Caritas-Unternehmen können Rentner weiterbeschäftigen
Zum 1. Juli 2014 ist im Zuge der neuen Rentenregelungen eine arbeitsrechtliche Vorschrift an versteckter Stelle in § 41 Satz 3 SGB VI in Kraft getreten. Die Vorschrift bietet Caritas-Unternehmen neue Handlungsoptionen über den AT (allgemeinen Teil) § 19 Abs. 5 der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) hinaus und ist ausdrücklich zu begrüßen. Allerdings bleiben, wie immer bei neuen gesetzlichen Regelungen, wichtige Fragen offen.
Wortlaut der Neuregelung
Die Vorschrift des § 41 SGB VI hat folgenden Wortlaut:
"§ 41 Altersrente und Kündigungsschutz
Der Anspruch des Versicherten auf eine Rente wegen Alters ist nicht als ein Grund anzusehen, der die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nach dem Kündigungsschutzgesetz bedingen kann. Eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der Arbeitnehmer vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen Alters beantragen kann, gilt dem Arbeitnehmer gegenüber als auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen, es sei denn, dass die Vereinbarung innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen oder von dem Arbeitnehmer innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt bestätigt worden ist. Sieht eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vor, können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, gegebenenfalls auch mehrfach, hinausschieben."
Die Vorschrift ist seit 1. Juli 2014 in Kraft, insbesondere mit dem neuen Wortlaut. Sie gilt nun für alle bestehenden Arbeitsverhältnisse in allen Caritas-Unternehmen.
Problematik bei der Beschäftigung von Rentnern
Viele Arbeitgeber möchten Arbeitnehmer(innen), die die Regelaltersgrenze erreicht haben, befristet weiterbeschäftigen. Arbeitsrechtlich ist dies jedoch mehr als problematisch. Der Bezug der Regelaltersrente beziehungsweise das Erreichen des Rentenalters ist an sich kein Befristungsgrund. Allein die Tatsache, dass der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin nun Regelaltersrente beziehen kann, rechtfertigt daher nicht die Befristung des Arbeitsverhältnisses. Dies stellt § 41 Satz 1 SGB VI ausdrücklich klar. Daran änderte auch die Vorschrift des AT § 19 Abs. 5 Satz 3 AVR bislang nichts. Die AVR sind kein eigenständiger Befristungsgrund. Es müssen vielmehr die gesetzlichen Voraussetzungen nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) für eine Anschlussbefristung vorliegen. Eine befristete Weiterbeschäftigung ist also nur mit Sachgrund (zum Beispiel Vertretung) oder eben nach der Neuregelung des § 41 Satz 3 SGB VI möglich.
Voraussetzungen der Neuregelung
Nach der neuen Vorschrift des § 41 Satz 3 Sozialgesetzbuch (SGB) VI kann nun durch Vereinbarung der Beendigungszeitpunkt, auch mehrfach, hinausgeschoben werden. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
1. Auf Regelaltersgrenze befristetes Arbeitsverhältnis
Zunächst ist unabdingbare Voraussetzung für ein Hinausschieben, dass mit dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin ein Arbeitsverhältnis besteht und eine Regelaltersbefristung vereinbart wurde, was im Bereich der AVR durch AT § 19 Abs. 3 gewährleistet ist.
2. Schriftliche Vereinbarung
Ist eine Vereinbarung über das Erreichen der Regelaltersgrenze gegeben, kann der Beendigungszeitpunkt durch Vereinbarung hinausgeschoben werden. Der Wortlaut der Vorschrift sagt zwar nichts über die formalen Voraussetzungen dieser Vereinbarung aus. Hier sollte man aber die strengen Formvorschriften des § 14 Abs. 4 TzBfG anwenden, also das Schriftformerfordernis. Schriftform in diesem Sinne bedeutet, dass beide Seiten mit Originalunterschrift die Vereinbarung bestätigen. Ein Austausch per E-Mail oder mündlich reicht nicht aus.
3. Während des laufenden Arbeitsverhältnisses
Das Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes ist nur während des laufenden Arbeitsverhältnisses möglich. Ist der Zeitpunkt der Beendigung wegen Erreichens der Regelaltersgrenze bereits eingetreten, endet das Arbeitsverhältnis. Im Rahmen eines bereits beendeten Arbeitsverhältnisses können keine Vereinbarungen mehr während des laufenden Arbeitsverhältnisses geschlossen werden. Hier gelten dieselben Grundsätze wie auch bei der Verlängerungsvereinbarung im Rahmen einer sachgrundlosen Erstbefristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG.
Die Dauer der Befristungen?
Der Wortlaut des § 41 Satz 3 SGB VI lässt das Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes, gegebenenfalls auch mehrfach, zu. Wie oft ist mehrfach? Der Gesetzgeber schweigt hierzu. Eine Höchstdauer ist gesetzlich nicht geregelt. Auch der Umfang der Vereinbarungen ist nicht geregelt. Die "Hinausschiebensvereinbarungen" müssen also nicht immer zeitlich identisch sein. Man kann zunächst ein Jahr vereinbaren, dann sechs Monate und dann nochmals zum Beispiel drei Monate. Eine Vielzahl von Verlängerungsvereinbarungen kann allerdings zu einer unwirksamen Kettenbefristung führen. Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung hier gewisse Grenzen (nachträglich) einzieht.
Kündigungsschutzgesetz und Kündigungsfrist
Die Kündigungsfrist berechnet sich nach der gesamten Betriebszugehörigkeit und nicht erst ab der Verlängerungsvereinbarung. Die Vorschrift des AT § 19 Abs. 5 Satz 2 AVR ist unwirksam! Es gilt uneingeschränkt Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG), und die die Dauer der Kündigungsfrist richtet sich nach AT § 14 AVR.
Neue Vorschrift hat Vorteile
Die neue Vorschrift des § 41 Satz 3 SGB VI, die seit 1. Juli 2014 in Kraft ist, ist zu begrüßen. Der Praxis werden zusätzliche Optionen für die befristete Beschäftigung von Rentner(inne)n eingeräumt, die so bislang nicht bestanden haben. Die unwirksamen Regelungen in AT § 19 Abs. 5 AVR werden so geheilt.
Anmerkung
Der Beitrag geht auf einen Vortrag des Verfassers bei der Arbeitsgemeinschaft caritativer Unternehmen (AcU) am 5. November 2014 in Frankfurt zurück.
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