Geschlechtergerechtigkeit: auf oberster Führungsebene mangelhaft
Ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in Führungspositionen und damit mehr Geschlechtergerechtigkeit in Caritas-Organisationen sind Anliegen, die den Deutschen Caritasverband (DCV) seit mindestens einer Dekade beschäftigen. Vor mittlerweile zehn Jahren fanden diese Eingang in die Leitlinien für unternehmerisches Handeln, verabschiedet durch die Delegiertenversammlung.
Hochgesteckte Ziele realisieren sich in der Regel nicht von selbst, sondern bedürfen kontinuierlicher Anstrengungen. Nachhaltig werden diese vor allem dadurch, dass der Grad der Zielerreichung regelmäßig gemessen wird. Deshalb wurde durch den Vorstand des DCV ebenfalls auf Empfehlung der Delegiertenversammlung das Amt einer/eines Gender-Beauftragten eingerichtet. Seit 2012 wird es von Irme Stetter-Karp in ihrer Funktion als Vizepräsidentin des DCV ausgeübt.
Unterstützt von der Leiterin der Gleichstellungsprojekte im DCV berichtet die Gender-Beauftragte jährlich dem Präsidenten über den Umsetzungsstand der genannten Ziele, nun bereits im fünften Jahr. Grund genug, auf Basis des aktuellen Genderberichts ein Zwischenfazit zu ziehen, wo der DCV und seine Mitglieder beim gemeinsamen Bemühen um mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Caritas stehen.
Komplexe Datenlage
Eine wichtige Grundlage hierfür bilden die Zentralstatistik und die Trägerstrukturerhebung, gemeinsam erarbeitet vom DCVund seinen Mitgliedern: Die Zentralstatistik gibt einerseits Auskunft über den Frauenanteil unter den Mitarbeitenden insgesamt, aber auch gegliedert nach Hilfebereichen, Diensten und Einrichtungen. Sie differenziert hier jedoch nicht nach Tätigkeitsarten innerhalb einer Einrichtungsart. Die Trägerstrukturerhebung liefert andererseits Daten zur Repräsentation von Frauen und Männern in den Geschäftsführungen, Vorständen und Aufsichtsräten der Caritas-Rechtsträger, die mindestens 50 Mitarbeitende haben. Eine genauere Betrachtung der verschiedenen Führungsebenen war bislang jedoch nicht möglich. Einzig Daten der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse (KZVK) lieferten hierzu Anhaltspunkte. Durch eine entsprechende Schwerpunktsetzung in der Trägerstrukturerhebung im Jahr 2017 konnte die Datenlage erheblich verbessert werden (vgl. dazu auch S. 25ff. in diesem Heft).
Frauenanteil variiert stark nach Ebene
Gemäß der Zentralstatistik des DCV mit dem Stichtag 31. Dezember 2014 liegt der Frauenanteil unter den Beschäftigten in der Caritas insgesamt bei 82 Prozent, in einzelnen Feldern noch deutlich höher: Im Bereich der Sozialstationen und ambulanten Pflegedienste etwa arbeiten zu 93 Prozent Frauen, in Kindertageseinrichtungen sogar zu 96 Prozent. Ein Blick auf die Führungspositionen bei den Rechtsträgern zeigt, dass das Anliegen, Frauen in der Caritas angemessen an Leitungsfunktionen zu beteiligen, nicht grundsätzlich im Argen liegt. Gemäß der Trägerstrukturerhebung 2017 liegt der Frauenanteil auf der zweiten Leitungsebene unter Vorstand/Geschäftsführung bei 66 Prozent, auf der ersten Führungsebene unter dem Vorstand ist die Geschlechterparität mit 50 Prozent genau erreicht (vgl. nochmals S. 25ff.).
