Das Bundesteilhabegesetz im Praxistest
Mehr Selbstbestimmung, Mitwirkung und Eigenverantwortung für Menschen mit Behinderung: Das sollen die positiven Wirkungen des Bundesteilhabe-Gesetzes sein. Wenn es denn einmal umgesetzt ist – davor gibt noch viele offene Fragen, ungeklärte Zuständigkeiten bei den Bundesländern und eine unklare Durchführung und Umsetzung des Gesetzes in Landkreisen und Kommunen Baden-Württembergs. Bei Betroffenen und ihren Angehörigen, aber auch bei den beteiligten Fachleuten herrscht Verunsicherung. Ein Modellprojekt im Bodenseekreis soll mehr Klarheit über die praktische Anwendung schaffen.
Modellhafte Erprobung
Innerhalb der Stiftung Liebenau sind rund 1500 Menschen von der Umstellung der Eingliederungshilfe ab Januar 2020 betroffen. Was das genau bedeutet, wie die Vorgaben des Bundesteilhabegesetzes im Bereich des Wohnens erwachsener Menschen mit schweren und geistigen Behinderungen umgesetzt werden können, wird in Trägerschaft des Landratsamts Bodenseekreis und der Liebenau Teilhabe seit Januar 2018 modellhaft erprobt.
Verschiedene Regelungsbereiche stehen im Fokus, darunter die Trennung der existenzsichernden Leistungen von den Fachleistungen der Eingliederungshilfe, die Einkommens- und Vermögensanrechnung und das Rangverhältnis von Eingliederungshilfe- und Pflegeleistungen. Die modellhafte Erprobung ist im Bundesteilhabegesetz festgeschrieben und soll anhand konkreter Fallkonstellationen Erkenntnisse über die Auswirkungen des neuen Rechts liefern.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales fördert deutschlandweit 30 Modellprojekte. Erwartet werden praktische Erkenntnisse für eine möglichst praxistaugliche bundesweite Einführung. Das Modellprojekt im Bodenseekreis läuft bis Ende 2021, das heißt parallel zur Einführung der dritten Reformstufe im Januar 2020. Eine zweijährige Übergangsphase sorgt in Baden-Württemberg für etwas zeitliche Entlastung.
Die Antragstellung im Test
In der ersten Testphase wurden die Antragsunterlagen
für die Eingliederungshilfe und
die Sozialhilfe getestet, die ab Inkrafttreten
des Bundesteilhabe-Gesetzes angewendet werden sollen. 32 Klient(inn)en der Liebenau Teilhabe sind mit
ihren rechtlichen Betreuer(inne)n beim Projekt
dabei. Sie leben an unterschiedlichen
Wohnorten, teilweise mit sehr hohem Assistenzbedarf.
Ihre Aufgabe war es zum einen,
die Anträge auszufüllen und beim Landratsamt
einzureichen – selbstverständlich nur
zur Probe und ohne Auswirkungen auf derzeitige
Leistungen. Gleichzeitig sollten sie
einen Evaluationsbogen ausfüllen und Rückmeldung
geben, etwa zu Verständlichkeit,
Umfang und Aufbau der Antragsformulare.
Die erste Erkenntnis: Die umfangreichen Antragsunterlagen stellen eine große Herausforderung für die Betroffenen und ihre rechtlichen Betreuer(innen) dar. In der Antragsphase kamen viele Rückfragen. Zur rechtlichen Beratung wurden die Teilnehmer(innen) an das Landratsamt verwiesen. Die Liebenau Teilhabe als Leistungserbringer wurde nicht gleichzeitig beratend tätig, war aber oft Schnittstelle zwischen Antragstellenden und Leistungsträger.
Gespräche zur Bedarfsermittlung
Nach der Antragstellung starteten sogenannte Bedarfsermittlungsgespräche. Dabei wird das Bedarfsermittlungs-Instrument in Baden-Württemberg eingesetzt, ein neues, noch nicht verabschiedetes Instrument. Unter Leitung der Fallmanager beim Landratsamt werden zunächst persönliche Wünsche erfragt, zum Beispiel: Wie und wo möchte ich wohnen? Wie und wo möchte ich tagsüber arbeiten oder lernen? Wie möchte ich meine Beziehungen zu anderen Menschen gestalten?
Dem gegenübergestellt wird die Ist-Situation. Außerdem werden Ressourcen und Beeinträchtigungen in den neun Lebensbereichen gemäß der ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit der Weltgesundheitsorganisation) benannt und Förderfaktoren, darunter auch technische Hilfen, und Barrieren festgestellt. Bisher zeichnet sich ab, dass die meisten eine "Person des Vertrauens" beim Gespräch dabeihaben möchten. Oftmals wird dafür jemand von der Einrichtung gewünscht, etwa der/die Bezugsbetreuer(in) oder der/die Teilhabebegleiter(in). Es hat sich als gut erwiesen, die fachliche Sicht der Einrichtung im Rahmen des Gesamt- und Teilhabe-Planverfahrens zu berücksichtigen. Dass diese fachliche Einschätzung enorm wichtig ist, steht bei den Projektpartnern außer Frage. Auch deshalb hat das Landratsamt für die meisten Teilnehmer(innen) im Vorfeld aktuelle ICF-Entwicklungsberichte angefordert.
Unklarheiten verzögern die Umsetzung
Bisher wurden etwa zwei Drittel der vorgesehenen Gespräche geführt. Sie waren so unterschiedlich wie die beteiligten Personen, aber für alle spannend und herausfordernd zugleich. Im nächsten Schritt sollte jeweils eine Gesamtplankonferenz folgen, bei der konkrete Leistungen festgelegt werden. Hier stockt das Projekt im Moment, denn noch fehlen ein Landesrahmenvertrag und die damit verbundene Fachleistungs- und Entgeltsystematik. Um weiterzukommen, sind die Projektverantwortlichen in engem Austausch mit den Akteuren auf Landesebene.
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