Caritas und Diakonie müssen digitaler werden
Die Digitalisierung macht auch vor kirchlichen Organisationen wie Caritas und Diakonie nicht halt. Für Fach- und Führungskräfte stellt sich die Frage, wie sie auf diese Veränderungen reagieren und welche spezifischen Herausforderungen und Chancen sich daraus ergeben.
Die Digitalisierung verändert die Art und Weise, wie Dienstleistungen erbracht, Informationen verarbeitet und kommuniziert werden. Besonders im sozialen Bereich eröffnen digitale Technologien neue Möglichkeiten für effizientere und zielgerichtetere Unterstützungsangebote, aber auch für neue Formen der Teilhabe sowie nicht zuletzt für die immer wichtiger werdende Gewinnung neuer Mitarbeitenden.
Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, wie notwendig digitale Technologien in kirchlichen Einrichtungen sind. Aber: Organisationen in vielen Bereichen waren darauf nicht gut vorbereitet. Im Hinblick auf die Digitalisierung gibt es signifikante Unterschiede zwischen der verfassten Kirche und caritativen Organisationen wie Diakonie und Caritas.
Inwiefern die in der Pandemie erfolgten Veränderungen nachhaltig sind, hängt von der Bereitschaft und Fähigkeit der Einrichtungen ab, strategisch in digitale Infrastruktur und Weiterbildung zu investieren. Verbunden ist damit die Herausforderung, traditionelle Werte und berechtigte Fragen wie etwa Datenschutzaspekte mit dem Potenzial moderner Technologien zu vereinbaren.
Neue Daten zeigen: Mitarbeitende verbringen mehr Zeit im Internet
Für Mitarbeitende in Caritas und Diakonie ist das Internet mit weitem Abstand das am häufigsten genutzte Medium. Das geht aus einer aktuellen Befragung hervor, die von Februar bis August 2023 von der Hochschule Macromedia in Kooperation und mit finanzieller Unterstützung des Versicherers im Raum der Kirchen (VRK) durchgeführt wurde.1 Die meisten befragten Mitarbeitenden in Kirche und Diakonie nutzen Online-Dienste und Websites eine bis drei Stunden am Tag (51 Prozent), gefolgt von vier bis fünf Stunden (21,4 Prozent) und "bis 30 Minuten" (15 Prozent). Nur 11,9 Prozent sind als "heavy user" mehr als sechs Stunden im World Wide Web unterwegs. Weniger als ein Prozent nutzt es gar nicht. Ganz anders sieht das Bild bei gedruckten Tageszeitungen und Zeitschriften aus: Hier gaben für Tageszeitungen 54,9 Prozent und für Zeitschriften sogar 71 Prozent an, diese Medienangebote gar nicht mehr zu nutzen.
Wenn Mitarbeitende in Caritas und Diakonie im Netz unterwegs sind, so ist dies einmal oder mehrmals die Woche zumeist für Instant-Messaging-Dienste wie Whatsapp (91,5 Prozent) oder für Suchmaschinen (87,4 Prozent) der Fall. Mit deutlichem Abstand folgen in der höchsten Häufigkeit Streaming-Angebote wie Spotify oder Netflix (48,2 Prozent), Office-Programme (47,2 Prozent) sowie Gesundheits- und Fitnessanwendungen (40,8 Prozent). Online-Shopping wird zwar auch häufig wahrgenommen, jedoch eher einmal oder mehrmals im Monat (49,8 Prozent).
Als mindestens einmal wöchentlich genutzte Social-Media-Plattform liegt bei den hier befragten Personen Instagram klar vorne (67,2 Prozent). In der Folge zu nennen sind Facebook (54,3 Prozent), Pinterest (28,4 Prozent), Tiktok (15,8 Prozent) und schließlich Snapchat (12, 8 Prozent).
Berufliche Digitalisierung in Caritas und Diakonie hinkt hinterher
Doch so hoch die private Social-Media-Nutzung auch ist - in den eigenen Organisationen in Caritas und Diakonie haben soziale Medien zumindest in der Wahrnehmung der Mitarbeitenden fast keine Bedeutung. Lediglich 19 Prozent beobachten in der externen Kommunikation ihrer Einrichtung eine "große oder sehr große Rolle" für soziale Medien. Zum Vergleich: Damit liegen die caritativen Einrichtungen nur etwa bei der Hälfte des Wertes für die verfasste Kirche (34,9 Prozent) und bei weniger als einem Drittel der 2022er-Ergebnisse für deutsche Unternehmen insgesamt (63,3 Prozent). Eine noch geringere Rolle schreiben die Befragten Social Media bei der internen Kommunikation über verschiedene Hierarchieebenen hinweg zu (zum Beispiel zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden). Nur 16,5 Prozent sehen hier eine "große oder sehr große Rolle". Bei interner Kommunikation auf gleicher formaler Stufe (zum Beispiel unter ranggleichen Führungskräften oder unter Mitarbeitenden) sind es hingegen 26 Prozent.
