Löhne in der Altenpflege steigen weiter
Im Entgeltatlas veröffentlicht die Bundesagentur für Arbeit jedes Jahr die Medianentgelte für verschiedene Berufsgruppen. Die aktuellen Zahlen für das Jahr 2020 zeigen, dass die Löhne in der Altenpflege - wie schon 20191 - erneut deutlich stärker gestiegen sind als in der gesamten Wirtschaft. Erstmals liegt die Vergütung von Fachkräften in der Altenhilfe sogar über der Vergütung aller Fachkräfte (neben Pflegefachkräften gehören dazu beispielsweise auch alle Beschäftigten mit einer abgeschlossenen, meist dreijährigen gewerblichen, kaufmännischen oder technischen Berufsausbildung).
Im Entgeltatlas werden die Medianentgelte von sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten verglichen. Der Median definiert genau die Mitte der Entgeltverteilung. Das heißt, genau die Hälfte der Beschäftigten verdient mehr und die andere Hälfte der Beschäftigten verdient weniger. Basis für den Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit sind die Meldedaten der Sozialversicherung, also sämtliche sozialversicherungspflichtigen Entgelte, die eine vollzeitbeschäftigte Person in einem bestimmten Kalenderjahr erhalten hat. Dies umfasst daher auch Zulagen, Einmalzahlungen sowie Zuschläge, die der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Der Entgeltatlas eignet sich deshalb besonders gut für Vergütungsvergleiche zwischen verschiedenen Berufsgruppen. Für den Bereich der Altenhilfe ("Berufe in der Altenpflege ohne Spezialisierung") können aus dem Entgeltatlas die Vergütungen für examinierte Fachkräfte ("fachlich ausgerichtete Tätigkeiten") und für Helfer(innen) ("Helfer-/Anlerntätigkeiten") entnommen werden.2
Pflegefachkräfte verdienen erstmals mehr als alle Fachkräfte
Der mittlere Bruttolohn von Fachkräften in der Altenhilfe lag im Jahr 2020 bei 3174 Euro (grüner Balken) und damit knapp über dem Median für alle Fachkräfte, die auf einen Bruttolohn von 3166 Euro (blauer Balken) kamen. Helfer(innen) verdienen hingegen mit 2357 Euro (blauer Balken) durchschnittlich mehr als Pflegehelfer(innen), die laut Entgeltatlas auf ein Medianentgelt von 2241 Euro (grüner Balken) kommen (siehe Abb. 1,).
Vergleich mit der Vergütung bei Caritas
Für den Bereich der Caritas liegen keine Medianentgelte vor. Ein (bedingt) vergleichbarer Wert soll daher an dieser Stelle als Hilfsgröße dienen: die Angaben der Faktenblätter der Dienstgeberseite der AK Caritas.3 In diesen Faktenblättern wird die Jahresvergütung von Vollzeitbeschäftigten in verschiedenen Berufen zu drei Zeitpunkten dargestellt. Enthalten sind jeweils alle Vergütungsbestandteile. Das sind neben dem Tabellenentgelt insbesondere monatliche Zulagen sowie die Jahressonderzahlung. Nicht berücksichtigt sind hingegen Zuschläge (zum Beispiel für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit), die zumindest teilweise sozialversicherungspflichtig sind. Nicht eingerechnet sind außerdem Leistungen des Arbeitgebers, die sich nicht in den laufenden oder einmaligen Zahlungen der Beschäftigten widerspiegeln. Dies gilt insbesondere für die betriebliche Zusatzversorgung im Bereich der Caritas, die sowohl im absoluten als auch im relativen Vergleich durchaus eine nennenswerte Größe darstellt. Im Großen und Ganzen ist die Zusammensetzung der in den Faktenblättern ausgewiesenen Monatswerte mit der Zusammensetzung der Werte aus dem Entgeltatlas vergleichbar. Zu beachten ist dabei die Tatsache, dass es sich bei den Vergütungen in den Faktenblättern um zeitpunktbezogene Werte und nicht um mittlere Werte handelt. Im weiteren Verlauf wird ein Durchschnitt dieser drei Werte als Vergleichsgröße herangezogen. Außerdem wird für die Ermittlung der Werte für Deutschland ein gewichteter Durchschnitt⁴ der Vergütungen in den Regionen verwendet.
Die so ermittelten Werte für den Bereich der Caritas sind in der Abbildung als rote Balken dargestellt. Demnach verdienen Fachkräfte bei der Caritas durchschnittlich 3481 Euro und damit sogar mehr als der Durchschnitt der Vollzeitbeschäftigten aller Branchen, die auf ein Medianentgelt von 3427 Euro kommen (blauer Balken ganz rechts). Auch Pflegehelfer(innen)⁵ im Bereich der Caritas kommen mit 2763 Euro auf ein Bruttoentgelt, das deutlich über dem der aus dem Entgeltatlas betrachteten Helfer(innen) liegt. Dies gilt auch, wie Abb. 2 (rechts) zeigt, wenn man die Medianentgelte für Ost- und Westdeutschland betrachtet.
