Katholische Schwangerschaftsberatung 2016 – viele geflüchtete Frauen suchten Rat
Jährlich erscheint der Jahresbericht der Katholischen Schwangerschaftsberatung. Der Bericht fasst statistische Daten nahezu aller Schwangerschaftsberatungsstellen in Trägerschaft von Caritas und Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) zusammen und greift aktuelle Themen der Praxis auf. Im Folgenden werden drei Schlaglichter aus dem Jahresbericht 2016 herausgegriffen:
Frauen mit Flucht- und Migrationshintergrund
"Zusammen sind wir Heimat." Mit diesem Motto der Jahreskampagne 2017 möchte der Deutsche Caritasverband (DCV) zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung über Vorstellungen von Heimat und über das Zusammenleben in Vielfalt anregen.
Das Motto passt gut zu den Erfahrungen der Katholischen Schwangerschaftsberatung im Jahr 2016: Die aktuellen Migrationsbewegungen haben dazu geführt, dass der Anteil von Menschen mit Flucht- und Zuwanderungsgeschichte in der Katholischen Schwangerschaftsberatung nochmals deutlich zugenommen hat. Über 50 Prozent aller Ratsuchenden haben einen Migrationshintergrund. Der Vergleich der Religionszugehörigkeit in der jährlich stattfindenden Jahresauswertung statistischer Daten nahezu aller katholischer Schwangerschaftsberatungsstellen zeigt, dass im Jahr 2016 Ratsuchende mit muslimischer Religionszugehörigkeit die größte Gruppe waren, die Beratung in Anspruch genommen haben.
Im Jahr 2016 haben insgesamt 122.388 Ratsuchende Beratung und Begleitung in den Schwangerschaftsberatungsstellen in Trägerschaft von Caritas und Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) gesucht.
Im Zeitraum von 2014 bis 2016 ist die Anzahl der Ratsuchenden um 19 Prozent gestiegen. Die Zunahme der Beratungsfälle hängt mit der Beratung von schwangeren Frauen mit Migrationshintergrund und speziell von Frauen aus dem nicht europäischen Ausland (2015: 18.069; 2016: 30.945) zusammen. Die Beratungsstellen sind mit vielen Nationalitäten, Kulturen, Sprachen und Bedarfen konfrontiert. Der Umgang mit dieser Vielfalt stellt für die Beratung nicht selten eine Herausforderung dar.
Indem die Schwangerschaftsberatung für Ratsuchende aller Nationalitäten Hilfe anbietet, trägt sie wirksam dazu bei, die Zusage des Kampagnenthemas einzulösen.
Die Gruppe der Schwangeren mit Fluchthintergrund ist heterogen
Ratsuchende kommen mit unterschiedlichen Aufenthaltsstatus und Aufenthaltsperspektiven, unterschiedlichen Ansprüchen an familienunterstützende Leistungen, ohne Deutschkenntnisse oder nach einem ersten Sprachkurs, als Erstgebärende oder mehrfache Mutter und mit unterschiedlichen Flucht- und Lebensgeschichten in die Beratung. Hinzu kommen regelmäßige Veränderungen im Asyl- und Ausländerrecht, die Ratsuchende verunsichern und für Berater(innen) eine Herausforderung darstellen.
Suchten 2015 und in der ersten Jahreshälfte 2016 vor allem Asylbewerberinnen aus Erstaufnahmeeinrichtungen oder "vorläufigen Unterbringungen" die Schwangerschaftsberatungsstellen auf, steigt mittlerweile der Anteil an anerkannten Schutzberechtigten mit der Perspektive eines dauerhaften Verbleibs in Deutschland.
Vielfältige Herausforderungen treten in der Schwangerschaftsberatung durch die Zielgruppe der schwangeren Frauen mit Flucht- und Migrationshintergrund auf. Die sprachliche Verständigung ist nach wie vor die größte Herausforderung. Beratung ist durch die eingeschränkten sprachlichen Möglichkeiten oft sehr zeitaufwendig und reduziert sich darauf, "Basics" zu erklären. Die Beratung erfolgt oftmals über Dritte oder mit Hilfe von Sprachcomputern, mehrsprachigen Flyern oder über die eigene Mehrsprachigkeit.
Viele Ratsuchende haben im Heimatland oder auf der Flucht existenzielle Bedrohungen durchlitten und traumatisierende (Gewalt-)Erfahrungen gemacht, de- ren Folgen nicht durch die Veränderung der Lebensumstände allein aufgehoben sind. Viele sind in schlechter körperlicher und psychischer Verfassung. Die Sorge um zurückgelassene Familienmitglieder ist ständig präsent. Für einen Teil der Ratsuchenden ist ein niedrigschwelliges, psychotherapeutisches Angebot notwendig, um traumatische Erfahrungen im Heimatland beziehungsweise auf der Flucht bearbeiten zu können. Vielerorts sind über die Einzelfallhilfe hinausgehende Angebote für Ratsuchende mit Flucht- und Migrationshintergrund etabliert worden. Dabei handelt es sich beispielsweise um niedrigschwellige, offene Angebote wie Begegnungscafés, spezifische Gruppenangebote wie Geburtsvorbereitungskurse, aufsuchende Sprechstunden in Flüchtlingsunterkünften sowie allgemeine Informationsveranstaltungen. Die Zusammenarbeit mit Hebammen/Familienhebammen, ehrenamtlichen Pat(inn)en und der Asylsozialberatung bewährt sich vielerorts. Ratsuchenden fällt es aufgrund mangelnden Wissens über das deutsche Sozial- und Gesundheitssystem schwer, die vielfältigen bürokratischen Erfordernisse zu verstehen und die entsprechenden Anträge auszufüllen. Die Beraterinnen die Ratsuchenden unterstützen die Frauen dabei.
