Den Menschen zur Seite stehen
Vor einiger Zeit traf ich einen Palliativmediziner. Er berichtete von seinem Hochschullehrer, der sich vor Jahren in Holland stark für die aktive Sterbehilfe eingesetzt hatte. Im Rückblick bezeichnete der betagte Professor das als größten Fehler seines Lebens.
Beim Thema Sterbehilfe werden wir als Vertreter katholischer Einrichtungen nervös. Der evangelische Landesbischof Ralf Meister kann sich jetzt Sterbehilfe in kirchlichen Einrichtungen vorstellen und sieht darin sogar einen Akt der Nächstenliebe. Ich frage mich: Müssen wir diesen Schritt mitmachen? Haben Menschen nicht auch ein Recht darauf, davon auszugehen, dass dies in kirchlichen Häusern nicht passiert? Andererseits: Kann es nicht doch Ausnahmen geben, in denen wir Sterbehilfe eigentlich nicht verweigern können? Es gibt sie doch, aussichtslose Situationen mit starken Schmerzen, mit großer seelischer, sozialer Not.
Die Gefahr ist groß, dass dieser Spalt in der Tür, diese Ausnahme für vieles andere ausgenutzt wird. Daher denke ich: Wir sollten mehr in die Weiterentwicklung der Palliativmedizin investieren. Hier ist noch vieles möglich. Und wir sollten, wie Jürgen Wiebicke in seinem Buch "Zu Fuß durch ein nervöses Land" schreibt, das "Geschehen-lassen-Können" als wichtige Tugend begreifen.
Dazubleiben ist die Herausforderung für alle
Der Schutz des menschlichen Lebens an dessen Ende wird auf Dauer nur vermittelbar sein, wenn wir den Menschen sensibel und klar zur Seite stehen. Unser komplexes Leben braucht eine komplexe Begleitung auch in der letzten Phase. Das ist ein anspruchsvoller Weg. Für diese Begleitung ist eine hohe Fachlichkeit auch im seelsorglichen Bereich nötig. Nicht wegzugehen, sondern dazubleiben ist die Herausforderung für alle Beteiligten. Und es braucht katholische Einrichtungen, die eine ständige Weiterbildung der Mitarbeitenden verfolgen.
In seinem Buch "Es ist Zeit, an Gott zu denken" schreibt Kardinal Lehmann: "Aber wenn es etwa um die Frage geht, wie lange jemand, bei dem wirklich keinerlei Hoffnung mehr besteht, an einer Maschine angeschlossen werden muss, dann ist eine sehr sorgfältige Abwägung unabdingbar. Wie gesagt, in Gesprächen mit Ärzten werde ich immer wieder in meiner Überzeugung bestärkt: Die Verantwortlichen, die in solchen Situationen stehen und Entscheidungen zu treffen haben, sind sich des Unterschieds zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe deutlich bewusst." Dem kann ich mich nur anschließen.