Die Themenvielfalt ist groß
Die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) ist ein Teil des Migrationsdienstes der Caritas. Als Integrationskurs-begleitendes Angebot wurde sie mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes im Jahr 2005 eingeführt und unterstützt in Deutschland lebende Migrant(inn)en sowie in Deutschland geborene Menschen mit Migrationshintergrund dabei, ihre Teilhabe-Chancen an der Gesellschaft in rechtlicher, sozialer, ökonomischer, politischer und kultureller Hinsicht zu verbessern. Ihr Ziel ist es, Eingewanderte „zu selbstständigem Handeln in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens zu befähigen"1. Gefördert wird die MBE auf Beschluss des Bundestages durch das Bundesinnenministerium.
Im Jahr 2018 konnten in der MBE der Caritas bundesweit rund 225 Personalstellen für 450 Mitarbeitende an 267 Hauptstandorten finanziert und 82.429 Menschen mit Migrationshintergrund beraten werden.
Die Zielgruppe hat sich vergrößert
Obwohl in den vergangenen Jahren immer mehr neue Mitarbeitende eingestellt wurden, konnte dies die größer werdende Zahl der Ratsuchenden nicht ausgleichen. Daher stieg die Anzahl der Ratsuchenden, die durchschnittlich pro Jahr von einer/einem Mitarbeitenden in Vollzeit beraten werden, von 290 im Jahr 2012 auf 366 im Jahr 2018. Grund für die zunehmende Nachfrage ist der verstärkte Zuzug von Geflüchteten in den Jahren 2015 und 2016 sowie die Öffnung der Zielgruppe der MBE für Asylsuchende mit sogenannter „guter Bleibeperspektive" im Jahr 2016.2
So machten Ratsuchende aus Syrien, Afghanistan, Iran und Irak 2017 mit 48 Prozent knapp die Hälfte der Klient(inn)en aus, während ihr Anteil 2012 nur zwölf Prozent betragen hatte. Von 2017 auf 2018 ging ihr Anteil wieder leicht auf 46 Prozent zurück. Trotz ihres leichten Rückgangs machen die rund 26.000 Menschen aus Syrien mit 32 Prozent nach wie vor die größte Gruppe der Ratsuchenden aus. Die Anzahl der EU-Bürger(innen) nahm in den Jahren 2016 und 2017 ab, stieg im Jahr 2018 jedoch wieder leicht an und beträgt nun 15.556, was einem Anteil von rund 19 Prozent an der Gesamtzahl der Ratsuchenden entspricht. Ein Großteil der EU-Bürger(innen) in der Beratung kommt aus Rumänien, Polen und Bulgarien.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung ist es wenig überraschend, dass sich auch der Anteil der Neuzugewanderten verändert hat: Der Anteil der Ratsuchenden, die bei Beginn der Beratung noch nicht länger als drei Jahre in Deutschland gelebt haben, ist durch den Zuzug vieler Geflüchteter bis 2017 auf 65 Prozent angestiegen. Im Jahr 2012 hatte ihr Anteil nur 48 Prozent betragen. Da der Zuwachs von Geflüchteten in den Beratungsstellen leicht rückläufig ist und die damals Eingewanderten zum Teil bereits mehr als drei Jahre in Deutschland leben, lag der Anteil der Neuzugewanderten 2018 wieder bei rund 45 Prozent. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass mehr als die Hälfte der Ratsuchenden schon länger als drei Jahre in Deutschland leben.
Familiennachzug war oft Thema
Mit der Veränderung der Struktur der Ratsuchenden im Hinblick auf ihr Herkunftsland und ihren Aufenthaltsstatus kamen neue und sehr vielfältige Themen auf die Berater(innen) zu. So wurde im Jahr 2018 das Thema Familiennachzug – insbesondere zu subsidiär Schutzberechtigten – am häufigsten an die Beratenden herangetragen (vergleiche die Abbildung).3
Der Versuch, ihre Familienmitglieder nach Deutschland zu holen, stellt die Ratsuchenden vor einige Herausforderungen, die sie psychisch enorm belasten. Häufig können andere Themen, wie zum Beispiel Arbeitssuche und der Besuch von Deutschkursen, erst dann angegangen werden, wenn die Familie wieder vereint ist. Oftmals scheint die Lage der Klient(inn)en hoffnungslos, und das geht auch an den Berater(inne)n nicht spurlos vorbei. Sie sind einer großen seelischen Belastung ausgesetzt und einem hohen Druck, schnellstmöglich gute Lösungen herbeizuführen. Zugleich bindet das Thema Familienzusammenführung viel Zeit und erfordert unzählige Abklärungen mit Ämtern und Behörden.
Das zweithäufigste Thema ist aktuell die Wohnungssuche beziehungsweise Wohnungsnot. Vor allem im städtischen Bereich und für Familien ist es sehr schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Um die Ratsuchenden auf ihrem oft sehr langen Weg, ein Zuhause für sich und ihre Familie zu finden, zu unterstützen, bietet die MBE neben der Einzelfallberatung vielerorts Gruppen an. Hier lernen die Migrant(inn)en, wo sie nach einer Wohnung suchen können, was sie bei Besichtigungsterminen erwartet, wie sie mit Vermieter(inne)n kommunizieren, was sie beim Vertragsabschluss beachten müssen und welche Rechte und Pflichten sie als Mieter(innen) haben.
