Caritas schreibt sich den Klimaschutz auf die Fahnen
Als eine "Premiere" bezeichnete Caritaspräsident Peter Neher die 20. Delegiertenversammlung (DV) des DCV. Neu war allerdings nur, dass auch sie - coronabedingt - digital stattfand statt wie geplant analog in Aachen. Allerdings machten die Delegierten fleißig von der Möglichkeit Gebrauch, Meinung oder Fragen im Chat kundzutun und nicht nur per Wortmeldung, so dass es zumindest auf dieser Ebene zusätzlich zu einem direkteren Austausch kam.
Die Pandemie und ihre Herausforderungen für die Caritas waren auch zentrales Thema im Eingangs-Statement des Präsidenten. Er zeigte sich beeindruckt und dankbar, dass neue, digitale Abstimmungs- und Informationsstrukturen zügig gegriffen hätten. Bestätigung und Lob für das effektive Handeln der DCV-Zentrale gab es dafür auch von den Delegierten. Sie zählten aber auch Themenfelder auf, die nach wie vor bei den Schutzschirm-Maßnahmen der Bundesregierung nicht gut bedacht oder nach dem Auslaufen der Überbrückungsgelder in ihrer Existenz weiterhin bedroht seien. So seien kleine und mittlere Unternehmen der Sozialwirtschaft aufgrund der Größengrenzen bei den Hilfsmaßnahmen nach wie vor von Schließung bedroht. Auch sei die Behindertenhilfe außen vor geblieben, und es gelte die Situation in der Tagespflege im Blick zu behalten.
Caritas ist gerade in der Krise nah bei den Menschen
Auch wenn Erzbischof Stephan Burger, Vorsitzender der Caritaskommission der Bischofskonferenz, in seinem Grußwort betonte, dass die Caritas mit ihrem Engagement in der Krise der "Botschaft Jesu ein Gesicht gegeben" habe, äußerte Caritaspräsident Peter Neher sein Befremden darüber, wie zunächst die Bischöfe kaum kommuniziert hätten, dass sie mit Caritas und Diakonie in der Pandemie von Anfang an ganz nah bei den Menschen seien. Seine Sorge äußerte Neher auch über die verfehlte Flüchtlingspolitik der EU und den Entwurf der EU-Kommission für ein neues Asyl- und Migrationssystem. Er sei ein fatales Zeichen. Auch dazu signalisierten die Delegierten Konsens.
Eine ganze Reihe von Beschlüssen hatten die Delegierten zum Arbeitsrecht der Caritas zu fassen. Im Vergleich zu einigen Delegiertenversammlungen der vergangenen Jahre geschah dies in großer Harmonie. Dabei wurden konsensual zwischen der DV und der Arbeitsrechtlichen Kommission und zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern wichtige Entscheidungen getroffen. Der Grund liegt in der 2018 von der DV beschlossenen Verfahrensregelung. Danach bereitet eine Arbeitsgruppe, die sich paritätisch aus Dienstgebern, Dienstnehmern und Delegierten zusammensetzt, die Beschlussempfehlungen für die DV vor. Verabschiedet wurden in einem Gesamtpaket einige Änderungen in der Ordnung für die Arbeitsrechtliche Kommission.
Mitsprache bei Pflegetarif und längere AK-Amtszeit
So musste beispielsweise auf Notwendigkeiten reagiert werden, die sich aus dem Arbeitnehmerentsende-Gesetz für die Pflegebranche ergeben: Die AK muss auch Beschlüsse fassen können zu arbeitsrechtlichen Regelungen, die sich durch Tarifverträge außerhalb der AVR ergeben. Auch musste als Folge des Pflegelöhneverbesserungs-Gesetzes von 2019 gesichert werden, dass die AK im Dritten Weg Beteiligungsrechte wahrnehmen kann bei staatlichen Regelungsverfahren, in denen die Tarifvertragsparteien der Pflegebranche gehört werden müssen.
Auch wurde dem Wunsch aus der AK gefolgt, dass die Leitungsausschüsse von Dienstgebern und Dienstnehmern mehr Eigenverantwortung für ihr Personal und für ihr Budget haben sollten. Sie haben die Dienstaufsicht über ihre hauptamtlich Mitarbeitenden. Das Budget wird selbst verwaltet und es besteht für die AK künftig eine jährliche Berichts- und Rechenschaftspflicht gegenüber der Delegiertenversammlung - so wie dies die anderen Kommissionen der DV haben.
