Kochen und Essen dient zu weit mehr als nur der Nahrungsaufnahme

Die Hauswirtschaft wird immer mehr zur prägenden und mitgestaltenden Profession in der Altenpflege. In Hausgemeinschaftskonzepten, in ambulant betreuten Wohngruppen, in Tagespflegen und in der ambulanten Versorgung zu Hause erweitern und verändern sich die hauswirtschaftlichen Handlungsfelder. Integriert in die klassische Versorgung haben sich fördernde und aktivierende Angebote etabliert und werden an vielen Stellen als dringend notwendig sichtbar.

Die fachliche Grundlage dazu ist das Handlungskonzept der hauswirtschaftlichen Betreuung, das aktuell in der Ausbildung zur Hauswirtschafterin neu verankert wurde.¹ Die neue Verordnung wird in Kürze veröffentlicht und mit dem Ausbildungsjahr 2020/2021 umgesetzt.

In der Hauswirtschaft spielen die Wirkungen der Dienstleistungen eine immer größere Rolle. Mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und den neuen Qualitätsprüfungsrichtlinien (QPR) steht der Mensch im Mittelpunkt. Alle Lebensbereiche werden ganzheitlich betrachtet. Die Aufgaben der Hauswirtschaft, Menschen bei der Alltagsversorgung zu unterstützen beziehungsweise die Versorgung zu übernehmen, erhalten so einen ganz anderen Stellenwert. 

Wie alle Menschen haben demenzielle Erkrankte das Grundbedürfnis, im Alltag versorgt zu sein. Mit den fortschreitenden Veränderungen im Gehirn wird die eigenständige Gestaltung des täglichen Lebens beeinträchtigt. Das führt dazu, dass Alltagshandlungen, die das ganze Leben lang sicher ausgeführt werden konnten, Schwierigkeiten bereiten beziehungsweise gar nicht mehr getätigt werden können. Das ist ein großer Verlust. Doch eine Lösung, die alle Aufgaben der Alltagsversorgung abnimmt, ist kontraproduktiv. Ohne diese Aktivitäten ist das Leben leer und Apathie tritt ein.

In einer Umgebung zu leben - ob im Heim oder im eigenen Zuhause -, in der all das, was zum Leben und zum Alltag dazugehört, einfach da ist, stellt einen guten Rahmen dar. Wenn Mitarbeiter(innen) Angebote machen, am Leben teilzunehmen und eingebunden zu sein, wird der Mensch sehr unterschiedlich aktiviert. Mitarbeiter(innen), die zum Beispiel in einer Wohnküche Bewohner(innen) versorgen, machen schon mit dem Erledigen ihrer Aufgaben Angebote, zu beobachten, Kontakt aufzunehmen und in Beziehung zu treten: Neben der aktiven Beteiligung beim Kochen sind auch schon kleine Gespräche oder das Beobachten der Aktivitäten in der Küche aktivierend wirksam. Hier hat die Hauswirtschaft ein breites Repertoire, wenn man noch die Bereiche Reinigung und Wäschepflege mit hinzunimmt, das genutzt werden kann. Voraussetzung dafür ist, die Mitarbeiter(innen) für hauswirtschaftliches Handeln im Sinne der hauswirtschaftlichen Betreuung zu qualifizieren. Ein Handeln, das die zu betreuende Person in den Mittelpunkt stellt und darauf ausgerichtet ist, mit dem Gegenüber immer wieder Kontakt aufzunehmen, unterscheidet sich vom klassischen Versorgungshandeln.

Die Leistungen der Hauswirtschaft neu betrachtet

Durch die Brille der hauswirtschaftlichen Betreuung betrachtet werden in der Hauswirtschaft neue Facetten deutlich, beispielsweise bei den Mahlzeiten. Der Blick geht nicht mehr alleine auf die Speisen und Getränke oder den gedeckten Tisch. Die Mahlzeit als Ganzes rückt in den Mittelpunkt. Die Zeiten der Vorbereitungen und des Essens und Trinkens sind wertvolle Zeiten, genauso wie die Orte, an die man sich zum Essen begibt.

Die Mahlzeiten: wichtig, wertvoll, bereichernd

• Mahlzeiten nehmen im Laufe des Tages eine nicht unwesentliche Zeit ein. Ihre Bedeutung und Wirkung sind sehr vielfältig.
•  Das Bedürfnis nach Sättigung wird befriedigt. 
•  Die Energie- und Nährstoffbilanz wird ausgeglichen.
•  Mahlzeiten stiften Gemeinschaft.
•  Mahlzeiten sind Rituale, die dem Leben einen Rahmen und dem Alltag eine Struktur geben. 
•  Mahlzeiten sind Gelegenheiten zur Begegnung und Kommunikation.

