Gekonnt führen aus dem „Off “
Wir erleben gerade die von heute auf morgen erzwungene Zunahme virtueller Formen der Zusammenarbeit und damit medial vermittelter Kommunikation. Die Situation verlangt nun nicht weniger Führung, sondern besondere Aufmerksamkeit und viel Orientierung für die Mitarbeitenden. Die Grundlagen und Regeln für virtuelle Zusammenarbeit und Führung sind nicht losgelöst von dem, was gute Zusammenarbeit und Führung generell ausmacht. Entscheidend bleibt: Bin ich als Führungskraft derzeit für virtuelle Teams und Remote-Mitarbeitende wirksam?1
Teamgeist stärken
- Derzeit fehlen die informellen Zwischendurch-Kontakte. Die sind zwar manchmal auch kritikwürdig, leisten aber in der Regel doch Folgendes: - Sehen und gesehen werden: Das bedeutet, ich bin relevant, spiele eine Rolle, erhalte und gebe Aufmerksamkeit und Wertschätzung. - Sozialkontrolle: Die anderen arbeiten, kommen voran, haben "Erfolge", dann kriege ich jetzt auch wieder die Kurve, mich zu konzentrieren, und leiste meinen Beitrag, also Ansporn. - Ein "Belohnungselement" der Arbeit fällt weg, nämlich Gemeinschaft, Spaß zwischendurch, persönlicher Austausch, Freundlichkeit… - Aktuelle Entwicklungen und neue Aspekte sind höroder sichtbar beziehungsweise gehen schnell im Flurfunk herum. Das heißt, ich bin am Puls des Geschehens und kann mich auf kurzem Weg niederschwellig einbringen.
- Schwerpunktthemen und Aufgaben verändern sich zum Teil radikal. Manche Kolleg(inn)en tun sich mit Veränderungen schwerer als andere. Bestimmte Prozesse lässt man jetzt besser ruhen, andere rücken dringlich in den Vordergrund. Es entsteht gelegentlich Desorientierung. Das kann einen Motivationsverlust zur Folge haben.
- Die Zugehörigkeit zum Team und zur Organisation wird nicht mehr unmittelbar spürbar, sondern nur noch mittelbar. Das ist manchen Kolleg(inn)en zu abstrakt. Sie sehen sich "ganz allein" mit ihrer Arbeit.
- Ängste beunruhigen die Mitarbeitenden. Sie sorgen sich um die eigenen Aufgaben, den Dienstumfang beziehungsweise den Erhalt des Arbeitsplatzes, auch bei Angehörigen.
- Unterschiede, verschiedenes Gerechtigkeitserleben und damit auch Konfliktpotenzial im Team nehmen zu: - Bei manchen bricht Arbeit weg, bei manchen nimmt sie explosionsartig zu und wird schwieriger, etwa in der Pflege. - Manche gehen weiterhin regelmäßig zur Arbeit, manche "dürfen" oder "müssen" zeitweise zu Hause bleiben, andere können nur noch von zu Hause arbeiten. - Die Arbeitsvoraussetzungen im Homeoffice sind sehr unterschiedlich und oft nicht optimal. Familiäre Belastungen machen das Arbeiten schwierig. Für andere wiederum werden die Konzentration und die Effizienz sogar besser. - Ängste vor der Corona-Erkrankung beziehungsweise auch Gefährdung durch gesundheitliche Vorbelastungen sind sehr unterschiedlich.
- Die Trennung von Privatleben und Arbeit löst sich auf. Die Anforderungen an Selbstorganisation und Selbstführung steigen. Wie kann ich als Führungskraft aus dem "Off " die Mitarbeitenden unterstützen, dass
- sie die inhaltlichen oder auch strukturellen, also äußeren Verschiebungen mitgehen können,
- sie mit dem Gegenstand und Ziel der Arbeit in Kontakt bleiben und sich davon motivieren lassen,
- sie sichtbar bleiben und "Belohnungen" erleben,
- sie an den Entwicklungen teilhaben und ihren Beitrag sehen können,
- sie Zugehörigkeit erleben in einer Zeit, in der auch private Kontakte reduziert sind,
- sie die Unterschiedlichkeit verstehen und akzeptieren können?
Besprechungskultur und Rhythmus
- Lieber kürzer und öfter. Lange Besprechungen per Video sind anstrengend, komplexe volle Tagesordnungen schwer zu moderieren (Regeln für Videomeetings und Telefonkonferenzen finden Sie in der Tabelle 1, rechts).
- Virtuelle Kaffeepausen oder ein Tagesabschlussaustausch wie etwa ein Feierabendgetränk oder ein After-Work-Plauschsind Gelegenheiten für Kontakt ohne Tagesordnung. Auch Kolleg(inn)en, die nur via Telefon dabei sein können, sollten einbezogen werden.
- Transparenz: - Hausregelungen wiederholen und die Umsetzung abklären, immer wieder überprüfen, - bilateral oder in kleineren Runden getroffene Entscheidungen und Entwicklungen mitteilen.
- Die fehlenden Zugehörigkeits- und Verbindlichkeitssignale (morgendlicher Gruß, Mahlzeiten, Management by Walking around…) können ersetzt werden durch: - Rundmails, - Anrufe auch ohne konkreten Anlass, - mehr Nachfragen, - expliziteres Sichtbarmachen von gelungener Zusammenarbeit und Unterstützung, nicht nur Probleme besprechen, - Im-Blick-Behalten des Aufgabentableaus. Interesse am Fortgang ist Wertschätzung! Gegebenenfalls für alle sichtbar und pflegbar gestalten.
Balance von Kontrolle und Vertrauen durch Sinn
Wenn sich die Kontrolle, wann und wie gearbeitet wird, nicht "nebenbei", also durch persönliche Anwesenheit ergibt, braucht es mehr Vertrauen in das Commitment der Mitarbeitenden. Das erreicht man durch transparente Ziele im Kleinen und im Großen. Wenn Mitarbeitende wissen, wo ein bestimmter Arbeitsauftrag hinführen soll und warum, werden sie in der Lage sein, sich und ihre Arbeit selbstständig daran auszurichten.
Remote-Arbeit benötigt Regeln
- Transparent zu regeln, wo etwas entschieden und weiterentwickelt wird, ist noch wichtiger, wenn man sich nicht trifft.
- Zwischenschritte in Teilteams/Arbeitsgruppen immer wieder sichtbar machen beziehungsweise Berichtspflichten einführen.
- Bisherige Regeln, die unter den aktuellen Umständen nicht gut funktionieren, identifizieren, reflektieren und gegebenenfalls ändern oder explizit aussetzen.
- Bei verändertem Arbeitsanfall gegebenenfalls Aufgaben umverteilen.
- Entscheidungen auf der Arbeitsebene virtueller Teams fördern.
Selbstreflexion: jetzt erst recht
Die besondere Führungssituation kann auch eine Führungskraft aus dem bewährten Konzept bringen und Unsicherheit schaffen (siehe dazu die Tabelle 2, unten). Unter Stress reagiert man nicht immer umsichtig. Deshalb sollte man genau hinschauen und sich mit einem/r Sparringspartner(in) (zum Beispiel einer anderen Führungskraft Ihres Vertrauens) austauschen.
Anmerkung
1. Der Beitrag entstand im Rahmen des ESFRückenwind-Projekts "Führung neu denken-agil, vielfaltsorientiert und geschlechtergerecht".
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