Virtuelle Teams: erste Anlaufstelle im Netz
Die meisten Unternehmen nutzen Facebook, Twitter, Xing, WhatsApp und andere soziale Netzwerke intensiv für ihre Öffentlichkeitsarbeit, ihr Marketing und den Kundenservice. Auch in der Caritas sind soziale Medien für viele Verbände, Träger und Einrichtungen kein Neuland mehr: Die mehr als 200 reichweitenstärksten Facebook-Auftritte und Twitter-Accounts der Caritas erreichen rund 200.000 Menschen.1 Für die Inhalte und das Community-Management - also den Aufbau und die Pflege einer digital vernetzten Gruppe von Menschen mit ähnlichen Interessen beispielsweise auf Facebook - ist in der Regel die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Einige Diözesan-Caritasverbände sowie die Bundeszentrale haben Social-Media-Redakteurinnen und -Redakteure eingestellt. Ihre Aktivitäten richten sie an den digitalen Kommunikationsprinzipien der Caritas aus, deren oberste Maxime die Dialogorientierung ist.2 Das ist konzeptionell sinnvoll und bedient die Erwartungen der User, der Nutzer(innen). In der Umsetzung ist dieser Anspruch bei der Vielfalt der Themen, Angebote und Rollen der Caritas - von der Dienstleisterin bis zur sozialpolitischen Akteurin - jedoch alles andere als trivial.
Einfache User-Anfragen können gut ausgebildete Community-Manager(innen) aufgrund ihres Know-hows in der Regel souverän beantworten. Bei kniffligeren Themen, die regelmäßig wiederkehren (zum Beispiel Diskussionen zum kirchlichen Arbeitsrecht) helfen vorformulierte, mit der Fachebene abgestimmte Textbausteine weiter. Doch sobald es in die Tiefe geht, das Gegenüber fachlich oder politisch diskutieren will, wird die Luft dünn. Dann zeigt sich, dass soziale Medien kein weiterer Kanal für verbandliche Verlautbarungen sind, sondern eine Schnittstelle zu Klient(inn)en, Kritiker(inne)n, Spender(inne)n oder potenziellen neuen Mitarbeiter(inne)n. Die sprechen "die Caritas" an, erwarten aber einen direkten Draht zu Menschen, die für diesen Verband, seine Werte und Angebote stehen. Das sind nicht (nur) die Pressesprecher(innen) oder Social-Media-Verantwortlichen, sondern die Geschäftsführer(innen), Vorstände, aber auch die Mitarbeitenden in den Einrichtungen oder die Referent(inn)en für bestimmte Fachthemen.
Social-Media-Aktivitäten auf mehrere Schultern verteilen
Die Bundeszentrale des Deutschen Caritasverbandes (DCV) reagiert auf diese Entwicklung und setzt seit Oktober 2017 ein Social-Media-Akteure-Konzept3 um. Darin ist definiert, in welchen Rollen, mit welchen Aufträgen und Befugnissen die Fachreferent(inn)en in Freiburg, Berlin und Brüssel stärker in die digitale Kommunikation eingebunden werden:
- "Kontakter(innen)" sollen die Online-Redaktion sprachfähig machen, wenn es um Anfragen von Usern geht, die ihren Fachbereich betreffen. Sie ordnen deren Kommentare inhaltlich ein, bewerten sie und formulieren Antwortbausteine. Die Kontakter(innen) aus den Fachbereichen benötigen kein eigenes Profil auf den Social-Media-Plattformen. Sie agieren auch nicht selbst im Namen der Caritas. Das übernimmt die Redaktion, die durch die Fachlichkeit der Kontakter(innen) mehr inhaltliche Tiefe in die Online-Diskussion bringen will.
- "Teamer(innen)" übernehmen zeitweise redaktionelle Aufgaben, indem sie von Veranstaltungen, Kongressen oder Fachveranstaltungen im Namen der Caritas Deutschland twittern. Das erfolgt nach einer Einführung durch die Online-Redaktion und in enger Abstimmung mit ihr.
