Eine aktivierende Alterspolitik der Landkreise verbessert die soziale Infrastruktur
Ältere Menschen sind heute so gesund und materiell gut gestellt wie keine Generation vor ihnen. Sie engagieren sich in vielfältiger Weise für ihre Interessen, ihre Familien und das Gemeinwesen. Zugleich nimmt aber auch die Zahl der Demenzerkrankungen, der Pflegebedürftigen sowie älterer Menschen mit Behinderungen zu.
Eine aktive und vorausschauende Alterspolitik der Landkreise als maßgeblich verantwortlicher kommunaler Ebene verbessert die soziale Infrastruktur für ältere Menschen und ihre Angehörigen. Die Landkreise erbringen, verantworten und initiieren zusammen mit ihren kreisangehörigen Gemeinden vielfältige Leistungen und Angebote. Nicht alles muss von ihnen selbst gewährt oder organisiert werden. Die Wohlfahrtsverbände sind hier ein verlässlicher Partner. Der Beitrag skizziert zehn Handlungsfelder, die in den Landkreisen nach den örtlichen Gegebenheiten und Erfordernissen ausgefüllt werden.1
Selbstbestimmung und Teilhabe
Ältere Menschen verfügen über ein breites Spektrum an Erfahrungen, Wertevorstellungen und Orientierungen. Sie sind eine heterogene soziale Gruppe. Für alle geht es darum, ihre Selbstbestimmung und Teilhabe an der Gesellschaft zu sichern. Daher ist von großer Bedeutung, dass Hilfen nicht erst dann ansetzen, wenn eine Selbstversorgung nicht mehr möglich ist, sondern schon weit vorher greifen. Hier gibt es eine Fülle unterschiedlicher Unterstützungsangebote. Wichtig ist, dass diese frühzeitig in Anspruch genommen werden, um die Lebenssituation so weit wie möglich verbessern zu können.
Altersgerechte Dienstleistungen
Soziale und hauswirtschaftliche Dienstleistungen wie handwerkliche Hilfsdienste, Fahr-, Besuchs- und Essensdienste, Unterstützung rund ums Haus und bei alltäglichen Verrichtungen ermöglichen vielfältige Unterstützung für ältere Menschen. Für generationenübergreifende beziehungsweise intergenerative Maßnahmen eignen sich Mehrgenerationenhäuser, Familienzentren, lokale Bündnisse für Familien etc., die auf unterschiedliche Weise unter einem organisatorischen Dach Dienstleistungen anbieten. Zunehmend werden wieder Sozialstationen und Gemeindeschwestern gefördert, die in den ländlichen Räumen gleichfalls kooperativ Hilfe erbringen.
Flexible Altenhilfestrukturen
Durch Beratungs- und Koordinierungsstellen, ambulante Hilfen und die strukturelle Vernetzung von Angeboten kann es älteren, behinderten oder pflegebedürftigen Menschen ermöglicht werden, länger ein selbstständiges Leben in der eigenen Häuslichkeit zu führen. Die Lebensbedingungen müssen im Sozialraum so gestaltet werden, dass sie dem Entstehen besonderer Unterstützungsbedarfe entgegenwirken. Die Leistungen werden vielfach über den sozialen Bereich hinaus mit dem Wohnumfeld und Mobilitätsangeboten wie dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) verbunden. Denn die Sicherstellung der Mobilität ist für ältere Menschen sehr wichtig.
Die Altenhilfe wird von den Landkreisen als übergreifende, präventiv ausgerichtete und sozialraumorientierte Angebots- und Infrastrukturentwicklung verstanden. Dies setzt die ständige Analyse der sich wandelnden Bedarfs- und Versorgungssituation sowie die Fortschreibung einer flexiblen und dynamischen Infrastrukturplanung voraus. Rechtliche Änderungen bei der Altenhilfe sind nicht nötig. Sie ist Pflichtaufgabe und wird von den Landkreisen vielfältig umgesetzt. Um den regional sehr unterschiedlichen strukturellen Veränderungen begegnen zu können, bedarf es weiterhin großer Gestaltungsspielräume in der Praxis.
Die digitale Transformation
Die ganz überwiegende Zahl der Landkreise stellt sich den Herausforderungen der digitalen Transformation seit Jahren in einem strukturierten, ganzheitlichen Vorgehen. Digitale Technologien können zur Vernetzung im Sozialraum beitragen und helfen, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erleichtern. Dabei muss jeder Landkreis eine für die eigenen Voraussetzungen passende Digitalisierungsstrategie (weiter-)entwickeln. Vor allem in ländlichen Räumen sollten Ansätze der digital gestützten kommunalen Daseinsvorsorge gemeindeübergreifend konzipiert werden.
Digitalisierungsprojekte für ältere Menschen reichen von appbasierten Mitfahrdiensten über Lieferservices lokaler Läden oder Apotheken bis zu digitalen Angeboten im Bereich der Pflege und E-Health. Dafür muss flächendeckend der Ausbau von Breitband und Mobilfunk vorangetrieben werden. Zugleich liegt es in der Hand der Betroffenen, digitalen Technologien offen zu begegnen und sie zu nutzen.