Wenn dieser Auffächerung die Bedürfnisse von Menschen gegenübergestellt werden, wird deutlich, dass sie bei jeder Mahlzeit vielfältige Angebote zu ihrer Befriedigung erhalten. Mahlzeiten werden in der Regel von hauswirtschaftlichen Mitarbeiter(inne)n begleitet, deshalb ist es wichtig, dass ihre Beobachtung und Wahrnehmung geschult wird. Es sollten Regelungen eingeführt werden, dass diese Beobachtungen im Betreuungs-, Pflege- und Versorgungsansatz sichtbar werden.

Wie Mahlzeiten wirken können, kann in drei Dimensionen dargestellt werden: der physischen, der psychischen und der sozialen:

Physische Dimension

Mahlzeiten halten den Menschen am Leben und in Bewegung!

• Alters- und situationsgerechte Versorgung mit lebensnotwendigen Nährstoffen, Vitaminen, Mineralstoffen usw. und mit Flüssigkeit;
• Stabilisierung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit;
• Linderung von ernährungsabhängigen Krankheiten;

• Aktivitäten: fein- und grobmotorische Bewegungen, Koordinationshandlungen, gerichtete Tätigkeiten.
  

  Psychische Dimension

  Mahlzeiten tun der Seele gut!
• Genuss;
• Wohlfühlen;
• sich sicher fühlen;
• sich versorgt fühlen;
• Geborgenheit;
• Zugehörigkeit;
• Liebe;
• Wertschätzung
  

  Soziale Dimension

• Mit Mahlzeiten sind folgende Aufgaben und Rollen verbunden:
• Gast oder Gastgeber(in) zu sein;
• Kontakte zu haben;
• Gespräche zu führen;
• Wertschätzung zu geben und zu empfangen.

Der Ansatz, die Wirkungen hauswirtschaftlicher Dienstleistungen sichtbar zu machen, kann mit unterschiedlichen Blickwinkeln erfolgen. Der oben gewählte Ansatz ist bewusst allgemein gehalten, ohne auf unterschiedliche Bewohnergruppen einzugehen. Werden einzelne Gästegruppen mit ihren Besonderheiten betrachtet, dann ist es möglich, auch differenziertere Aussagen zu machen.

Diese Vorgehensweise hat das Ziel, die Perspektive zu erweitern und die Hauswirtschaft aus der Ecke herauszuholen, dass sie "einfach nur" versorgt. Es muss darum gehen, deutlich zu machen, was hauswirtschaftliches Versorgungs- und Betreuungshandeln bei Menschen mit demenziellen Veränderungen an positiven Wirkungen zeigt. Bei demenziellen Veränderungen kann momentan noch nicht die Frage nach einer heilenden Wirkung gestellt werden. Es geht dabei um Förderung und Unterstützung in der Alltagsgestaltung, Ermöglichung von Lebensqualität, Beteiligung, Dazugehören und Aktivsein.

Fachlich begründete Neuausrichtung in der Altenpflege

Die Erkenntnis, dass insbesondere bei demenziellen Veränderungen eine Neuausrichtung in der Altenpflege der einzige Weg ist, der den Menschen helfen kann, in ihrem Leben so gut wie möglich zurechtzukommen, haben verschiedene Gerontolog(inn)en in die Altenhilfe getragen. Hier können Namen wie Tom Kitwood, Cora van der Kooij oder auch Erwin Böhm genannt werden. Ihre Ansätze kommen zum Tragen, wenn sie von allen Professionen in gleicher Art und Weise gelebt werden. Und hier darf sich die Hauswirtschaft nicht herausnehmen, sondern muss aktiv mitgestalten. Die Profession in ihrer Zuständigkeit für die Aufgaben des Alltags trägt viele Schätze in sich, die noch gehoben werden können, wenn ihr der Rahmen dazu bereitgestellt wird. Dazu gehören fachlich qualifizierte Mitarbeiter(innen) und eine auf das neue Leistungsspektrum ausgerichtete Leitungsstruktur in den Heimen wie auch in ambulanten Diensten.

Anmerkung

1. Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft: Hauswirtschaftliche Betreuung. Rheine, 2018. Download: https://bit.ly/2uZNhXF