt in der Regel zu einem weiteren Bruch in der Bildungsbiografie. Vor diesem Hintergrund haben sie weder Chancengleichheit gegenüber Gleichaltrigen noch ist eine echte gesellschaftliche Teilhabe möglich.
Die Evaluation ergab, dass der Einsatz der Caritas-Bildungsbuddys nachweislich positive Auswirkungen auf die Persönlichkeits- und Bildungsentwicklung der Kinder und Jugendlichen hat. So haben sich seit dem Projektstart Wissenslücken verringert sowie Lernmotivation und Leistungsbereitschaft gesteigert. Schul- und Ausbildungsübergänge wurden leichter bewältigt, und die Schuldistanz Einzelner hat abgenommen. Die begleitenden Sport- und Freizeitaktivitäten sind dabei ein stabilisierender Faktor. Die partizipative Beteiligung der Heranwachsenden stärkt ihr Selbstbewusstsein und dient dem Beziehungsaufbau.
Deutlich wird auch: Verbesserte Schulnoten sind erst ein später Indikator für den Erfolg. Zuvor müssen bei den jungen Menschen Grundlagen dafür geschaffen werden, sich selbst motivieren und organisieren zu können.
Eine Besonderheit ist, dass Bildungsbuddys nicht nur aus den klassischen sozialen Studien- oder Ausbildungsgängen kommen, sondern zum Beispiel auch aus der Betriebswirtschaftslehre, der Naturwissenschaft, Management-Studiengängen oder dem Gesundheitswesen. Diese fachliche Durchmischung beeinflusst das soziale Verständnis der Bildungsbuddys und die Entwicklung ihrer Haltungen nachhaltig und wirkt dadurch indirekt in die Zivilgesellschaft hinein: Im späteren Berufsleben - vielleicht als Personalverantwortliche:r - wird ein Bildungsbuddy Mitmenschen mit Jugendhilfe-Hintergrund anders begegnen und ihnen eher eine Chance geben.
Auch in Zukunft wird das Projekt gebraucht
Im Dezember 2021 besuchte Elke Büdenbender, Ehefrau des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, das Kinder- und Jugendhaus St. Josef in Neukölln, um die Arbeit der Bildungsbuddys kennenzulernen. Ihre Einschätzung: "Dieses Projekt sorgt dafür, dass die Chancen für junge Menschen aus Kinder- und Jugendhäusern verbessert werden. Es ist eine wichtige Hilfe, damit sie erfolgreich die Schule meistern können. Bildung ist ein zentraler Baustein für eine Perspektive in unserer Gesellschaft, und wir müssen allen Kindern die gleichen Chancen auf Bildung ermöglichen. Dazu leisten die Caritas-Bildungsbuddys einen klugen und hilfreichen Beitrag."
Die Bildungsbuddys zeichnen sich vor allem durch ihre hohe Flexibilität und Zeit für individuelle Begleitung aus. Für die Einrichtungen sind sie ein sehr wertvoller neuer "Kolleg:innen-Typ" geworden. Um ihren Einsatz auch künftig ermöglichen zu können, sind wir im Dialog mit der Sozialpolitik: Die Caritas-Bildungsbuddys sollen als dauerhaftes Instrument in der stationären Jugendhilfe etabliert und durch zusätzliche flexible Personalmittel im Kostensatz refinanziert werden. Denn sie ermöglichen echte Bildungs- und Teilhabechancen und werden auch in Zukunft gebraucht.
1. www.caritas-berlin.de/bildungsbuddys
2. www.caritas-berlin.de/arbeitundbildung/studentenjobs-jugendhilfe/fachtag-2023 (unter dem Reiter "Vorstellung der Projektevaluation" liegt der ausführliche Abschlussbericht mit den Ergebnissen der Projektevaluation zum Download bereit).
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