"Festung Europa!?" - Wie rüsten wir uns?
Verantwortung als Menschen gegenüber den Menschen
Im ersten Referat gab Martin Beißwenger vom Deutschen Caritasverband Einblick in die Systematik Europäischer Flüchtlingspolitik. Er ging der Frage nach, welche Auswirkungen nationale Alleingänge auf das Wertegefüge der gesamten Europäischen Union haben: "Angesichts der politischen Entwicklungen der jüngeren Zeit bestehen Zweifel, inwieweit das bisherige grundlegende Werteverständnis innerhalb der Europäischen Union überhaupt noch geteilt wird. Auch in den Mitgliedstaaten selbst scheint sich das Werteverständnis zu verschieben." Er kommt zu dem Schluss: "Menschen in tiefster Not und Verzweiflung Zuflucht zu gewähren, ist ein zutiefst humanitärer Akt. Humanität erwächst aus der Übernahme der Verantwortung als Menschen gegenüber den Menschen."
Der zweite Referent des Tages Olaf Bernau von Afrique-Europe-Interact erklärte das Phänomen der Externalisierung in der Europäischen Flüchtlingspolitik: "Schutzsuchende sollen bereits in Herkunfts- und Transitregionen daran gehindert werden, diese zu verlassen." Mit einem Blick in die afrikanische Geschichte überraschte Olaf Bernau: "Migration gehört nicht nur zur Kultur des afrikanischen Kontinents, sondern wird als eine wesentliche Triebkraft gesellschaftlicher Entwicklung bewertet."
Der erste Abend stand ganz im Zeichen praktischer und gesellschaftlicher Auswirkungen von Flüchtlingspolitik. Eingeladen waren der Landrat des Landkreises Görlitz Bernd Lange und der Oberbürgermeister der Stadt Görlitz Siegfried Deinege. Sie stellten sich den Fragen von Frank Seibel, früher Journalist der Sächsischen Zeitung, heute Leiter des Bildungshauses St.-Wenzeslaus-Stift in Jauernick. Beide Politiker konnten an konkreten Beispielen belegen, dass Flüchtlingsbewegungen und Migration nicht nur "zu lösende Probleme" sind, sondern immer auch Chancen für gesellschaftliche Entwicklung darstellen, die ergriffen werden wollen.
Migrantinnen sind Motoren für den Integrationsprozess
Am zweiten Tag waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbst gefragt, sich aktiv in die Diskussion einzubringen. Zu vier Schwerpunktthemen wurden in Arbeitsgruppen Thesen erstellt, Argumente gesammelt und Erkenntnisse vermittelt. Dabei ging es um Fragen des Familiennachzugs, des Umgangs mit dem Rechtspopulismus, der Verbesserung der Beratungspraxis und der ethisch-moralischen Betrachtung von Migration.
Der arbeitsintensive zweite Tag fand seinen Abschluss in einer Nachtwächterführung durch die Görlitzer Altstadt. Die spannenden Diskussionen des Tages setzten sich auch in gemütlicher Runde fort. Am Abschlusstag war zum gemeinsamen Morgenlob mit allen Tagungsteilnehmern der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt nach Jauernick gekommen.
Im Anschluss setzten die Arbeitsgruppen ihre Gespräche fort.
Im dritten Impulsreferat der Konferenz präsentierte Frau Prof. Dr. habil. Karin Scherschel von der Hochschule RheinMain Wiesbaden einen Schwerpunkt ihrer Forschung, die speziellen Aspekte bei der Migration von Frauen. Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kamen zwischen 2012 und 2016 über 500.000 Mädchen und Frauen nach Deutschland, um Schutz zu suchen. Davon kamen 41 % aus Syrien, 14 % aus Afghanistan, 9 % aus dem Irak und 7 % aus Eritrea und Somalia. Monika Schwenke, Teilnehmerin an der Fachtagung und Abteilungsleiterin Migration/Integration im Caritasverband für das Bistum Magdeburg begrüßte es, dass mit dem Beitrag von Frau Prof. Scherschel die spezielle Lebens- und Arbeitssituation von geflüchteten Frauen fokussiert wurde. Schwenke: "Wir erleben in unseren Sozialdiensten Migrantinnen als Motoren für den Integrationsprozess. Sie spielen innerhalb ihrer Familien eine wichtige Rolle. Ihre Stärken und ihre Motivation werden immer noch unterschätzt. Oftmals landen hochqualifizierte Migrantinnen im klassischen Niedriglohnsektor oder finden keine adäquate Beschäftigung. Hier muss arbeitsmarktpolitisch gehandelt werden. Zugänge zu Ausbildung und Arbeitsmarkt müssen gender- und kultursensibel gestaltet werden. Ich bin überzeugt, dass auch die Caritas in diesem Bereich einen wichtigen Beitrag leisten kann. In Sachsen-Anhalt hat die Caritas 2018 eine landesweite Servicestelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen auf den Weg gebracht."
Torsten Bognitz blickt als Tagungsleiter zufrieden auf drei intensive Tage des Austausches und der Stärkung für die tägliche Arbeit zurück: "Es ist heute notwendiger denn je, die eigene Haltung zum Ausdruck zu bringen und entschieden für eine solidarische Gesellschaft einzutreten. Haltung gibt Halt!"