„Erfahrungen, die im Leben unbezahlbar sind“
Herr Dräxler, wie viele Ehrenamtliche engagieren sich bei Ihnen in der Flüchtlingshilfe?
Wir können gar nicht mehr genau sagen, wie viele Ehrenamtliche inzwischen mitarbeiten. Es sind aber schon mehrere Tausend in unserer Diözese. Was uns begeistert, ist, dass sich Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen zusammenfinden und engagieren. Es lassen sich auch Menschen einbinden, die sonst keinen kirchlichen Bezug oder die andere Konfessionen haben, auch Muslime. Flüchtlingsarbeit hat damit immer einen interreligiösen Anteil. Wichtig ist aber, dass es mittelfristig eine hauptamtliche Koordination gibt.
Warum brauchen sie Begleitung - ginge es nicht auch ohne?
Ich denke nicht. Die modernen Ehrenamtlichen sind eine heterogene Gruppe und bezüglich ihres zeitlichen Einsatzes als auch was ihre Interessen anbelangt ganz unterschiedlich. Demgegenüber stehen die Anforderungen und Bedürfnisse, die die Flüchtlinge mitbringen. Es gibt organisatorische Aufgaben wie Kinderbetreuung, Spracherwerb, Einführung in die Gesellschaft bis hin zu persönlichen Beziehungen und Freundschaften. Da ist ein Koordinator als Ansprechpartner sehr wichtig.
Welche Aufgaben haben die Ehrenamtskoordinatoren?
Die Arbeit beginnt mit dem Einwerben von Ehrenamtlichen. Oft haben diese sich bereits in einem Arbeitskreis formiert, ehe eine Koordination bereitgestellt werden kann. Die erste spontane Hilfe besteht meist in der Organisation von Sachspenden. Hier sind die Deutschen sehr spendenfreudig.
Vernünftig ist es, wenn Ehrenamtliche auf ihre Arbeit vorbereitet werden. Wir bieten umfangreiche Informationsabende oder Fortbildungen zu interkultureller Kompetenz oder rechtlichen Vorgaben an. Die Ressourcen der Ehrenamtlichen sind zu erfassen und mit der Asylsozialberatung zu vernetzen. So lassen sich Anforderungen und Hilfen synchronisieren. Ehrenamtliche haben einen hohen Gesprächsbedarf und geben viele kreative Anregungen. Die Koordination organisiert deshalb Austauschtreffen. Zudem verteilt sie die ehrenamtliche Vielfalt so, dass sich die Hilfe nicht auf einen Punkt oder wenige Flüchtlingsfamilien konzentriert. Sie pflegt Kontakte mit Lokalpolitik und Behörden.
Sind genug Mittel für die Arbeit der Caritas vorhanden?
Wann kann man von genug sprechen? In der Diözese München und Freising wurden 2015 aus kirchlichen Mitteln 1,5 Millionen Euro als Anschubfinanzierung zur Verfügung gestellt, um möglichst flächendeckend eine Ehrenamtskoordination aufzubauen. Es bedarf allerdings einer Verstetigung dieser Stellen. Es wird für diese Aufgabe weiterhin kirchliche Mittel geben, aber in geringerem Umfang. Staat und Kommunen müssen sich in Zukunft auch bei der Koordination deutlicher finanziell beteiligen. Unsere Vorstellung ist dabei, dass die Koordination unabhängig, also von einer sogenannten NGO, geleitet wird.
Ehrenamt bedeutet nicht nur Ehre, sondern hin und wieder auch Enttäuschung.
Viele Ehrenamtliche gehen mit großem Elan an ihre Aufgaben heran. Sie investieren Zeit, oft materielle Hilfen und vor allem ihr Herzblut. Aber nicht alle Flüchtlinge reagieren darauf so, wie wir es vielleicht erwarten. Gerade am Anfang sind viele Flüchtlinge auch enttäuscht über die Situation, die sie in Deutschland vorfinden. Als Helfer erwartet man unbewusst vielleicht doch eine Reaktion von Dankbarkeit. Die meisten Flüchtlinge sind auch sehr dankbar. Es gibt aber auch Frust, der sich von den Flüchtlingen übertragen kann. Vor allem, wenn sie kein Bleiberecht erhalten oder keine Arbeit oder Wohnung finden.
Bezüglich der Ehre: Die Einstellung zur Flüchtlingsaufnahme ist bereits innerhalb von Familien sehr gespalten. Auch unter Freunden und Arbeitskollegen wird dies mitunter kontrovers diskutiert. Man bekommt als Ehrenamtlicher also nicht immer Anerkennung, sondern spürt auch ganz andere Reaktionen.
Mit welchen positiven Erlebnissen werden sie belohnt?
Die meisten Ehrenamtlichen erleben eine große Erfüllung in ihrer Tätigkeit. Vor allem, wenn diese nicht als Momentaufnahme betrachtet wird. Eines der wichtigsten Erfolgserlebnisse ist es, wenn Flüchtlinge wieder Fuß fassen, über ihre oft schlimmen Erlebnisse einigermaßen hinwegkommen. Oder wenn Kinder in der Schule Anschluss finden und sich heimisch fühlen. Es entstehen immer wieder tragfähige Beziehungen und langjährige Freundschaften. Erfahrungen, die im Leben unbezahlbar sind.
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