Der mittlere Bruttolohn von Beschäftigten in der Altenhilfe bei der Caritas (rote Balken) ag im Jahr 2020 sowohl für Fachkräfte als auch für Helfer(innen) im Osten und im Westen deutlich über den im Entgeltatlas ausgewiesenen Medianentgelten für Beschäftigte in allen Bereichen (blaue Balken) und in der Altenhilfe (grüne Balken). Dabei fällt außerdem auf, dass die Unterschiede zwischen Ost und West im Geltungsbereich der AVR Caritas kleiner ausfallen als in den im Entgeltatlas betrachteten Bereichen. Dies gilt für Fach- und Hilfskräfte gleichermaßen.
Vergütung in der Altenhilfe entwickelt sich dynamisch
Durch die seit dem Jahr 2010 durch die vier bisherigen Pflegekommissionen festgesetzten Mindestarbeitsbedingungen in der Pflegebranche wurden die Mindestentgelte für Pflegehelfer(innen) kontinuierlich und im Vergleich zu den sonstigen Tarifentgelten überproportional erhöht. Außerdem hat die vierte Pflegekommission die Angleichung der Mindestentgelte in Ost- und Westdeutschland beschlossen. Seit dem 1. September 2021 gilt für Pflegehelfer(innen) in Deutschland ein einheitlicher Mindestlohn in Höhe von zwölf Euro pro Stunde. Darüber hinaus gilt seit 1. September 2021 auch erstmals ein Mindestlohn in Höhe von 15 Euro pro Stunde für Fachkräfte im Bereich der Altenpflege. Dies wirkt sich auch auf die sonstigen Pflegelöhne aus, wie die weiterhin dynamische Entwicklung der Medianentgelte in der Altenhilfe zeigt. Damit sich Ausbildung und Verantwortung weiterhin lohnen, müssen nämlich auch die Löhne von Fachkräften steigen, so dass sich im Endeffekt durch die Erhöhung der Pflegemindestlöhne das gesamte Lohngefüge nach oben verschiebt. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass die fünfte Pflegekommission bald einberufen wird. Anders als bisher wird die fünfte Pflegekommission als ständige Kommission für fünf Jahre eingesetzt.
Belegen lässt sich die Dynamik ebenfalls anhand der Zahlen des Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit. Die Steigerungsraten der Medianentgelte in der Altenhilfe sind von 2019 auf 2020 erneut durchgehend deutlich höher ausgefallen als bei allen im Entgeltatlas erfassten Beschäftigten. Dies gilt auch, wenn man die unterschiedlichen Qualifikationsniveaus "Helfer(in)" und "Fachkraft" betrachtet. In der Tabelle (S. 30, unten) werden die prozentualen Steigerungen von 2019 auf 2020 im Vergleich dargestellt.
Das Medianentgelt für Fachkräfte und Helfer(innen) aus allen Bereichen ist von 2019 auf 2020 lediglich um 0,83 (0,99) Prozent gestiegen, wohingegen Fachkräfte und Helfer(innen) in der Altenhilfe von einer deutlichen Steigerung um 4,68 (4,43) Prozent profitieren. Über alle Branchen ist das Medianentgelt sogar nur um 0,76 Prozent gestiegen. Hauptgrund für diese niedrige Steigerung außerhalb der Pflegebranche ist die in vielen anderen Wirtschaftsbereichen aufgrund der Coronapandemie umfangreich eingesetzte Kurzarbeit, die dort zu Einkommensverlusten geführt hat. Noch höher fallen erneut die prozentualen Steigerungen in der Altenhilfe in Ostdeutschland aus. So haben sich die Medianentgelte für Fachkräfte in der Altenhilfe in Ostdeutschland um ganze 7,06 Prozent erhöht. Helfer(innen) haben von einer Steigerung in Höhe von 5,67 Prozent profitiert. Das entspricht ungefähr der Steigerung des Pflegemindestlohns im Osten in Höhe von 6,16 Prozent.
Im Bereich der Caritas sind die vergleichbaren Vergütungen im Osten von 2019 auf 2020 um 4,42 bis 5,5 Prozent gestiegen. Im Westen lag die Steigerung in diesem Zeitraum mit 1,74 bis 2,83 Prozent niedriger. Hier sei jedoch auf die in der Tarifrunde 2020 für 2021 vereinbarten Steigerungen hingewiesen. Diese liegen - auch aufgrund neu eingeführter Zulagen im Pflegedienst - für die betrachteten Berufsgruppen in der Altenhilfe zwischen vier und deutlich über sechs Prozent.
