Steigende Privatverschuldung
Familie S. hatte sich ein neues Auto anschaffen müssen und ein weiteres Darlehen für die Sanierung ihres geerbten kleinen Hauses bekommen. Die finanzielle Situation der Familie mit zwei kleinen Kindern war eng, aber mit guter Haushaltsplanung kamen sie über die Runden. Dann kam die Pandemie: Kurzarbeit für den Vater, der Minijob der Mutter fiel weg. Das ganze Finanzgebäude der jungen Familie brach zusammen. Nie hätten sie gedacht, dass sie jemals den Weg zu einer Schuldnerberatung suchen müssten.
Solche Beispiele gibt es viele! Aus einer Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) geht hervor, dass zwei Drittel der gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen im ersten Halbjahr 2021 einen markanten Anstieg der Anfragen nach Beratung im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie verzeichnen. Bei jeder fünften Beratungsstelle ist die Nachfrage um mehr als 30 Prozent gestiegen. Allein 41 Prozent der Beratenden geben an, dass Ratsuchende aufgrund von Kurzarbeit die Beratungsstellen aufsuchen. Deutlich sind auch die Anfragen von Solo-Selbstständigen gestiegen.
Mit besonderer Sorge blicken die Beratenden auf die stark steigenden Kosten für Energie, Mobilität und Lebenshaltung. Die teilweise explodierenden Mietpreise sind schon seit Jahren ein Problem, bei den Energiepreisen wird sich die Situation voraussichtlich noch zuspitzen.
Die alarmierenden Ergebnisse der Umfrage machen deutlich, dass zunehmend mehr Menschen auf kompetente, nachhaltige Unterstützung angewiesen sind, um einen Weg aus der Überschuldung zu finden. Leider bekommen Ratsuchende nicht überall in Deutschland einen kostenfreien Zugang zu einer seriösen Schuldnerberatung. Aktuell haben nach Gesetz nur bestimmte Gruppen, unter anderem Erwerbslose, einen Anspruch auf eine kostenlose Beratung.
Die Caritas fordert für die vielen betroffenen Haushalte zusätzliche Kapazitäten in der Beratung und einen offenen Rechtsanspruch auf Zugang zu einer gemeinnützigen Schuldnerberatung für alle Zielgruppen, so beispielsweise für Erwerbstätige und Solo-Selbstständige, Rentnerinnen und Rentner.
Die Pandemie macht deutlich, wie sehr Menschen mit knappen finanziellen Ressourcen auf Beratung angewiesen sind. Die Caritas und die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände AG SBV werden sich dafür einsetzen, dass ihre Forderungen in die Koalitionsverhandlungen einfließen.