Ohne Ökologie gibt es keine Gerechtigkeit
Mit dem Projekt "Zukunft einkaufen" haben die evangelische und katholische Kirche ein Managementwerkzeug für Einrichtungen geschaffen, um ökologische Ziele anzusteuern, Sparpotenziale zu erkennen und auszuschöpfen und die Kirche glaubwürdig in der Öffentlichkeit zu vertreten. Die Bundesstiftung Umwelt aus Osnabrück fördert dieses Projekt und macht den Weg frei für einen nachhaltigen Lebensstil in kirchlichen Einrichtungen.
In vielen Caritasverbänden sind durch öffentliche Förderung Beratungsstellen für Hilfesuchende entstanden, die der sogenannten "zweiten Miete" in der Gestalt von Energiekosten entgehen wollen. Was für den privaten Haushalt eines Hilfesuchenden wichtig ist, kann auch für Einrichtungen von Caritas und Diakonie kein Fehler sein. Vor diesem Hintergrund führen die Umweltbeauftragten der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland ein Projekt durch, das in einer ersten Phase bundesweit 200 Kirchengemeinden und Bildungsstätten beraten hat und das derzeit Einrichtungen der Diakonie, aber auch der Caritas in Osnabrück, Hildesheim und Stuttgart berät.
Bürger erwarten ökologisches Konsumverhalten
In der zweiten Phase liegt der Fokus auf Einrichtungen der Jugend- und Behindertenhilfe sowie der Pflege. Rund drei Viertel aller Bundesbürger erwarten laut einer Umfrage des Bundesumweltministeriums 2010 von den großen gesellschaftlich handelnden Akteuren, wie zum Beispiel den Kirchen, ein umweltfreundliches Konsumverhalten. Das Projekt "Zukunft einkaufen - glaubwürdig handeln in den Kirchen" bietet ein Managementmodell, das im ersten Schritt zu einer neuen Beschaffung und für einige Einrichtungen im zweiten Schritt zu einem Umweltmanagementsystem nach EMAS1 führt. Ziel des Projekts ist es, durch "Volumenverminderung", "Volumenbündelung" oder "Entwicklung von Qualitätsstandards (Label)" den Markt zu verändern.
Der erste Schritt ist eine Bestandsaufnahme der Beschaffungssituation in der Einrichtung. Auf dieser Basis wird ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess möglich. Es geht neben umweltgerechterer Beschaffung auch um Einsparungen. Vor der Verbesserung der Qualität steht die Optimierung der Quantität. Vorhandene Einkaufsrichtlinien sowie (in-)offizielle Standards werden betrachtet. Entscheidend ist die bereichsübergreifende Diskussion unter haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden über das Einkaufs- und Konsumverhalten in der Einrichtung.
Jede Einrichtung muss Schwachstellen benennen
Der zweite Schritt liegt in der Entwicklung von Verbesserungsstrategien. Das Team der Einrichtung bewertet mit externer Hilfe die Ergebnisse der Bestandsaufnahme und erstellt eine Kennzahlentabelle. Diese gestattet der Einrichtungsleitung oft erstmals einen Überblick über die Schwerpunkte der eigenen Beschaffung.
Der dritte Schritt beschäftigt sich mit den Schwachstellen, aber auch Stärken der Einrichtung. Mit neuem Wissen können die Führungskräfte einen Maßnahmenplan aufstellen, der kurz-, mittel- und langfristig umsetzbare Verbesserungen umfasst. In dieser Phase entwickeln die Mitarbeitenden gemeinsam mit der Leitung oft ein neues Verständnis für ihre jeweilige Rolle innerhalb der Aufbau- und Ablauforganisation des Unternehmens.
Im vierten Schritt, der ökologisch fairen Beschaffung, geht es darum, notwendige Strukturen zu etablieren. In jeder Einrichtung sollte es Beauftragte geben, welche die Einkäufe koordinieren. Dies kann eine einzelne Person erfüllen; in großen Einrichtungen werden verschiedene Personen beauftragt werden. Es bedarf einer Satzung, welche die Beschaffung im Detail regelt. Dazu gehört eine Liste, die festlegt, welche Lieferanten welchen Bereich beliefern und wie die Qualität geprüft wird. Nach diesem vierten Schritt steht in der Einrichtung ein sich selbst tragendes Beschaffungssystem.
Im fünften Schritt zieht die Einrichtung Gewinn aus der optimierten Beschaffung. Einsparungen bis zu 25 Prozent sind keine Seltenheit - bei verbesserter Qualität. Grund genug, nicht nur die Mitarbeitenden, sondern auch die Lieferanten, die Mitglieder der Kirchengemeinden, Spender(innen) und weitere Partner zu informieren: Das ökologisch glaubwürdige Wirtschaften wird zu einem Aushängeschild der Einrichtung.
Bistumsverwaltung etabliert Umweltmanagement
"Die Bedeutung der Ökologie ist unumstritten, wir müssen auf die Sprache der Natur hören und antworten (…)", forderte Papst Benedikt in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag vom 22. September 2011 nicht nur die anwesenden Politiker, sondern auch die Kirche und Caritas zum Handeln auf.
Gemeinsam mit dem Projekt "Zukunft einkaufen" entwickelt das bischöfliche Hilfswerk Misereor neue Umweltleitlinien, die im kommenden Jahr zu einer EMAS-Zertifizierung führen sollen. Es gibt auch einzelne Bistümer, die sich momentan in Fragen des Umweltmanagements mit der gesamten Verwaltung auf den Weg machen. Zurzeit fehlt noch eine bundesweite Fortbildung für Mitarbeiter(innen) der Caritas, um die Erfahrungen aus den Modelleinrichtungen in die Regionen zu transportieren. Der Verbrauch von Energie, Wasser und Lebensmitteln wird in den nächsten Jahren die wirtschaftlich entscheidende Frage sein, weil die Vorräte der Erde endlich sind. Dies wird nicht nur die Entwicklungsländer treffen, sondern auch die Sozialarbeit in Deutschland grundlegend verändern. Es ist nicht nur eine Frage der Ökologie, es ist eine Frage der Gerechtigkeit - und damit das Kerngeschäft der Caritas.
Anmerkung
1. EMAS: Eco-Management and Audit Scheme, ein Gemeinschaftssystem der Europäischen Union für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung. S. a. neue caritas Heft 7/2010, S. 16 ff. und Heft 13/2011, S. 30.