Digitale Fortschritte in sozialen Betrieben
Der Einsatz digitaler Medien in sozialen Betrieben" lautet der Titel eines europäischen Kooperationsprojekts, das seit Anfang 2019 vom Kölner Diözesan-Caritasverband geleitet wird. Ziel dieser Partnerschaft sind der grenzüberschreitende Austausch von Fachkräften und das Kennenlernen erfolgreicher Praxisbeispiele zum Einsatz digitaler Medien in Betrieben, die Menschen mit Behinderung oder mit gesundheitlichen Einschränkungen beschäftigen. Durch diese Förderung wird nicht nur der europäische Wissenstransfer in der beruflichen Bildung unterstützt, sondern auch die Möglichkeit, gemeinsame Ideen zu entwickeln. Am Projekt (www.digi4se.eu) beteiligt sind neben der Caritas soziale Betriebe aus Rumänien, Griechenland und Litauen sowie die Interessenvertretung sozialer Firmen auf europäischer Ebene (CEFEC) mit Sitz in Belgien.
Zum Projektstart war bei weitem nicht abzusehen, wie schnell die Corona-Pandemie die Digitalisierung weltweit beschleunigen sollte. In kürzester Zeit sind bis heute digita le Konferenzen in der Kommunikation salonfähig geworden. Auch in den vom europäischen Bildungsprogramm "Erasmus+" geförderten Partnerschaften spielen Telefon, Mail und Videokonferenzen nun die Hauptrolle. Nur einzelne Präsenzworkshops konnten bisher durchgeführt werden.
Wie zum Beispiel im Jahr 2019 in Köln: Referentinnen der TU Dortmund präsentierten dort verschiedene Pilotprojekte des Lehrstuhls für Rehabilitation. Im Rahmen des Modellprojekts "EJO - Elektronischer Jobcoach" werden etwa Arbeitsprozesse aus der Gastronomie, Hauswirtschaft, dem Gartenbau oder der Metallindustrie in Teilschritte zerlegt und durch Bilder oder Piktogramme in digitaler Form dargestellt. Sie stehen dann den Beschäftigten auf einem Smartphone oder Tablet am Arbeitsplatz zur Verfügung. So können Menschen mit kognitiven Störungen aufgrund von Unfall oder Erkrankung die jeweiligen Arbeitsschritte aufrufen, sollten sie den jeweiligen Handlungsschritt vergessen haben.
Berufliches Training durch "erweiterte Realität"
Die beiden Projekte "VIA4all" und "LernBAR" mit Ansatzpunkten für neue Ideen zur sogenannten "Augmented Reality" nutzen spezielle Brillen, um mit Hilfe "erweiterter Realität" das berufliche Training von Menschen mit Behinderung oder gesundheitlichen Einschränkungen zu verbessern. Ausgestattet mit Computer, Sensoren und Display ermöglichen die Brillen während der Arbeit den Zugriff auf Informationen, Videos und andere unterstützende Dienste.
Dass ein grenzüberschreitender Transfer von Ideen in die Praxis der Beschäftigungsförderung und Rehabilitation möglich ist, wurde am folgenden Beispiel deutlich: Der rumänische Partner Diakonia Sfantu Gheorghe ist Träger des "Irisz House" (Regenbogen-Haus), einer Tagesstätte für Menschen mit Behinderung. Diese bietet neben therapeutischer und sozialraumorientierter Arbeit auch Beschäftigungsfelder wie die Herstellung von Kerzen an. Der Austausch in Köln gab den Anstoß, einen Computerkurs für Menschen mit Behinderung zu initiieren. Vom bisherigen Verlauf und den Ergebnissen konnten sich die Projektpartner beim Treffen in Sfantu Gheorghe im Jahr 2019 überzeugen. Acht bis zehn Personen nehmen unter fachlicher Anleitung einmal wöchentlich am zweistündigen Kurs teil und lernen dabei den Umgang mit Hard- und Software
Vergessene Arbeitsschritte am Tablet abrufen
Eine der Teilnehmerinnen hatte zum Beispiel acht Jahre lang eine Schule für Menschen mit Behinderung besucht und konnte trotzdem nicht schreiben. In kurzer Zeit hat sie im Computerkurs das Alphabet gelernt, kann nun ihren Namen schreiben und formuliert erste kurze Sätze. Im Rahmen des Workshops in Sfantu Gheorghe informierten sich die Teilnehmenden darüber hinaus auch über die Möglichkeiten des Einsatzes von 3-D-Druckern in sozialen Betrieben.
Beim Treffen im litauischen Kaunas im Herbst 2019 stand der Besuch der beiden Restaurants "Mano Guru" und "First Pancake" auf der Agenda. Hier lernen Menschen mit Behinderung, mit psychischer Erkrankung oder Suchtkranke, wieder beruflich Fuß zu fassen. Die Qualifizierung in Küche und Service wird durch den Einsatz digitaler Geräte wie zum Beispiel der Computerkasse und des elektronischen Handgeräts unterstützt. Beim Besuch der Caritas in Kaunas wurde deutlich, dass arme und benachteiligte Personengruppen in Litauen digital ausgegrenzt sind, da sie sich ein Smartphone oder einen Computer nicht leisten können.
Strittig ist, ob Chancen oder Nachteile überwiegen
Digitale Kompetenz ist auch für benachteiligte Menschen eine der Schlüsselkompetenzen der Zukunft. Daher möchte die "Erasmus+"-Partnerschaft auch weiterhin einen Beitrag gegen die digitale und damit auch soziale Ausgrenzung benachteiligter Gruppen in Europa leisten. Noch steht die Digitalisierung in sozialen Betrieben am Anfang, und auch unter Experten ist strittig, ob sie ein Mehr an Chancen oder an Nachteilen bringen wird. Klar ist: Digitalisierung kann die Qualität der Arbeit und die Zufriedenheit am Arbeitsplatz erhö hen. Andererseits kann sie - vor allem bei Tätigkeiten mit geringem Qualifikationsniveau - auch zum Arbeitsplatzverlust führen. Deshalb müssen soziale Betriebe beim Einsatz digitaler Hilfen genau hinsehen.
Drei weitere transnationale Treffen stehen noch aus. Sie können natürlich erst dann stattfinden, wenn Reisen wieder möglich sind. Bis dahin werden in der Partnerschaft weitere Möglichkeiten der Digitalisierung erprobt: Etwa ein "Europäisches Webseminar" zur Nutzung von digitalen Lehr- und Lernmethoden.
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