Zustimmung fand auch, dass die Amtsperiode der amtierenden AK um ein Jahr bis zum 31. Dezember 2021 verlängert wird. Grund ist: Wegen der Pandemie können derzeit in den Regionen keine größeren analogen Wahlversammlungen stattfinden, wie es die Mitarbeitervertretungsordnung vorsieht. Auch brauche es momentan für die Tarifverhandlungen eine arbeitsfähige AK. "Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Aktionen", fasste eine Großstadtdirektorin den allgemeinen Tenor in Worte.
Empathisch war der Einstieg zum Thema Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit. Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer richtete einen dringenden Appell an die Delegierten, die Welt in ihrer Erwärmung als Ganzes zu sehen. Die Belastung sei ungerecht verteilt und "es ist ungerecht, nicht zu handeln, wenn wir handeln können" (siehe Video).
Position zum Klimaschutz
Mit Fakten über die ungleiche Verteilung von Verursachern und Leidtragenden der CO2-Belastung in den Einkommensschichten begründete der Umweltwissenschaftler Rainer Grießhammer seine Forderung, alle Klimaschutz-Maßnahmen auf ihre Sozialverträglichkeit zu prüfen. Man müsse für ärmere Bevölkerungsgruppen Kompensationen schaffen (siehe neue caritas 16/2020, Seite 12, und das Video mit Professor Grießhammer und Caritaspräsident Neher im Gespräch). Der Grünen-Europaparlamentarier Sven Giegold rief die Caritas zum Handeln auf, beispielsweise indem sie ihre Dächer mit Photovoltaik ausstatte, und lobte gleichzeitig ihr Engagement in der Sache.
Die anschließende Diskussion zeigte, dass Einsicht und Wille zum Handeln da sind und ein gemeinsames Positionspapier dazu ein gutes Zeichen ist. Doch ob eine Selbstverpflichtung zur Klimaneutralität bis 2030 zu realisieren sei, war die Frage. "Für Gebäude ist 2030 quasi übermorgen und nicht aus eigener Kraft, sondern nur mit Klimazuschuss zu schaffen", äußerte ein Delegierter für die Einrichtungsfachverbände seine Sorge. Zwei große Förderprogramme für Gebäude und Mobilität seien in Vorbereitung, versuchte Rainer Grießhammer die Sorgen zu zerstreuen. Abgestimmt wurde, dass die Anregungen aus der Diskussion noch ins vorbereitete Positionspapier eingearbeitet werden sollen. Dieses wird dann dem Caritasrat zur endgültigen Beschlussfassung vorgelegt.
Daten nutzen und schützen
Die Digitale Agenda bleibt Dauerbrenner, und alle DV-Kommissionen haben sie in ihren Arbeitsaufträgen, die von der Versammlung bestätigt und mit Ergänzungen verlängert wurden. Dass bei allem Nutzen von Digitalisierung und Datensammlung der Datenschutz und die gerechte Teilhabe nicht übersehen werden dürfen, legte die filmische und dialogische Einleitung dazu durch Vorstand Eva Welskop-Deffaa nahe. Diskutiert wurde, dass Transparenz und Datensouveränität anwaltschaftliche Ziele der Caritas sein müssen. Andererseits sei aber der Verband selbst auf Daten angewiesen, um passgenau arbeiten zu können. Eine eigens geschaffene Vorstandskommission "Digitale Agenda" soll hier den Verband auf dem Weg zu mehr Kompetenz und der Mitarbeit bei Datenstandards unterstützen.
Bemerkenswert war bei der 20. DV, dass von Delegierten aus der Ortsebene ein eigenständiger Antrag mit "Anforderungen an die Digitalisierung der Caritas" eingebracht wurde. Dieser war vom DCV-Vorstand bereits gesichtet und in Abstimmung mit den Antragstellern überarbeitet worden, so dass Regina Hertlein als Sprecherin der Ortsebene den eigenen Vorschlag zurückzog, um über die modifizierte Fassung zu diskutieren. Anliegen der Ortsebene war es dabei, eine verbandsübergreifende Strategie für die digitale Transformation voranzutreiben, dafür Finanzierungsquellen zu erschließen, einen gemeinsamen Datenpool anzulegen, das CariNet als Wissensplattform auszubauen, die technische Infrastruktur zu bündeln, die digitale Kompetenz der Mitarbeitenden zu sichern und die verbandlichen Instrumente des Lobbyings auszubauen. Das Anforderungspapier wurde mit großer Mehrheit verabschiedet und wird zeitnah in der neuen caritas dokumentiert werden.
Passend zum Anliegen der Vernetzung stellte die Kommission "Mitarbeit in der Caritas" ganz backfrisch die neue Austauschplattform zur Caritas als attraktiver Arbeitgeberin im CariNet vor. Sie ist dort unter → Arbeitsgruppen → Caritas verbindet! für alle CariNet-Nutzer(innen) einsehbar.
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