Weiter stark gefragt
Über 100.000 Ratsuchende kamen im Jahr 2010 in die katholischen Schwangerschaftsberatungsstellen der Caritas und des Sozialdienstes katholischer Frauen oder fanden über das Beratungsportal www.beratung-caritas.de zur Schwangerschaftsberatung.
Viele Nöte in der Schwangerschaft sind mit sozioökonomischen Problemen der Familien verbunden. Die katholische Schwangerschaftsberatung erreicht schwerpunktmäßig Menschen aus den sogenannten Armutsmilieus. Über die Hälfte aller Ratsuchenden im Jahr 2010 war ohne Berufsabschluss und lediglich ein Viertel bezog ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit.
Die Beratungspraxis zeigt, dass nicht allein finanzielle Sorgen die Ratsuchenden belasten, sondern oftmals vielfältige und komplexe Notlagen vorliegen. Dies zeigt sich in den psychosozialen Themen, die in der Beratung aufgegriffen werden: körperliche und seelische Belastungen, die gesundheitliche Situation der Ratsuchenden, beengte und schlechte Wohnverhältnisse, Verschuldung, Partnerschafts- und Gewaltprobleme, fehlende soziale Netzwerke, Erziehungsprobleme beziehungsweise Schwierigkeiten, den Alltag mit Kindern zu strukturieren, sozialhilferechtliche Fragestellungen sowie Probleme bei der Durchsetzung von sozialhilferechtlichen Ansprüchen.
Besonders auffallend ist, dass Verantwortungs- und Zukunftsängste die Schwangerschaft bei vielen Frauen und Paaren überschatten. Viele Ratsuchende wissen nicht, wie sie angesichts der als prekär empfundenen Lebenssituation ihr Leben mit dem neugeborenen Kind organisieren sollen. Häufig besteht kein Zutrauen, das Leben eigenständig und nachhaltig zu verändern.
Die komplexen Notlagen führen zu längerfristig angelegten Beratungsprozessen. Zwei Drittel der Klient(inn)en suchten 2010 eine Beratungsstelle während der Schwangerschaft auf. Knapp 17 Prozent kamen nach der Geburt des Kindes beziehungsweise führten die Beratung in der frühen Familienphase fort.
Brücke zu Frühen Hilfen
Beratung schafft Vertrauen. Viele Ratsuchende nehmen aufgrund des entstandenen Vertrauensverhältnisses zur Beraterin weiterführende Beratung in Anspruch beziehungsweise lassen sich auf eine Vermittlung zu anderweitigen Beratungs- und Unterstützungsangeboten ein. Die Schwangerschaftsberatung übernimmt hier eine Brückenbauerfunktion zu den Angeboten der Frühen Hilfen.
Der Deutsche Caritasverband startete im Frühjahr 2010 im Zusammenwirken mit 16 Diözesen das Projekt "Frühe Hilfen in der Caritas", an dem sich insgesamt 90 Standorte aktiv beteiligen. Ziel des Projekts ist es, vor Ort eine systematische und verbindliche Form der Vernetzung von verbandsinternen Diensten und Einrichtungen sicherzustellen sowie den Aufbau und die Begleitung eines ehrenamtlichen Unterstützungsangebots zu realisieren. Fast ein Drittel aller Projektteilnehmer haben Schwangerschaftsberatungsstellen als zentralen Knotenpunkt in ihrem Netzwerk gewählt.
Bei den ehrenamtlichen Unterstützungsangeboten handelt es sich zum Beispiel um Familienpat(inn)en, die jungen Familien bei neuen und ungewohnten alltäglichen Herausforderungen behilflich sind und so für Entlastung sorgen, oder um Besuche von Ehrenamtlichen in der Geburtsklinik, die über bestehende Entlastungsangebote vor Ort informieren und im Bedarfsfall an eine Beraterin vermitteln.
Online-Beratung bewährt sich
Im Jahr 2010 suchten 1,2 Prozent der Ratsuchenden im existenziellen Schwangerschaftskonflikt2 eine katholische Schwangerschaftsberatung auf. Der Anteil in der Online-Beratung lag dagegen bei 7,1 Prozent. Viele Ratsuchende wählen bewusst das Internet als niedrigschwelligen und anonymen Zugang in die Beratung. Die Auswertung der Schwangerschaftsberatung im Internet bestätigt die Grundidee des seit 2002 bestehenden Angebots der Online-Beratung, dass sowohl Frauen in der frühen Schwangerschaft, im existenziellen Schwangerschaftskonflikt als auch altersmäßig junge Frauen über das Online-Beratungsangebot gut angesprochen werden können.