Beratungsstellen kommen an eine Belastungsgrenze
Bei allem Engagement und Einsatz für die Zielgruppen zeigt sich, dass die Schwangerschaftsberatungsstellen an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen und dringend zusätzliche Ressourcen beispielsweise über die Landesförderung bereitgestellt werden sollten. Was seit 2014 übergangsweise gestemmt werden konnte, ist ohne weitere zusätzliche Ressourcen auf Dauer nicht zu leisten.
Digitalisierung und Schwangerschaftsberatung
Bereits seit 2002 bietet die Katholische Schwangerschaftsberatung Onlineberatung in Form von Mail- und Chatberatung an. Die Erfahrungen zeigen, dass sich die Zielgruppen des Fachdienstes im Netz informieren und bei Bedarf auf das Angebot der Onlineberatung zurückgreifen. Beide Online-Kommunikationskanäle waren jahrelang ein Alleinstellungsmerkmal der Katholischen Schwangerschaftsberatung. Mittlerweile gibt es auch andere Anbieter, die Angebote im Bereich Social Media entwickelt haben. Um anschluss-, wettbewerbsfähig und attraktiv zu bleiben, erneuert der Fachdienst in einem dreijährigen Projekt den gesamten Onlineauftritt der Schwangerschaftsberatung.
Das gemeinsame Projekt zur Weiterentwicklung der Schwangerschaftsberatung im Internet - SbiI goes Web 2.0 - vom DCV und vom SkF Gesamtverband (2016-2018) verfolgt das Ziel, einen eigenständigen zielgruppenspezifischen Auftritt der Katholischen Schwangerschaftsberatung zu gestalten unter Hinzunahme weiterer Kommunikationskanäle unter anderem im Bereich Social Media.
Im Projektverlauf hat sich gezeigt, dass die Mail- und Chatberatung zwar in ihren Funktionalitäten optimiert, aber in ihren Grundzügen beibehalten und durch zusätzliche Kommunikationskanäle ergänzt werden soll. Ein von Beraterinnen moderiertes Forum soll den Austausch von Ratsuchenden untereinander befördern. Eine Facebookseite der Katholischen Schwangerschaftsberatung dient als Informations- und Neuigkeitenseite mit der direkten Verlinkungsmöglichkeit auf das neue Portal der Schwangerschaftsberatung.
Ungefähr die Hälfte aller Schwangerschaftsberatungsstellen in Trägerschaft von Caritas und SkF sind derzeit in der Onlineberatung der Caritas aktiv. Für die Schwangerschaftsberatungsstellen, die sich bislang nicht in der Onlineberatung engagieren, bietet das Projekt zur Weiterentwicklung der Onlineberatung einen günstigen Zeitpunkt, sich mit dem Thema Digitalisierung auseinanderzusetzen, zu entscheiden, ob eine Integration in die Schwangerschaftsberatung im Internet sinnvoll ist und mit welchen Personal- und Zeitressourcen Schwangerschaftsberater(innen) in die Onlineberatung einsteigen. Das neue Portal bietet viele Möglichkeiten, sich personal- und ressourcenschonend auf den Weg zu machen.
Das Lebensschutzkonzept
Die Rahmenkonzeption "Ja zum Leben" aus dem Jahr 2000 ist Grundlage der Katholischen Schwangerschaftsberatung. In der Rahmenkonzeption ist das Lebensschutzkonzept des Fachdienstes grundgelegt. Gesellschaftlicher Wandel und medizinischer Fortschritt haben die Beratungsrealität seit dem Jahr 2000 verändert. Die Familiengründungszeit stellt Frauen, Paare und Familien vor vielfältige Herausforderungen, und zwar vor Eintritt einer Schwangerschaft, während einer Schwangerschaft und nach Geburt eines Kindes. Inhaltlich reichen diese von ethischen Fragen in Entscheidungskonflikten über Fragen zur Ausgestaltung der Elternschaft bis hin zu Existenzsicherungsfragen. Schwangerschaftsberatung im Kontext des Lebensschutzes geht also weit über die Beratung im existenziellen Schwangerschaftskonflikt mit der Infragestellung des Austragens eines Kindes hinaus.
Vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels und des medizinischen Fortschritts stellen sich in der Beratungsarbeit neue existenzielle Fragen, die in der Rahmenkonzeption aus dem Jahr 2000 noch nicht enthalten sind. 2016 wurde das Lebensschutzverständnis unter Berücksichtigung der aktuell in der Schwangerschaftsberatung auftauchenden existenziellen Themen innerhalb des Fachdienstes diskutiert. Geplant ist ein Arbeitspapier, das das weite Lebensschutzverständnis der Katholischen Schwangerschaftsberatung beschreibt und insofern als Ergänzung zur Rahmenkonzeption gedacht ist.
Den gesamten Bericht finden Sie unter:
www.caritas.de/schwanger2016
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