Wie solidarisch ist die Gesellschaft?
Es liegt in der Natur der Sache, dass die größte Impfkampagne in der Geschichte der Menschheit für gehörige Aufregung sorgt. Die einen sehnen sich danach; es kann ihnen nicht schnell genug gehen. Die anderen wollen lieber nicht die Ersten sein, wo doch alles so neu ist. Gefragt ist eine persönliche Entscheidung aus Einsicht und Umsicht.
Die Impfskepsis Einzelner als unprofessionellen und unsolidarischen Akt abzutun, wird der Situation nicht gerecht. Bei aktuell regionalen Unterschieden in der Impfbereitschaft von überdurchschnittlicher Skepsis beim Pflegepersonal zu spekulieren, ist nicht richtig. Die persönliche Zurückhaltung beim Impfen sinkt deutlich, wenn - vernünftig aufgeklärt - aus dem Impfszenario Wirklichkeit wird. Aufklärung heißt auch: Man nimmt die Fragen und Nöte der Pflegekräfte ernst.
Für die Impfung sprechen deren Wirksamkeit und engmaschig kontrollierte Verträglichkeit. Ohne Impfung (und ohne Medikamente) würde es in Talkrunden bald um gesellschaftliche Ausleseprozesse gehen, denn die gesundheitliche und soziale Bedrohung durch das Virus ist äußerst ungleich verteilt. Jetzt eine Impfpflicht für Pflegende zu fordern, ist kontraproduktiv. Bei ohnehin schon sehr verbreiteter und anwachsender Impfbereitschaft nun das Verantwortungsgefühl ganzer Berufsgruppen infrage zu stellen und damit Widerstände zu schüren, wäre fahrlässig.
Die aktuelle Impfstrategie trifft auf viele besorgte und empörungsbereite Menschen: Wenn etwas nicht auf Anhieb klappt, werden Schuldige gesucht und Vorwürfe adressiert. Natürlich gibt es berechtigte Kritik. Missachtet wird jedoch allzu oft, dass wir noch mitten in der weltweiten Pandemiebekämpfung stecken. Ein Durchbruch ist noch nicht erzielt, und ganze Länder und Kontinente zu impfen, ist ein Mammutprojekt.
Jetzt sind Geduld und Durchhaltevermögen gefragt. Diejenigen, die auf ihr Impfangebot noch warten müssen, brauchen einen langen Atem in diesem Wettrennen mit der Zeit. Es gilt, nicht nachzulassen beim Abstandhalten und Masketragen. Auch werden wir noch reichlich Schnelltests durchführen und aushalten müssen.
Erst in etlichen Monaten wird deutlich werden, ob die Virusbekämpfung als gelungen gelten kann. Am Umgang mit der Pandemie zeigt sich, wie solidarisch unsere Gesellschaft ist.