Jede zweite Klientin hat einen Migrationshintergrund
In der Katholischen Schwangerschaftsberatung ist der Anteil der Migrantinnen traditionell hoch. Im Jahr 2010 lag der Anteil bei 47,6 Prozent. Davon hatten 53,5 Prozent einen befristeten Aufenthaltsstatus. 68,4 Prozent der Ratsuchenden mit Migrationshintergrund waren ohne Berufsabschluss, nur 15,2 Prozent erzielten ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit.
Migrantinnen sind eine stark heterogene Gruppe, die sich unter anderem nach ethnischer Zugehörigkeit, dem Zuwanderungsweg, dem rechtlichen Status, nach Bildung und sozialer Lage differenzieren lässt. Fehlende berufliche Qualifikationen beziehungsweise nicht anerkannte Berufsabschlüsse, Sprachbarrieren und aufenthaltsrechtlich bedingte Einschränkungen verschlechtern häufig die Rahmenbedingungen von Familien. 60,5 Prozent der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Erwerbspersonen waren im Jahr 2010 beschäftigungslos. Dieser Anteil ist verglichen mit der Gesamtzahl aller Ratsuchenden der Schwangerschaftsberatung höher.
Die Beratung von Personen aus unterschiedlichen Kultur- und Sprachräumen erfordert ein hohes Maß an Professionalität und Einbezug kulturspezifischen Wissens, um individuell auf die Belange der Ratsuchenden eingehen zu können.
Die Praxiserfahrungen zeigen, dass Migrantinnen häufig gerade wegen des eindeutigen Wertebezugs der katholischen Schwangerschaftsberatung deren Beratungsstellen auswählen und aufsuchen. Viele Ratsuchende wissen um das Lebensschutzkonzept der katholischen Kirche und fühlen sich in einer Beratungsstelle, die für dieses Konzept steht und eintritt, am besten aufgehoben.
Beratung zu vorgeburtlichen Untersuchungen
Die Pränataldiagnostik ist mittlerweile selbstverständlicher Bestandteil der Schwangerenvorsorge. Vorgeburtliche Untersuchungen beinhalten - neben der Möglichkeit der medizinischen Diagnose und gegebenenfalls Therapiemöglichkeit während der Schwangerschaft beziehungsweise direkt nach der Geburt - ein hohes Konfliktpotenzial, sie erfordern eine hohe Entscheidungskompetenz von Frauen und Paaren. Katholische Schwangerschaftsberatung bietet in Ergänzung zur medizinischen Beratung psychosoziale Beratung im Zusammenhang mit vorgeburtlichen Untersuchungen an. Die Beratungssituation von Frauen hat sich durch die im Jahr 2010 in Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen im Schwangerschaftskonfliktgesetz (§ 2a SchKG) und im Gendiagnostikgesetz (§ 15,3 GenDG) verbessert. Die Gesetze sehen eine Verzahnung der medizinischen mit der psychosozialen Beratung vor und bieten eine Chance, die Kooperationsbeziehungen zwischen Medizin und psychosozialer Beratung auszubauen beziehungsweise zu verstetigen.
Das Beratungsaufkommen im Kontext der Pränataldiagnostik ist im Vergleich zum letzten Jahr deutlich gestiegen. In 2419 Beratungsfällen wurde eine Beratung im Kontext von Pränataldiagnostik wahrgenommen, und in 644 Beratungsfällen wurde eine zu erwartende Behinderung des Kindes in der Beratung aufgegriffen.
Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit
Die katholische Schwangerschaftsberatung verfügt neben der Einzelfallhilfe über ein ausdifferenziertes Profil der Beratungsstellen im flankierenden Bereich. So fanden im Jahr 2010 über 10.000 nicht einzelfallbezogene Maßnahmen wie zum Beispiel Veranstaltungen, Gruppen- und Gremienarbeit sowie Öffentlichkeitsarbeit statt. Die Schwerpunkte liegen hier im Bereich der sexualpädagogischen Gruppenarbeit sowie im Bereich der Frühen Hilfen.
Anmerkungen
1. Der Jahresbericht gibt einen Überblick über Schwerpunktthemen im Berichtsjahr sowie eine Übersicht über die wesentlichen statistischen Daten der bundesweiten Auswertung 2010. Download: www.caritas.de (DCV, Arbeitsbereiche, Familie und Generationen, Downloads und Materialien).
2. Beratung im existenziellen Konflikt meint Beratung der Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage bis zur 12. Schwangerschaftswoche.