Das Konzept zeigt bereits die erwartete Wirkung: Die Sichtbarkeit des Caritas-Kanals @caritas_web bei Entscheider(inne)n, Multiplikator(inn)en und Journalist(inn)en auf Twitter steigt, wenn sich Teamer(innen) mit dem Hashtag (#) eines Events in die Diskussion einbringen. Mit ihrer fachlichen Expertise steigern sie die Relevanz des Kanals, was sich an der Zahl neuer Follower - von Menschen, die den Caritas-Kanal abonnieren - ablesen lässt. - "Influencer(innen)" kommunizieren auf ausgewählten Social-Media-Plattformen mit einem persönlichen Profil (Account) zu ihren Kernthemen. Sie agieren als fachliche Vertreter(innen) der Caritas. Die Beauftragung dazu erfolgt in Abstimmung mit dem Fachvorstand. Ziel ist, dass sich diese Personen online als Expert(inn)en für ihre Themen positionieren. Sie vernetzen sich mit anderen Influencer(inne)n und betreiben ein Agenda-Setting im Sinne der Caritas, rücken also immer wieder soziale Themen in den Fokus der Online-Öffentlichkeit.
Das Akteure-Konzept, im Juli 2017 vom DCV-Vorstand beschlossen, professionalisiert die Online-Kommunikation des DCV auf mehreren Ebenen: Es definiert einen Prozess, der sicherstellt, dass die Redaktion innerhalb der Kernarbeitszeiten ein fachliches Feedback auf User-Fragen bekommt. Das ist notwendig, um die angestrebte Servicequalität der Caritas-Kanäle zu verbessern und diese konsequenter an den Interessen der User auszurichten. Möglich wird das, weil nun auch Fachreferent(inn)en, die nicht in der Kommunikation tätig sind, dieses Anliegen in ihre Arbeitszeit integrieren.
Einführungen, Schulungen, Feedback und Austauschrunden werden das Akteure-Konzept für die Beteiligten auch zu einem internen Fortbildungsprogramm machen, über das sie ihre Medienkompetenz steigern können. Hinzu kommt der Auftrag der Akteure, dass sie - im Sinne einer lernenden Organisation - die Erkenntnisse, Themen und Fragen, die sich aus der Social-Media-Kommunikation ergeben, in ihren verbandlichen Kontext einspeisen.
Influencer tragen das Soziale in soziale Medien
Diese Rückkoppelung in den Verband wird auch von den Influencer(inne)n erwartet, die sich als "Gesichter der Caritas" für bestimmte Themen im Social Web profilieren sollen. Diese neu geschaffene Rolle in der verbandlichen Kommunikation entspricht dem, was bereits 2011 in den Social Media Guidelines formuliert worden war: "Unsere glaubwürdigsten Botschafter sind Sie: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter."4 Der Vorstand hat mit der Verabschiedung des Akteure-Konzeptes deutlich gemacht, dass er den Mitarbeitenden das für diese Aufgabe notwendige Vertrauen entgegenbringt. Diese Rückendeckung erscheint ebenso wichtig wie das Bewusstsein der angehenden Influencer(innen), die auf ihre Person zugeschnittene Kommunikation nutzwertig für die Interessen und Anliegen des Verbands einzusetzen. Ihr Auftrag lautet "pointiert, professionell, glaubhaft und transparent die Positionen des Verbandes zu verbreiten und ihr fachliches Know-how in thematische Diskussionen einzubringen".5 Gelingen wird ihnen das nur, wenn sie dabei authentisch, anfragbar und bisweilen auch (selbst)kritisch - aber niemals illoyal - kommunizieren. Eine Begleitung durch die Social-Media-Redaktion sowie regelmäßige Evaluationen sollen Unsicherheiten beseitigen und Anfangsschwierigkeiten abfedern.