In Vorstand und Geschäftsführung selbst zeigt sich ein anderes Bild: Mit 28 Prozent Frauen auf dieser Ebene hat sich seit dem ersten Genderbericht, der auf Daten der Trägerstrukturerhebung 2011 zurückgriff, nur wenig getan. Damals waren 26 Prozent Frauen in höchster Ebene vertreten, so dass in fünf Jahren ein Anstieg von nur zwei Prozentpunkten zu verzeichnen ist. Der Frauenanteil von lediglich 33 Prozent bei Neubesetzungen auf dieser Ebene zeigt, dass nicht eine geringe Fluktuation auf Vorstandsebene die Ursache hierfür ist, sondern Männer weiterhin überproportional zu ihrem Anteil auf der darunterliegenden Führungsebene in Vorstands- und Geschäftsführungspositionen berufen werden. Zählt man ehrenamtlich besetzte Vorstandsämter nicht mit und betrachtet nur hauptamtliche Positionen, liegt der Frauenanteil nur noch bei 23 Prozent. Dies deckt sich in etwa mit den aus dem Versicherungsbestand der KZVK abgeleiteten Daten: Demnach waren im Jahr 2015 nur 26 Prozent der außertariflich bezahlten und bei der KZVK versicherten Caritasmitarbeitenden Frauen. In der Vergütungsgruppe 1 nach den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des DCV (AVR) liegt der Frauenanteil mit 52 Prozent genau doppelt so hoch.
Große Unterschiede ergeben sich bei einer Differenzierung nach Unternehmensgrößen und -arten. Generell gilt: je größer die Träger, desto geringer der Frauenanteil in Leitung. Auf der ersten Führungsebene unter dem Vorstand beziehungsweise der Geschäftsführung etwa liegt der Frauenanteil bei Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitenden bei 62 Prozent, bei Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden bei nur noch 40 Prozent (vgl. Abb. 1, S. 30). Besonders niedrig ist der Frauenanteil in Leitung bei GmbHs - hier liegt er im Vorstand beziehungsweise in der Geschäftsführung lediglich bei 18 Prozent, im Aufsichtsrat bei 21 Prozent. Deutlich besser aufgestellt sind die Vereine mit einem Frauenanteil von 34 (Vorstände/Geschäftsführungen) beziehungsweise 36 Prozent (Aufsichtsorgane). Allerdings befinden sich unter den 27 Diözesan-Caritasdirektor(inn)en, die geschäftsführend beziehungsweise als Vorstandsvorsitzende einen Diözesan-Caritasverband leiten, derzeit nur drei Frauen, also elf Prozent). Unter den Personen, die als Geschäftsführer(in) oder Vorstand einen rechtlich eigenständigen Orts- beziehungsweise Kreis-Caritasverband leiten, waren im Jahr 2017 16 Prozent Frauen, bei den rechtlich nicht selbstständigen Gliederungen der Caritas auf regionaler Ebene mit 32 Prozent doppelt so viele.
Gender Leadership Gap der Caritas ist beträchtlich
Die Komplexität der Daten zeigt, dass die Bewertung, inwieweit die Ziele eines ausgewogenen Verhältnisses von Frauen und Männern in Führungspositionen des Verbandes und mehr Geschlechtergerechtigkeit bereits (teilweise) erreicht wurden, differenziert erfolgen muss. Eine relevante Kennzahl für diese Beurteilung ist die vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erstellte Gender Leadership Gap. Sie misst den Chancennachteil von Frauen beim Erreichen hoher Führungspositionen. Dazu wird die Differenz zwischen dem Frauenanteil unter allen abhängig Beschäftigten und dem Anteil von Frauen in hohen Führungspositionen ermittelt. In Deutschland beträgt diese Lücke im Mittel 16, im der öffentlichen Verwaltung und im Sozial- und Gesundheitswesen 31 Prozentpunkte. Für die Caritas hingegen ergibt sich eine Gender Leadership Gap von 41 Prozentpunkten.
Im vorliegenden Genderbericht werden vor diesem Hintergrund Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen vorgestellt, die der DCV mit Partnern aus dem Verband unter anderem im "rückenwind"-geförderten Projekt "Geschlecht. Gerecht gewinnt" und im Rahmen der unternehmensübergreifenden "Initiative Chefsache" unternimmt. Bei diesen Aktivitäten werden nicht nur die Zugangswege, sondern auch die Beschäftigungsbedingungen in den (oberen) Führungsebenen der Caritas betrachtet. Auch die Datenerhebung ist ein wichtiger Baustein: Noch ist etwa zu wenig bekannt, welche Möglichkeiten des Arbeitens und Führens in Teilzeit wo in der Caritas angeboten und genutzt werden und welche Gender-Aspekte dabei eine Rolle spielen.
Anmerkung
Der ausführliche Genderbericht 2017 kann unter http://bit.ly/2Id8nCZ eingesehen werden. Weitere Informationen zum Thema unter: www.caritas.de/geschlechtergerecht
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