Kommunikation im Nebel?
Welche ist die wichtigste Abteilung? "Die Kantine - denn dort gibt’s Infos, die man sonst im Hause vermisst." Die Witzelei greift den Missstand auf, dass der Informationsfluss in Betrieben bisweilen zu wünschen übrig lässt. Flugs entfalten sich dann Mutmaßungen; der Boden für Gerüchte ist bereitet. Zum Zweiten beleuchtet die Scherzfrage ein Grundbedürfnis: das ganz natürliche Interesse der Menschen an ihrem beruflichen Umfeld. Man kann das als positive Neugier bezeichnen. Je mehr Mitarbeitende sich interessieren, desto stärker werden ihr betriebliches Wir-Gefühl und ihr Appetit auf Wissen.
Gleichermaßen zutreffend ist umgekehrt: Wer als Führungskraft jemandem eine Information zuteilwerden lässt, gibt damit auch zu erkennen: "Ich halte Sie für wertvoll und vor allem für kompetent." Solches Zutrauen kann Zeichen guter Menschenführung sein.
Anweisung im beruflichen Alltag bedeutet in der Regel auch Weitergabe von sektoralem Fachwissen. Darüber hinaus fragt der/die selbstbewusste Mitarbeiter(in) von heute aber auch nach dem Sinngehalt einer Weisung. Hightech, modernste Informationstechnologie und "Outsourcing" ganzer Elemente sind nicht geeignet, die Transparenz des Gesamtbetriebs zu erhöhen. Im Gegenteil: Die Bedeutung des einzelnen Arbeitsplatzes fürs Ganze ist erklärungsbedürftiger denn je. Deshalb sollte einer Weisung die Chance zu Frage und Antwort folgen. Zwar müssen nicht alle "alles" wissen; und sinnvolle Grenzen der Hierarchie sind zu respektieren. Indes: Jede(r) muss spüren können, warum die eigene Arbeit ein Beitrag zur Betriebsleistung insgesamt ist. Der Austausch von Wissen und von Wertungen wird dort gelingen, wo Menschen mit dem Talent des Hörens, genauer: mit der Gabe des Zuhörens, gesegnet sind. Das ist nicht selbstverständlich. Ein Orden prägte hierzu einst ein hübsches Merkwort: "Selig sind, die zuhören können; sie werden viel Neues erfahren" (Kleine Schwestern, Murten/Schweiz). Missverständnisse im betrieblichen Reden und Hören sind zwar oft dem "Sender" anzulasten, meist aber doch dem "Empfänger" und dessen vielleicht strapaziertem Aufnahmevermögen.
Auch das richtige Timing ist von Bedeutung
Die Wissenschaft hat ermittelt, dass an den Menschen unserer Zeit Tag für Tag durchschnittlich zweitausend Informationen herankommen - große oder kleine. Aber richtig aufgenommen werden davon höchstens 30 Prozent; der Großteil wird, wie die Forschung sagt, weggefiltert, also nicht nachhaltig gehört. In der Praxis kann freilich nicht jeder zu jeder Zeit hör- und gesprächsbereit sein. Es kommt auch auf den rechten Zeitpunkt einer Kommunikation an. So kann die Bereitschaft zum wachsamen Hören nicht zuletzt von der aktuellen Stimmung und Emotion des Adressaten abhängen. Wer sich da auf einfühlsames Timing versteht, hat schon halb gewonnen. Zur Illustration: In einem badischen Bankhaus vereinbarte die Personalvertretung heikle Chef-Gespräche möglichst für den Freitag - wenn die Wochenend-Vorfreude zu wirken begann.
In Büroberufen beklagt man heute eine Überlastung durch Nachrichtenüberfluss, namentlich durch die Inflation zweitrangiger Spontan-Mails. In diesem Fall krankt Kommunikation nicht an einem Informationsdefizit, sondern eben an Überflutung.
Alle Ratschläge zum innerbetrieblichen Informationsfluss werden auf die Probe gestellt, wenn bei den Mitarbeitenden ein Vorgefühl betrieblicher Veränderungen keimt, aber "von oben" lange Zeit nichts Weiterführendes zu hören ist. Richtig kritisch wird die Lage, wenn man - zum Beispiel wegen anstehender Rationalisierungen - ungute Überraschungen im Personalbereich wittert. Es ist menschlich, dass sich jemand emotional zuerst für sich und Personen seiner Nähe interessiert und erst dann für die Sache - zum Beispiel für den Zwang zu neuen Arbeitsabläufen.
Und nichts läuft so schnell wie ein Gerücht - besonders, wenn’s ein negatives ist. Im Extremfall schlägt das bis auf die betriebliche Kostenrechnung durch. So berichtete einmal der Personalchef einer Autofabrik: Die kontaktarme Führungskraft einer Abteilung mit hohem Krankenstand wurde in die Leitung eines anderen Teams versetzt. In diesem nahm der Krankenstand allmählich zu, in jener rasch ab.
Mag der Informationsfluss bisweilen zäh und schmal, ab und zu auch im Nebel sein - eine Quelle der Neuigkeiten sprudelt allemal: Die Kurzplauderei auf dem Flur, die Unter-uns-gesagt-Story, die Hast-du-schon-gehört-Frage. Wir sollten sie nicht vorschnell als Hausgeschwätz abtun; sie gehören zum bekömmlichen Betriebsklima - wie die Kantine.
Erst wenn die Not sehr groß ist...
Anschluss an die Dorffamilie
Wertekonsens ist bedroht
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