User fragen nicht nach den Caritas-Strukturen
Das Akteure-Konzept stärkt online die Rolle des Verbandes als sozialpolitischer Akteur und Anwalt von Benachteiligten, liefert aber keine nachhaltige Lösung für eine Herausforderung, die der Abschlussbericht eines 2016 beendeten Social-Media-Projektes des DCV6 so formulierte: Menschen, die online Rat suchen, sich beschweren oder informieren wollen, machen sich nicht die Mühe, die Strukturen des Verbandes zu verstehen. Sie wissen weder, in welcher Diözese sie wohnen, noch, wie die Caritas in ihrer Nähe heißt. Im besten Fall hilft ihnen Google, den richtigen Ansprechpartner zu finden - häufig landen sie jedoch auf den Social-Media-Kanälen der "Caritas Deutschland" und artikulieren dort ihr Anliegen. Für sie fühlt sich das richtig an, denn die Kommunikation mit dem Energiedienstleister oder dem Handyanbieter läuft genauso. Dies ist ein Verhalten, auf das Konzerne wie die Telekom oder die Bahn längst reagiert haben7 - und das auf den ersten Blick inkompatibel erscheint mit den dezentralen Strukturen der Caritas. Ein Lösungsansatz wurde beim Caritasrat im Juli 2017 diskutiert: die dem Akteure-Konzept zugrundeliegende Idee von "virtuellen Teams" gesamtverbandlich auszuweiten.8
Anmerkungen
1. Schätzung auf der Basis einer Erhebung im Sommer 2017: http://bit.ly/Caritas-SOME
2. Die Kommunikationsprinzipien wurden im Jahr 2016 in einem dreijährigen, verbandsübergreifenden Social-Media- und Community-Projekt entwickelt: http://bit.ly/digitale-kommunikation
3. Ausführlich unter: www.caritas-digital.de/social-media-akteure
4. Vgl. Präambel der Social Media Guidelines des DCV, www.caritas.de/socialmediaguidelines
5. Vgl. Social-Media-Akteure-Konzept des DCV vom Juli 2017.
6. Vgl. http://bit.ly/SOME-Abschluss
7. Die Bahn hat als eines der ersten deutschen Unternehmen bereits vor Jahren im Kundenservice auf Twitter und Facebook gesetzt. Aktuell bilden 20 Personen das "Social Media Dialog-Team" der Bahn, das zu festgelegten Zeiten die Anfragen, Beschwerden und Anregungen der Kunden aufnimmt, beantwortet und an die entsprechenden Abteilungen im Unternehmen weiterleitet.
8. Bei der Caritas-Aktion "Wählt Menschlichkeit" zur Bundestagswahl 2017 wurde dieses Prinzip bereits realisiert. 73 Mitarbeitende aus dem ganzen Bundesgebiet beteiligten sich am Community-Management auf dem Facebook-Kanal der Caritas Deutschland. Vgl. www.caritas-digital.de/community-management-im-virtuellen-team
9. Vgl. Otto, U.; Hegedüs, A.; Kaspar, H.; Kofler, A.; Kunze, C. (2017): Pflege und Betreuung à la Uber und Airbnb - darf über Plattformen pflegen, wer will? http://bit.ly/uber-pflege
10. Ratsuchende müssen zu Beginn des Beratungsprozesses ihre Postleitzahl angeben. Das Beratungssystem leitet die Anfrage auf Basis dieser Angabe an eine der teilnehmenden Beratungsstellen in der Nähe des Klienten weiter. Wenn dieses Matching aufgrund fehlender Beratungsstellen in einer Region nicht funktioniert, übernimmt eine zentral gesteuerte "virtuelle Beratungsstelle".
11. http://bit.ly/help-community
Noch Luft nach oben
„Ich sage einfach Anton zu ihm“
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Sturzprävention per App
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