Den Abschied mitleben
Für Willi Schwägerl war es vor 18 Jahren ein Zeitungsartikel. Für Annemarie Grindel eine Fernsehreportage. Für Ewald Zacher der tödliche Unfall seines ältesten Sohnes. Ihre Motive sind verschieden, doch eines verbindet Schwägerl, Grindel und Zacher. Die drei gehören zu einem Team von 28 ehrenamtlichen Hospizbegleitern des ambulanten Hospiz- und Palliativdienstes Mainz. Hella Seitz, Geschäftsführerin der Mainzer Hospizgesellschaft Christophorus, ist froh über ihre ehrenamtlichen Hospizbegleiter. Denn gemeinsam mit den Krankenschwestern und der Ärztin des
Hospizes betreuen sie Patientinnen und Patienten auf ihrem letzten Lebensweg. 225 waren es im vergangenen Jahr. 1.156 Stunden haben sich die Ehrenamtlichen insgesamt für die Sterbenskranken engagiert. Meist werden vom ambulanten Hospizdienst zwischen 30 und 40 Patienten gleichzeitig betreut.
Den ersten Besuch bei einem Patienten macht immer eine der fünf speziell ausgebildeten Krankenschwestern des Hospizes. Sie entscheidet, ob bei einem Patienten der Besuch eines Hospizbegleiters sinnvoll ist. Die Schwestern kennen die Begleiterinnen und Begleiter und nehmen Kontakt mit einem der Frauen und Männer auf. Zweimal in der Woche - in der Regel für zwei
Stunden - kommen die Hospizbegleiter dann zu ihren Patienten nach Hause. "Sie führen Gespräche, lesen aus der Zeitung vor oder sind einfach da", berichtet Seitz.
Die Besuche sollen auch eine Entlastung für die Angehörigen sein, damit diese einmal weg gehen können. "Das ist oft schwierig, denn viele wollen ihre todkranken Angehörigen ungern alleine lassen",
sagt sie. Seitz ist es wichtig, dass ihre Ehrenamtlichen die Patienten eine längere Wegstrecke begleiten können. "Sie sollen den Abschied mit leben. Denn ein todkranker Mensch muss sich von vielem verabschieden: seinem Leben, seinen Angehörigen, seinem Beruf, alles, was er lieb und gerne hat. Es ist eine verlustreiche Zeit." Die Hospizbegleiter haben eine große Verantwortung. Sie stehen daher immer mit den Krankenschwestern in Kontakt, wenden sich bei Unsicherheiten an das Team des Hospizes. Dazu gibt es verbindliche Supervisionen. Ist ein Patient schließlich verstorben, findet ein Abschlussbesuch statt. Die Begleiter informieren dabei die Angehörigen über Angebote der Trauerarbeit im Mainzer Hospiz. "Wir bieten Gesprächskreise, aber auch Einzelbegleitung an", sagt Seitz.
Wer sich beim ambulanten Hospizdienst ehrenamtlich engagieren möchte, muss zuerst einen Grundkurs, dann einen Aufbaukurs besuchen. Der Grundkurs umfasst acht Abende, heißt "Umgang mit Krankheit, Sterben und Tod" und ist als eine erste Annäherung an das Thema und an die Hospizbewegung gedacht. Einmal im Jahr, in der Regel zu Jahresbeginn, wird ein solcher Grundkurs angeboten. Die Aufnahme in den späteren Aufbaukurs ist erst nach einem Einzelgespräch mit der Kursleitung oder einer Hospizschwester möglich. "Wir sind sehr restriktiv bei der Aufnahme in
den Aufbaukurs", betont Seitz. "Denn wer sich als Hospizbegleiter engagieren möchte, muss sich im Klaren sein, dass es um den Patienten und dessen Familie geht und nicht um seine eigenen Befindlichkeiten. Und er muss die entsprechenden zeitlichen Ressourcen mitbringen." Beim Aufbaukurs müssen dann unter anderem zehn Abende, drei Ganztagsseminare und ein Praktikum im Ambulanten Pflegedienst absolviert werden.
Es werde schwieriger, Ehrenamtliche für den ambulanten Hospizdienst zu finden, sagt Seitz. Das Problem: der nicht planbare Einsatz. "Da fallen die Berufstätigen und Menschen mit einer Familie weg." Doch auch in diesem Jahr besuchen je 15 Personen die beiden Grundkurse - mit dabei auch eine 26-jährige Studentin. "Das gab es früher nicht", hebt Seitz hervor. Willi Schwägerl jedenfalls empfindet auch nach 17 Jahren sein Engagement als Gewinn: "Schön ist es natürlich, wenn Menschen zu mir sagen, wie hilfreich sie meine Anwesenheit und Begleitung empfunden haben. Aber oft habe ich auch ohne diese explizite Aussage ein gutes Gefühl."