Fundierte Beratung
Unbeschadet der Potenziale von Digitalisierung bleibt die persönliche Beratung unvermindert wichtig. Beratungsstellen in den Landkreisen informieren über die vor Ort zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie, der Pflegeleistungen und weiterer Hilfeangebote. Die (Pflege-)Wohnberatung ermöglicht es, das häusliche Umfeld so zu gestalten, dass ein Verbleib in der eigenen Wohnung für alte Menschen möglichst lange möglich ist. Auch der Allgemeine Soziale Dienst und der Sozialpsychiatrische Dienst des Landkreises beraten und unterstützen gerontopsychiatrisch erkrankte Menschen und ihre Angehörigen oder Personen im näheren Umfeld. Diese Angebote werden komplettiert durch Informationen über die Leistungen anderer Leistungsträger (Pflegeversicherung, Schwerbehindertengesetz, BTHG, Rente etc.). Wichtig ist, dass die Beratung anbieterunabhängig erfolgt. Für Menschen mit Migrationshintergrund ist die kultursensible Altenhilfe wichtig.
Gesundheitsförderung und Prävention
Gesundheitsförderung und gesundheitliche Prävention haben einen hohen Stellenwert für jeden Einzelnen und für die Gesellschaft. Es gilt, Krankheiten zu vermeiden, die kognitiven Fähigkeiten zu erhalten und physisch wie psychisch vital zu bleiben. Darin liegt nicht zuletzt der Schlüssel für eine aktive Lebensführung im Alter, zum Beispiel durch Freizeit-, Gesundheits-, Kommunikations- und Bildungsangebote.
Über den öffentlichen Gesundheitsdienst werden ergänzend zu den Krankenkassen vielfältige Maßnahmen der Gesundheitsförderung und der gesundheitlichen Prävention angeboten. In Zusammenarbeit mit (Kreis-)Krankenhäusern und deren Sozialdiensten und Reha-Kliniken kommt es auf eine sinnvolle Überleitung nach dem Krankenhausaufenthalt oder der Reha-Maßnahme an.
Bürgerschaftliches Engagement
Ohne die Mobilisierung bürgerschaftlichen Engagements wird die notwendige Stärkung von Unterstützungsleistungen für ältere Menschen nicht möglich und nicht finanzierbar sein. Daher kommen der netzwerkorientierten Gemeinwesenarbeit und dem Ehrenamt große Bedeutung zu, sowohl dem jenigen älterer Menschen selbst als auch dem Engagement für ältere Menschen. Die Landkreise unterhalten vielfältige Strukturen zur Stärkung und Begleitung des Ehrenamts: Freiwilligenagenturen, Ehrenamtsbörsen, Seniorenbüros. Auch die Kreisvolkshoch[1]schulen leisten hier seit Jahren eine wichtige Arbeit. Durch aktive Einbindung Älterer können ihre Ressourcen für ein gesellschaftliches Engagement genutzt, ihre Aktivierung gefördert und zugleich Vereinsamung vorgebeugt werden.
Unterstützung Angehöriger
Zwei Drittel der pflegebedürftigen Menschen werden zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt. Die Landkreise erbringen familienentlastende und familienunterstützende, auch regenerativ wirkende Unterstützungsangebote, die es Familien erleichtern, ihre Angehörigen zu betreuen und zu pflegen. Zugleich muss die Einzelfallkompetenz betreuender und pflegender Angehörigen gefördert werden, um die Pflegebereitschaft im häuslichen Umfeld zumindest zu erhalten, wenn nicht zu erhöhen.
Betreuungsrecht
Wer seine Angelegenheiten nicht mehr selbstbestimmt regeln kann, dem wird ein vom Gericht bestellter rechtlicher Betreuer zur Seite gestellt. Als örtliche Betreuungsbehörde klären die Landkreise über Vorsorge in Form der Vorsorgevollmacht und der Betreuungsverfügung auf und beraten und unterstützen die in der Regel ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer. Liegen Anhaltspunkte für einen Betreuungsbedarf vor, vermitteln die Landkreise andere Hilfen, die eine rechtliche Betreuung vermeiden können.
Wirkungsvolles Verbundsystem
Das breite Spektrum kommunaler Hilfen wird im Landkreis koordiniert und vernetzt und idealerweise in einem seniorenpolitischen oder generationenübergreifend in einem sozialpolitischen Konzept mit der Kreisentwicklungsplanung zusammengeführt.
Um eine bedarfsgerechte und sozialraumorientierte Infrastruktur auch in der Pflege zu erhalten beziehungsweise zu entwickeln, muss eine wirkungsvolle Pflegeinfrastrukturplanung der Landkreise ermöglicht werden, die sich am tatsächlichen Bedarf orientieren kann. Die Kreispflegeplanung muss daher bei der Zulassung von Pflegeheimen und ambulanten Diensten verbindlich berücksichtigt werden. Hierfür bedarf es gesetzlicher Grundlagen im SGB XI sowie in den Landespflegegesetzen.
Anmerkung
1. Der Beitrag komprimiert das Positionspapier des Deutschen Landkreistages "Handlungsfelder für eine aktivierende Alterspolitik der Landkreise" vom 23. März 2021. Download unter: www.landkreistag.de/images/stories/themen/Senioren/210323_PosPap_Aktivierende_Alterspolitik.pdf
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