Die Zahlen des Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit zeigen im Vorjahresvergleich außerdem, dass die Entgelte in der Altenpflege im letzten Jahr deutlich stärker gestiegen sind als in der gesamten Wirtschaft. Es ist davon auszugehen, dass sich der Fachkräftemangel beziehungsweise der Wettbewerb um Köpfe inzwischen auf die Entgelte auswirkt. Doch nicht nur das: Insbesondere in Ostdeutschland sind die Entgelte im Vorjahresvergleich prozentual angestiegen. Diese Entwicklung zeigt deutlich, dass sich die Ergebnisse der Pflegekommission auch auf die Medianentgelte und deren Entwicklung positiv auswirken.
Caritas zahlt gleiche Löhne in Krankenhaus und Altenheim
Für den Bereich der Caritas ist ergänzend anzumerken, dass die festen Vergütungen in der Alten- und Krankenpflege gleich hoch und mit dem in den Studien ausgewiesenen Niveau für Beschäftigte in der Krankenpflege vergleichbar sind. Grundsätzlich sind nämlich die Vergütungen in der Altenhilfe und im Krankenhaus in den AVR Caritas für gleiche Tätigkeiten gleich hoch. Dennoch ist anzumerken, dass der Anteil der Beschäftigten mit schwierigen Tätigkeiten oder mit Fachweiterbildung im Krankenhaus höher ist als in der Altenhilfe. Diese Pflegefachkräfte sind zum Beispiel in den AVR nicht in der Entgeltgruppe P 7, sondern in den Entgeltgruppen P 8 oder P 9 eingruppiert. Auch bei den Hilfskräften ist im Bereich der Krankenhäuser der Anteil der Beschäftigten mit mindestens einjähriger Ausbildung, die in den AVR in der Entgeltgruppe P 6 eingruppiert sind, deutlich höher als in der Altenhilfe, wo die Hilfskräfte ohne Ausbildung (P 4) dominieren. Einen genauen Überblick über die verschiedenen Tätigkeiten und die aktuelle Zusammensetzung und Höhe der Vergütung im Bereich der Caritas liefern die bereits eingangs erwähnten "Faktenblätter Vergütung".3
Die beschriebene unterschiedliche Zusammensetzung der im Entgeltatlas abgebildeten zwei Gruppen Fachkräfte ("fachlich ausgerichtete Tätigkeiten") und Helfer ("Helfer-/Anlerntätigkeiten") in der Altenhilfe und im Krankenhaus kann auch als Erklärung für einen Teil des immer noch großen Unterschieds zwischen beiden Bereichen in den Publikationen zum Entgeltatlas herangezogen werden. Eine differenziertere Betrachtung ist aber aufgrund der durch die Klassifikation der Berufe (KldB 2010) vorgegebenen Kategorien, die Basis für Sozialversicherungsmeldungen sind, im Entgeltatlas nicht möglich.
Refinanzierung im Blick behalten
Die Löhne in der Altenhilfe sind in den letzten Jahren überproportional gestiegen. Inzwischen verdienen auch Fachkräfte in der Altenhilfe, die nicht im Bereich der Caritas arbeiten, mehr als alle Fachkräfte im Durchschnitt. Aufgrund der Finanzierungslogik in der Altenhilfe führen höhere Löhne automatisch zu höheren Kosten für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen. In diesem Zusammenhang müssen die Fragen der Refinanzierung und der "Bezahlbarkeit" weiterhin im Fokus bleiben. Dies gilt sowohl für die Politik, die hier endlich Antworten geben muss, als auch für die Gesellschaft als Ganzes, die über "Bedeutung" und "Preis" von professioneller Pflege diskutieren muss.
Anmerkungen
1. Siehe neue caritas Heft 21/2020, S. 18-21, online unter Kurzlink https://bit.ly/3E6vR9P
2. Vgl. https://entgeltatlas.arbeitsagentur.de; methodische Hin[1]weise und Grenzen des Entgeltatlas: https://arbeitsagentur.de/entgeltatlas/hilfe
3. Download unter www.caritas-dienstgeber.de/publikationen/faktenblaetter-2021.html (unter der Rubrik "Faktenblätter als ZIP-Datei" stehen auch die Faktenblätter 2020 zum Download zur Verfügung, die Basis für die Vergleichszahlen für den Bereich der Caritas sind.
4. Der Durchschnitt wird auf Basis der Beschäftigtenzahlen in den Regionen ermittelt. Dabei wird wegen der Vergleichbarkeit auf die Zahlen des Entgeltatlas zurückgegriffen (80 Prozent West, 20 Prozent Ost). Die beiden Tarifgebiete der Region Ost im Bereich der Caritas werden gleich gewichtet.
5. In den ausgewiesenen Eurowert gehen sowohl Pflegehelfer(innen) ohne Ausbildung (85 Prozent) wie solche mit einjähriger Ausbildung (15 Prozent) ein.
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