Wichtigste beruflich genutzte digitale Arbeitsgeräte in Caritas, Diakonie und ähnlichen Einrichtungen sind nach wie vor der arbeitgeberseitig gestellte stationäre Computer (61,2 Prozent), das privat eingebrachte Smartphone (54,6 Prozent) und der wiederum seitens der Einrichtungen überlassene mobile Computer (50,2 Prozent). Erst mit klarer Distanz folgen beruflich gestellte Smartphones (29,9 Prozent) und Tablets (19,3 Prozent). Fast ein Drittel der Umfrageteilnehmenden (30,8 Prozent) berichten aber auch, dass ihnen arbeitergeberseitig keine digitalen Endgeräte für die Berufsausübung bereitgestellt werden.
Geht es um Weiterbildung rund um Digitalisierungsthemen, so fällt bei den hier Befragten besonders häufig die Aussage: "Ich habe noch keine Weiterbildung dazu gemacht, obwohl es im Job hilfreich wäre." Dies gilt vor allem für basale Themen wie die allgemeine Handhabung digitaler Technik (43,2 Prozent), rechtliche Grundlagen im Internet (41,8 Prozent) und richtige Bedienung von Anwendungsprogrammen (37,7 Prozent).
Handlungsempfehlungen für Fach- und Führungskräfte
Die Ergebnisse zeigen: Mitarbeitende in Caritas, Diakonie sowie verwandten kirchlichen Bereichen in Deutschland sind digitaler als oft angenommen. Die Ergebnisse machen aber auch einen großen institutionellen Aufholbedarf deutlich - vor allem in der externen und hierarchieübergreifenden Kommunikation.
Für Fach- und Führungskräfte in Caritas und Diakonie resultiert aus den Ergebnissen eine ganze Reihe von Handlungsempfehlungen, die hier nur kurz skizziert werden können:
◆ Die gesamte, vor allem externe Kommunikation von caritativen Einrichtungen muss allen ethischen und datenschutzrechtlichen Diskussionen zum Trotz viel stärker und konsequenter auf Online-Medien, allen voran Social Media, setzen. Andernfalls wird es schwierig, überhaupt noch relevante Dialoggruppen unter 60 Jahren zu erreichen.
◆ Dies gilt besonders für Themen des Personalrecruitings und für die Kommunikation mit eigenen Mitarbeitenden über Hierarchiestufen hinweg. Der Abstand zu privatwirtschaftlichen Unternehmen ist groß: Die Nutzungswerte hinken rund ein ganzes Jahrzehnt hinterher.
◆ In Caritas und Diakonie sollte die Ausstattung mit digitalen Endgeräten verbessert werden. Wichtige Aspekte sind dabei eine verstärkte Mobilität von Mitarbeitenden auch innerhalb der eigenen Gebäude, aber auch das Zurückfahren von "Black-IT", das heißt dem viel zu großen Nutzungsanteil privater Endgeräte für berufliche Zwecke.
◆ Mindestens ebenso zentral ist das Thema des schnellen und nachhaltigen Ausbaus der beruflichen Weiterbildung zu Digitalthemen. Laut Befragung haben die Mitarbeitenden die Notwendigkeit vieler Qualifizierungsmaßnahmen verstanden und fordern ebensolche ein.
Sicherlich sind diese Punkte im konkreten Organisationsalltag oft nicht einfach umzusetzen. Vor allem finanzielle und rechtliche Restriktionen drohen dort manches zu verhindern und müssen mit viel Energie und Fantasie gelöst werden. Letztlich sind die skizzierten Entwicklungen aber alternativlos, wenn Caritas und Diakonie zukünftig überhaupt noch motivierte Mitarbeitende finden, öffentliches Gehör für ihre Themen bekommen und gesellschaftlich akzeptiert sein wollen.
Studie "Digitalisierung im Raum der Kirchen"
Wie kommen diese Daten zustande?
Die genannten Erkenntnisse basieren auf einer quantitativ-standardisierten Befragung, die von Februar bis August 2023 durchgeführt wurde. Die Studie richtete sich dabei gleichermaßen an Mitglieder wie Mitarbeitende aller christlicher Kirchen in Deutschland. Insgesamt nahmen 5365 Personen teil. Die Studie ist nicht vollständig repräsentativ, liefert aber angesichts der hohen Anzahl an Befragten spannende Einblicke.
- 52,3 Prozent der Befragten arbeiten hauptberuflich in einer kirchlichen Einrichtung, das heißt in der verfassten Kirche, in Caritas oder Diakonie.
- Die meisten dieser Teilnehmer:innen (59,1 Prozent) sind männlich.
- Die größte Alterskohorte bilden mit 33,1 Prozent die 50- bis 59-Jährigen.
- Die insgesamt am stärksten vertretenen Berufsgruppen sind die Verwaltungsangestellten (19,3 Prozent), Pfarrpersonen (17,9 Prozent), Erziehungsfachkräfte (7,9 Prozent), sozialpädagogisch Tätige (7,8 Prozent) sowie Krankenpflegende (6,1 Prozent).
- Von den kirchlichen Mitarbeitenden konnten 34 Prozent dem Bereich Caritas, Diakonie sowie ähnlichen sozialen oder medizinischen Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft zugeordnet werden. Sämtliche vorgestellten Werte beziehen sich auf diese Untergruppe.
1. Sievert, H.: Digitaler als gedacht, aber noch viel zu tun. Ergebnisübersicht der 1. VRK/Macromedia-Studie "Digitalisierung im Raum der Kirchen" (DiRK), epd-Dokumentation 22/2024, Kurzlink: https://tinyurl.com/nc15-24-kirche-digital