Wir sind in der Caritas ein Spiegelbild der Gesellschaft
Mit der Erklärung "Kein Platz für Fremdenhass" haben sich die niedersächsischen Diözesan-Caritasverbände Osnabrück, Hildesheim und der Landes-Caritasverband für Oldenburg 2016 klar gegen Rassismus positioniert: In ihr werden fremdenfeindliche Äußerungen von Caritas-Mitarbeitenden als triftiger Kündigungsgrund benannt. Jedoch braucht es für Thomas Uhlen, Landessekretär der Caritas in Niedersachsen, noch weitere Positiv-Beispiele, um in der Caritas für Rassismus zu sensibilisieren. Paula Zeiler von der neuen caritas wollte mehr dazu wissen.
Gibt es Rassismus auch innerhalb der Caritas?
Ja, es gibt Rassismus auch in der Caritas. Wir wären leichtgläubig zu sagen, dass es keinen Rassismus in unseren eigenen Reihen gibt. Denn mit fast 700.000 Mitarbeitenden sind wir natürlich auch ein Spiegelbild der deutschen Gesellschaft.
2016 haben die niedersächsischen Caritasverbände in einer gemeinsamen Erklärung "Propagierung von Fremdenhass" als Kündigungsgrund festgeschrieben. Warum haben Sie sich damals für diesen Schritt entschieden?
Gerade im Zuge der Flüchtlingspolitik in den Jahren 2015/2016 veränderte sich die Stimmung in der Gesamtbevölkerung. Das haben wir natürlich auch an verschiedenen Stellen in der Caritas in Niedersachsen gemerkt. Auslöser für unsere gemeinsame Erklärung "Kein Platz für Fremdenhass" war aber auch ein konkreter Vorfall: Caritas-Mitarbeitende hatten bei einer neuen Kollegin eine Radikalisierung auf Facebook erkannt und der Einrichtungsleitung gemeldet. Die Altenpflegerin hatte zu Beginn fremdenfeindliche Beiträge geteilt, später auch kommentiert. Dabei verwendete sie eine Sprachauswahl frei nach dem Motto "Die sollen alle wieder dahin zurückgehen, wo sie herkommen". Ihren Kollegen war nicht klar, wie man mit so einem Verhalten umgehen soll, vor allem, wenn sich die Betroffenen nicht einsichtig zeigen. Ist es noch private Meinungsäußerung? Deswegen war ein klares Signal der Dienstgeberseite nötig: Wir haben die Loyalitätsobliegenheiten genutzt und die Propagierung von Fremdenhass als Kündigungsgrund betont. In dem betroffenen Fall hat dies dazu geführt, dass das Dienstverhältnis mit der Mitarbeiterin nach der Probezeit nicht verlängert wurde.
Greift die Caritas in Niedersachsen damit nicht in das Privatleben ihrer Mitarbeitenden ein?
Wir in der niedersächsischen Caritas stehen dafür, dass sich Kirche und Caritas in vielen Bereichen nicht in die Privatsphäre von Mitarbeitenden einmischt. Natürlich haben Mitarbeitende ein Privatleben -, das sei ihnen auch gegönnt. Jedoch ist für uns klar: Rassismus ist keine Meinung, sondern Hetze und zu verurteilen.
Wie hat sich der Umgang mit der Problematik Rassismus seitdem in Ihrem Landesverband entwickelt?
Mit unserer gemeinsamen Erklärung haben wir nicht nur mit der großen Keule Kündigung gedroht, sondern auch die Kampagne #KeinPlatzFuerFremdenhass initiiert. Sie sollte dabei helfen, Fremdenhass zu erkennen und ihm entgegenzutreten. Ergänzt wurde die Aktion von Argumentationsseminaren gegen rechte Parolen und Fachtagen. Wir wollten unsere Dienstgemeinschaften und uns als Multiplikatoren gegenüber Klienten und Ehrenamtlichen stärken sowie innerverbandlich sensibler werden. In den letzten Jahren folgten weitere Initiativen, wie zum Beispiel die Gründung der Arbeitsgruppe "Politische Bildung" in Osnabrück. Das Ziel der Kooperation ist es, im kirchlichen Kontext des Bistums Aktivitäten und Angebote gegen Rechtspopulismus und für Demokratie zu beginnen.
Wie äußert sich Rassismus in den Diensten und Einrichtungen der Caritas?
Rassismus kann sich auf verschiedenen Ebenen äußern. Dass viele Menschen, die zu uns kommen, regelmäßig aufgrund ethnischer Herkunft oder aus rassistischen Motiven bei Wohnungs- oder Jobsuche und im Alltag diskriminiert werden, ist leider fast offensichtlich. Rassismus kann sich aber auch zwischen Mitarbeitenden und Klienten oder untereinander äußern. Gerade auf diesen letzten beiden Ebenen ist es mir wichtig, dass wir genauer hinschauen. Wird ein Kind aus Afghanistan mit seinem kulturellen Schatz in der Kindertagesstätte genauso wertgeschätzt wie ein Kind mit französischen Wurzeln? Zum Beispiel habe ich eine Kollegin, die Kopftuch trägt. Zu Beginn ihrer Tätigkeit, als sie noch niemand im Büro kannte, wurde sie oftmals angesprochen und darauf aufmerksam gemacht, dass die Migrationsberatung auf einem anderen Stockwerk sei. Aber warum wurde sie nicht direkt als neue Kollegin begrüßt? Ich denke, dass wir lernen müssen, Alltagsrassismus zu erkennen. Solange wir uns nicht in die Lage des Diskriminierten versetzen, bleiben wir blind dafür.
Wie bewerten Sie den aktuellen Stellenwert des Themas Rassismus innerhalb des Gesamtverbandes?
In den vergangenen Jahren ist viel passiert. Mir fallen auf Anhieb tolle Projekte im Diözesanverband Essen ein, die mit ausdrucksstarken Titeln wie "Tacheles für Toleranz" oder "Sach wat!" für Zivilcourage werben. Auf großen Demonstrationen für Vielfalt und Toleranz sind bundesweit viele Mitarbeitende aus unseren Verbänden unterwegs. Jedoch werden von Kampagnen und Aktionen derzeit hauptsächlich Caritas-Mitarbeitende angesprochen, die sowieso schon für das Thema Rassismus sensibilisiert sind. Deswegen sollte es für alle Mitarbeitenden mehr Anknüpfungspunkte geben, damit alle verstehen, dass Vielfalt zu uns gehört.
Was kann innerhalb der Caritas getan werden, um Mitarbeitende für das Thema Rassismus zu sensibilisieren?
Es wäre wichtig, dass in der Personal- und Organisationsentwicklung das Thema Rassismus viel mehr verankert wird. Damit es für alle Mitarbeitenden zum Thema wird. Auf manchen Verwaltungsebenen arbeiten kaum bis keine Menschen mit anderer Ethnie oder Hautfarbe. Das spricht für sich. Auch fände ich es sinnvoll, wenn Fortbildungsangebote gerade im Bereich der interkulturellen Kompetenz für alle Mitarbeitenden verpflichtend wären. Egal, ob im Personalbereich oder in der Kita. Am Schluss ist die Frage: Wer geht voran? Jeder Einrichtungsträger kann sagen: "Lass uns solche Angebote mit unseren Mitarbeitenden nutzen!" Das sind Fortbildungsangebote, die auf dem freien Markt zu bekommen sind. Man muss nur bewusst sagen: "Das brauchen wir!"
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