„Ich sage einfach Anton zu ihm“
Der Einsatz von Robotern in der Pflege ist ein großes Thema. Wie dabei das Fachpersonal entlastet werden kann, wird ins Zentrum sämtlicher Diskussionen gestellt. Wie aber fühlt sich ein Mensch, wenn ihm reale Bezugspersonen genommen werden?
Mario Lang ist 50 Jahre alt, etwas kleiner und ein bisschen ängstlicher als viele der anderen Bewohner(innen) hier. Doch der Smalltalk mit ihm funktioniert prima. Er wohnt im Haus Tobias in Heiligenstadt, einem Pflegeheim für Menschen mit geistiger Behinderung. Seit drei Jahren lebt er in dem modernen, fünf Jahre alten Haus, das direkt neben seiner ehemaligen Arbeitsstätte steht - einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung.
"Unsere Bewohner haben einen erhöhten Pflegebedarf - dazu zählen wir aber nicht nur die offensichtlichen Pflegeaufgaben wie das Tablettenreichen oder die Unterstützung bei der Körperhygiene, sondern auch die Aktionen, die irgendwie nebenbei laufen sollen. So wie zum Beispiel täglich gemeinsam die Zeitung zu lesen", erklärt Heimleiter Sebastian Gaßmann. Dieser stärkere Pflegebedarf spiegelt sich auch im leicht erhöhten Betreuungsschlüssel wider, der aber bei Weitem nicht bei einer Eins-zu-eins-Betreuung liegt.
"Gerade abends fehlt mir noch mal jemand zum Reden", sagt Mario Lang, der zuvor mit einem Augenzwinkern meinte: "Das Beste am Pflegeheim sind die Schwestern." Gerade die könnten sich aber zu Beginn der Nachtruhe nicht zerteilen, um jedem Geschichten vorzulesen oder sich auf einen längeren abendlichen Plausch einzulassen, weiß Sebastian Gaßmann.
Das Zwischenmenschliche ist leider das, was am ehesten auf der Strecke bleibt. Zunächst müssen die vom Gesetzgeber geforderten Pflichten wie die Grundversorgung, die Dokumentationen oder die Betreuung gewährleistet sein. Erst danach können darüber hinaus Beziehungen zu den Bewohner(inne)n gepflegt werden. Doch genau das ist es, was Menschen mit Behinderung besonders benötigen: ehrliche und aufrichtige Zuneigung. Mal ein Gespräch zwischendurch. Ein verständnisvolles Lächeln. Eine warme Umarmung.
Falls der Roboter lesen kann?...
In die Überlegungen, ob man im Haus Tobias nun auf Unterstützung in Form von Robotern zurückgreift, werden daher auch die Bewohner(innen) einbezogen. Mario Lang fände die Vorstellung zwar etwas gruselig und muss dabei an Science-Fiction-Filme denken. Doch es fallen ihm auch positive Dinge ein, bei denen er sich gut vorstellen könnte, einen Roboter im Haus zu haben: "Er könnte für mich den Tisch decken und meine Blumen gießen. Falls der Roboter lesen kann, kann er mir auch meine Tabletten stellen und so die Schwester entlasten. In seiner Nähe auf Toilette gehen fände ich aber doch etwas unangenehm." Gerade die von Mario angesprochene Assistenz für die Mitarbeitenden kann sich auch Sebastian Gaßmann vorstellen. Den Einsatz direkt am Menschen lehnt er jedoch ab. "Durch zu viel Unterstützung der Bewohner nimmt man ihnen die letzte Eigenständigkeit, wobei wir doch gerade versuchen, diese zu erhalten", bemerkt er kritisch. Ein Roboter könne schwer unterscheiden, ob Mario Lang noch fähig ist, den Tisch zu decken, oder ob er schlichtweg keine Lust dazu hat.
Unterstützend können sich Lang und Heimleiter Sebastian Gaßmann in einigen Bereichen gut Roboter in der Einrichtung vorstellen. Ob diese dann nur die Pflegekräfte entlasten oder auch den Bewohner(inne)n weitere Unterstützung anbieten, muss noch ausführlich besprochen werden. Nach den ersten Überlegungen zur Robotik im Haus Tobias ist auf jeden Fall geklärt worden, wie Mario Lang den Roboter ansprechen würde: "Ich sage einfach Anton zu ihm."
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