Was umtreibt: die Frage der Existenzsicherung
Ein weiteres zentrales Thema ist nach wie vor die Existenzsicherung und der Zugang zu Sozialleistungen. Andere Themen, die im Jahr 2018 wie auch in den Vorjahren in der Beratung im Vordergrund standen, waren Fragen zu Arbeit und Beruf, zum Deutscherwerb und zu Deutschkursen, zur Anerkennung ausländischer Qualifikationen und zum Aufenthaltsrecht. Fragen zum Verbraucherschutz, zum Beispiel zu Miete, Strom und Verträgen sowie das Thema Verschuldung sind relativ neu in der Beratung. Auch hier werden an einigen Standorten Informationsveranstaltungen angeboten, um den Ratsuchenden unter anderem nahezubringen, worauf beim Abschluss von Miet- und Mobilfunkverträgen zu achten ist und wie sie Schuldenfallen umgehen können.
Eine besondere Herausforderung für die Beratenden ist der Umgang mit zum Teil schwer traumatisierten Klient(inn)en. Viele Geflüchtete haben in ihren Herkunftsländern und auf ihrer Flucht nach Deutschland durch Krieg, Folter, Gewalt und den Verlust von engen Familienangehörigen grausame Erfahrungen machen müssen und sind durch diese psychisch gezeichnet. Die Arbeit mit traumatisierten Menschen setzt spezifische Kenntnisse und einen sehr sensiblen Umgang voraus. Nicht zuletzt werden die Mitarbeitenden durch die geschilderten Erlebnisse auch selbst seelisch stark belastet.
Die Beratung wirkt
Im Jahr 2018 konnte knapp die Hälfte (46 Prozent) der Klient(inn)en, die einen Deutschförderbedarf hatten, an einen Integrationskurs oder sonstigen Deutschkurs weitergeleitet werden. In der Statistik der MBE wird unter anderem auch die Anzahl der Ratsuchenden erfasst, die sich in einer besonders schwerwiegenden gesundheitlichen beziehungsweise tiefgreifenden psychosozialen Problemlage befinden. Dazu zählt zum Beispiel eine Trennung, Scheidung, häusliche Gewalt oder Traumata. In 38 Prozent dieser Fälle konnte die MBE die Situation verbessern. Beim Vorliegen einer prekären wirtschaftlichen Lage, zum Beispiel bei Überschuldung oder dem Verlust der Wohnung, konnten die Mitarbeitenden die Situation für 41 Prozent der betroffenen Ratsuchenden entschärfen.
Einen entscheidenden Beitrag leistet die MBE auch im Bereich der Arbeitsmarktintegration. So verringerte sich der Anteil der Klient(inn)en, die ALG II beziehen, von 61,5 Prozent am Beginn der Beratung auf nur noch 50,7 Prozent am Beratungsende. Der Anteil der Ratsuchenden, die ohne ergänzende Transferleistungen erwerbstätig sind, erhöhte sich um 7,4 Prozentpunkte auf rund 19 Prozent. Zum Ende der Beratung befanden sich auch etwas mehr Ratsuchende in einem Studium (0,7 Prozent zu 0,4 Prozent) oder einer Ausbildung (1,5 Prozent zu 0,5 Prozent) als zu Beginn der Beratung.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Themenvielfalt in der MBE in den letzten Jahren durch die Öffnung der Zielgruppe merklich zugenommen hat. Das erfordert ein breites Fachwissen der Beratenden auf den unterschiedlichsten Gebieten. Zudem sind einzelne Themen, wie zum Beispiel Familienzusammenführung, wesentlich komplexer und zeitintensiver geworden und verlangen von den Mitarbeitenden ein hohes Maß an Belastbarkeit und psychischer Widerstandskraft. Da die Anzahl der Ratsuchenden zur gleichen Zeit stark zugenommen hat, befinden sich die Beratenden in einem ständigen Spannungsfeld: Einerseits sollen alle Anliegen bearbeitet und kein(e) Klient(in) weggeschickt werden, andererseits soll die Qualität der Beratung erhalten bleiben. Dass beides gelingt, zeigt die Auswertung der Sachberichte und der Statistik der letzten Jahre und ist vor allem dem anhaltend hohen Engagement der Mitarbeitenden vor Ort zu verdanken.
Anmerkungen
1. Förderrichtlinien zur Durchführung einer Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE), 20. Juli 2016, Ziffer 2.2.2.
2. Zum 1. August 2019 wurde die Zielgruppe erneut erweitert: Zukünftig wird allen arbeitsmarktnahen Asylbewerber(inne)n sowie Asylbewerber(inne)n, denen die Aufnahme einer Arbeit wegen der Erziehung kleiner Kinder gemäß § 11 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB XII nicht zumutbar ist und die vor dem 1. August 2019 nach Deutschland gekommen sind, nach drei Monaten Gestattungszeit der Zugang zu den bundesgeförderten Sprachfördermaßnahmen (Integrationskurs nach § 43 AufenthG und Berufssprachkurs) und zur MBE ermöglicht. Letztlich stehen diese Angebote somit allen arbeitsfähigen Asylbewerber(inne)n, die kein Arbeitsverbot haben und die nicht aus einem sicheren Herkunftsland kommen, zur Verfügung.
3. Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE): Auswertung der Sachberichte der Regionalstellen der Caritas 2018, S. 2 ff.
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